Der Immobilienmarkt hat viele gute Jahre hinter sich, aber jetzt rumpelt es gewaltig. Hohe Zinsen und Baupreise setzen der Branche zu. Dazu kommen seit Ende November die Insolvenzen im Signa-Konzern von René Benko, die größten Pleiten der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Hier laufen gerade Bemühungen, Notverkäufe von Immobilien zu vermeiden, die die ohnehin schwächelnden Preise noch weiter drücken würden.

Schon seit Monaten stellen sich Marktkenner die bange Frage: Wird es weitere Akteure treffen?

Einer jedenfalls ist in Probleme geraten: ein wichtiges deutsches Tochterunternehmen der österreichischen Soravia-Gruppe, neben der Signa ebenfalls einer der bedeutendsten Immobilienkonzerne.

11.000 Anleger

Ende Dezember hat die deutsche One Group – so der Name der Tochter, die Soravia im Jahr 2020 von einem Münchner Wohnbaukonzern erwarb – ihre Zinszahlungen an rund 11.000 Anleihehalter sogenannter Namensschuldverschreibungen eingestellt. Über weitere Anlageprodukte hat das Unternehmen eine Art Vertriebs- und Verkaufsstopp verhängt.

Die One Group ist eine Fondsgesellschaft in Hamburg, die Geld von Investoren sammelt, um es in Neubauprojekte zu stecken. Auf der Website bezeichnet sie sich als "führender Anbieter von innovativen Investmentprodukten im Immobiliensegment". Man verwalte Assets im Wert von knapp 600 Millionen Euro. Schwerpunkt: "deutsche und österreichische Metropolregionen".

"Zahlungen aussetzen"

Wie der deutsche Finanzblogger Stefan Loipfinger aus Rosenheim zuerst berichtete, informierte die One Group Ende Dezember per Mitteilung an Finanzvermittler darüber, dass "wir die geplanten quartalsweisen Zinszahlungen für das vierte Quartal 2023 aussetzen". Betroffen sind vier von 25 Anleihen. Grund: Die massive Korrekturphase des Marktes würde eine "umfassende Risikoanalyse des Portfolios" erfordern. Man wolle "Optionen zur Verbesserung der Liquidität" prüfen und "in der aktuellen Marktphase handlungsfähig bleiben".

Die Triiiple Towers in Wien-Landstraße zählen zu den bekanntesten Bauten von Soravia. In Deutschland hat indes ein Tochterunternehmen Zinszahlungen an Investoren eingestellt.
Die Triiiple Towers in Wien-Landstraße zählen zu den bekanntesten Bauten von Soravia. In Deutschland hat indes ein Tochterunternehmen Zinszahlungen an Investoren eingestellt.
imago images/Volker Preußer

Betroffen sind Investments von rund 409 Millionen Euro. Die Zinszahlungen sollen laut One Group jedenfalls nachgeholt werden.

"Anspruch auf Zinszahlung"

Kann ein Unternehmen einfach so Zinszahlungen aussetzen – gewissermaßen aus Vorsichtsgründen? "Ein Anspruch auf Zinszahlung besteht, wenn und soweit (...) die Liquidität ausreicht", liest man im Prospekt einer der betroffenen Anleihen, der "Pro Real Europa 9".

Einziger Ausnahmefall: Die jeweiligen Tochterunternehmen der One Group, die die Anleihen herausgegeben haben und nun keine Zinsen mehr bezahlen, berufen sich auf die sogenannte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre. Das bedeutet, erst wenn eine Insolvenz droht, müssen Anleiheinvestoren auf ihre Zinszahlungen verzichten.

"Vorgehen ungewöhnlich"

Jedenfalls warnen Anwälte mit Schwerpunkt Anlegerschutz, etwa die deutsche Kanzlei Schiller und Gloistein in Bremen, vor einem "Totalausfall" der Gelder und sprechen von einem "Anlageskandal". Auch die deutsche Stiftung Warentest konstatiert: "Das Vorgehen ist ungewöhnlich."

Der Mutterkonzern Soravia in Wien verweist auf STANDARD-Anfrage auf die One Group. Von dort heißt es, man habe die Zinszahlungen eingestellt, um "die Stabilisierung des Projektportfolios sicherzustellen". Man wolle damit erreichen, "dass in Bau befindliche Projekte fertiggestellt werden können und bereits fertiggestellte Objekte nicht unmittelbar einem Verkauf zugeführt werden müssen, solange befriedigende Verkaufserlöse nicht erzielbar sind". Man prüfe derzeit "konkrete kurz- und mittelfristige Wertschöpfungsoptionen".

Dass eine Insolvenz droht, weist der One-Group-Sprecher zurück, ohne es direkt zu benennen: Die Anleihen würden nämlich einen "Liquiditätsvorbehalt" vorsehen – was bedeutet, dass im Folgequartal an die Anleger nachgezahlt werden kann, falls gerade nicht genug Liquidität zur Verfügung steht. Das bedeutet freilich, dass die One Group gerade äußerst knapp bei Kasse ist. (Joseph Gepp, 24.1.2024)