Es ist ein Tag voller Adrenalin, voller Liebesschwüre, mit viel Essen – angeblich einer der wichtigsten Tage im Leben: die Hochzeit. Zwei Menschen werfen sich in Schale, um ihre Liebe zu feiern. Aber dazu braucht es längst keinen Partner mehr. Offenbar entscheiden sich immer mehr Frauen dazu, das alleine durchzuziehen. Sie heiraten in pompösem Brautkleid, mit Blumen und kitschigen Fotos.

Ein prominentes Beispiel ist die Sängerin Selena Gomez. "Ich dachte, ich wäre mit 30 schon verheiratet, also habe ich mir selbst eine Hochzeit geschmissen", sagt sie dem Magazin "Rolling Stone". Zu ihrem runden Geburtstag veranstaltete sie ein Fest der besonderen Art im kalifornischen Malibu. Es gab rote Rosen, Kerzenlicht, eine Torte und Stripper.

Eine weitere Solobraut ist das Topmodel Adriana Lima. Die Sängerin Miley Cyrus feiert das Alleinsein nicht nur in ihrem Song "Flowers", sondern auch in ihrem Leben – ebenso wie die Schauspielerin Emma Watson, die sich in Interviews als "mit sich selbst verpartnert" bezeichnet. Auch die indische Bloggerin Kshama Bindu hat sich selbst das Ja-Wort gegeben. In Indien, wo Hochzeiten meist noch arrangiert werden, sorgte das für eine Kontroverse.

Die Solohochzeit scheint ein reines Frauenphänomen zu sein. Offizielle Zahlen, wie viele sich selbst das Ja-Wort geben, existieren nicht. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, schließlich handelt es sich um einen rein symbolischen Akt. Dennoch häufen sich die medialen Berichte. So schrieb auch die "Kronen Zeitung" im Herbst über eine "riesige Single-Wedding" in Wien-Favoriten. Auf einen Aufruf des privaten Radiosenders Kronehit hin nahmen im Oktober neun Österreicherinnen an einer fingierten Trauungszeremonie teil. Die Frauen, gekleidet in opulenten Kleidern, schworen ewige Liebe zu sich selbst und steckten sich einen Ring an. Für den Hochzeitskuss stand ein Spiegel bereit.

Vor ein paar Jahren ging außerdem die Geschichte der Italienerin Laura Mesi durch die Medien. Die Fitnesstrainerin hatte es satt, weiter auf "den Richtigen" zu warten. An ihrem Hochzeitstag trug Mesi ein weißes Kleid, sie hatte sich zu dem Anlass einen funkelnden Diamantring gegönnt. Die Hochzeitstorte war mit einer einzelnen Brautfigur verziert. 70 Gäste feierten Mesi.

Bei der US-Amerikanerin Sasha Cagen fiel das Fest kleiner aus. Zu ihrer Selbstheirat war eine kleine Gruppe von Freunden eingeladen, erzählt sie im Interview mit der "Vogue". Die Verlobung habe an einer Tankstelle stattgefunden, auf dem Heimweg von einem Ausflug zu heißen Quellen. Die Hochzeit fand neun Monate später in einem japanischen Garten in Buenos Aires statt.

Solohochzeiten in Japan

In Japan ist schon länger von sogenannten Solohochzeiten zu lesen. Eigene Agenturen bieten das Prozedere ab umgerechnet rund 2.000 Euro an. Die Pakete enthalten meist die Miete für ein Brautkleid, ein professionelles Make-up, Frisur, Blumen und ein professionelles Foto-Shooting. Das ORF-"Weltjournal" und die britische BBC berichteten über solche Events.

Braut; Brautstrauß; Hochzeit; Japan
Sie würden sich einen Tag lang "wie eine Prinzessin" fühlen wollen, sagen Solobräute in Japan. (Symbolbild)
Getty Images/iStockphoto

Wolfram Manzenreiter ist Professor für Japanforschung an der Universität Wien und glaubt nicht, dass Solohochzeiten ein Trend oder gar ein Massenphänomen in Japan sind. In nationalen Medien sei nur wenig dazu zu finden. Auch sei er auf keine aktive Bewerbung dieser Events gestoßen. Auffallend ist für ihn, dass keine Bilder von Solohochzeiten in traditionellen Gewändern zu finden sind. Deshalb sei naheliegend, dass Zeremonien aus anderen Ländern als Vorbild dienen, etwa aus den USA. "Die Bilder von der Braut in Weiß können durchaus ein Auslöser für Nachahmung sein."

Aber warum bucht jemand ein solches Shooting? Dabei könnten auch die sozialen Medien eine Rolle spielen. So erklären junge Japanerinnen in Interviews, dass sie sich einen Tag lang wie eine Prinzessin fühlen wollen. Die Bilder seien für sich selbst, ihre Freunde – und für Social Media. Solohochzeiten könnten eine Möglichkeit sein, "sich in einer bestimmten Art und Weise zu inszenieren, ohne die Masse an ernsthaften Veränderungen, die mit einer Verehelichung einhergehen", sagt Manzenreiter.

Vorstellungen von adäquatem Verhalten und Aussehen würden sich in Japan "viel stärker normativ auswirken, und dies gilt auch für Kleidung, Schminke, Haartracht und Haltung auf den Hochzeitsfotos".

Zeichen der Selbstliebe

Ähnlich erklärt sich auch die Psychotherapeutin Magdalena Ségur-Cabanac das Phänomen. Sie konstatiert, dass Hochzeiten zu einem "Konsumgut" geworden sind. "Es ist ein Event, ein Highlight im Leben, bei dem man Aufmerksamkeit bekommt. Und ist kein geeigneter Partner verfügbar, dann macht man es eben alleine." Durch Solohochzeiten werde das Glück, die positiven Gefühle, käuflich. Gleichzeitig erspare man sich die Konsequenzen: Wer sich selbst heiratet, muss sich nicht mit einem Partner auseinandersetzen, der einen eigenen Willen und eine eigene Meinungen hat, Ecken und Kanten. Man spart sich auch die Erfahrung, enttäuscht oder verlassen zu werden.

Es geht aber nicht nur um schöne Bilder und die Lust, sich zu präsentieren. Die Selbstheirat könne auch eine Art Statement sein, meint Ségur-Cabanac: "Die Ehe ist immer noch eine wichtige Institution. Und gerade Frauen wird oftmals vermittelt, dass sie nur mit einem Partner vollständig sind. Mit einer Solohochzeit drückt man aus: Ich bin mir selbst genug. Und ich lasse mir nicht von der Gesellschaft zuschreiben, dass ich nicht wertvoll oder komplett bin, weil ich keinen Partner oder keine Partnerin habe."

"Mit einer Solohochzeit drückt man aus: Ich bin mir selbst genug. Und ich lasse mir nicht von der Gesellschaft zuschreiben, dass ich nicht komplett bin, weil ich keinen Partner oder keine Partnerin habe." (Magdalena Ségur-Cabanac, Psychotherapeutin)

Die US-Amerikanerin Sasha Cagen, die sich selbst geheiratet hat, sieht es genauso: Es sei ihr darum gegangen, auch zu den weniger schönen Seiten an sich selbst Ja zu sagen. "Mich selbst zu heiraten sollte bedeuten, dass ich mich selbst akzeptiere", so Cagen, die zu dem Zeitpunkt ihrer Hochzeit sogar einen Partner hatte. Laut Ségur-Cabanac ist das auch nicht ganz abwegig, denn: "Mit sich selbst im Reinen zu sein ist die wichtigste Grundlage für eine Beziehung. Wenn wir es mit uns selbst fein haben, haben wir es meist auch in unseren Beziehungen mit anderen fein."

Nach einer Trennung

Einzelne Frauen entscheiden sich offenbar aus therapeutischen Zwecken dafür. Nach einer Trennung oder einer Scheidung zum Beispiel. Das sei nachvollziehbar, sagt die Psychotherapeutin – denn auch heute noch würden sich Frauen in einer Ehe häufig unterordnen, ihr eigenes Wohlergehen hinter das anderer stellen, jenes von Mann und Kindern. "Da kann eine Selbstheirat auch bedeuten: Jetzt bin ich mir verpflichtet, gebe mich nicht mehr auf. Jetzt bleibe ich bei mir."

Braut; Brautstrauß; Hochzeit
Selbstliebe statt Liebe: Die Solohochzeiten können ein Statement für Selbstakzeptanz sein.
Getty Images/iStockphoto

Dass Frauen lieber Ja zu sich selbst sagen, könnte aber noch einen weiteren Grund haben. Sie bemerke, dass die Ansprüche heterosexueller Frauen an einen potenziellen Partner höher geworden sind, sagt Ségur-Cabanac. Das liege einerseits daran, dass Frauen immer besser gebildet sind und finanziell meist unabhängig. Wenn sie eine Beziehung eingehen wollen, dann eine auf Augenhöhe, mit einem Mann, der emotional kompetent ist. Ein anderer Faktor sei das Online-Dating: "Dadurch entsteht bei vielen Frauen die Vorstellung, dass der Partner fürs Leben perfekt sein muss. Wenn sie jemanden treffen, der ein oder zwei Makel hat, denken sie sich: Wieso soll ich mich mit ihm abgeben, wenn ich ohnehin so viele Matches habe?"

Stehen Solohochzeiten womöglich für einen Trend zum Singlesein? Das denkt Olaf Kapella vom Österreichischen Institut für Familienforschung nicht. "Alleinsein als Lebenskonzept ist nicht sehr verbreitet." Es stimme zwar, dass Beziehungen heutzutage schneller beendet werden als früher, wenn sie nicht glücklich verlaufen. "Der gesellschaftliche Druck, das Leben lang zusammenzubleiben, ist einfach nicht mehr so groß. Auch nicht jener, überhaupt eine Beziehung zu führen." Die Phasen, in denen jemand Single ist, würden zudem "sehr bewusst gestaltet", das Alleinsein werde mitunter zelebriert. Dennoch hält Kapella fest: "Der Wunsch nach Zweisamkeit ist ungebrochen." Die allermeisten Menschen würden sich nach einer Beziehung sehnen, nach Nähe und Geborgenheit. Das war immer schon so, und das werde höchstwahrscheinlich auch in Zukunft so sein. (Lisa Breit, 31.1.2024)