Proteste vor dem Parlamentsgebäude in Montgomerey, der Hauptstadt Alabamas, gegen die Stickstoffmethode.
Proteste vor dem Parlamentsgebäude in Montgomerey, der Hauptstadt Alabamas, gegen die Stickstoffmethode.
AP/Mickey Welsh

Kenneth Smith steht vor seiner Hinrichtung – mal wieder. Dem heute 58-Jährigen drohte nämlich schon am 17. November 2022 das Lebensende, man gab sich dafür auch große Mühe. Der zum Tode Verurteilte sollte an jenem Tag nach seiner Henkersmahlzeit – frittierter Fisch und Garnelen – mittels Giftspritze hingerichtet werden.

Stundenlang arbeiteten mehrere dafür Zuständige in einem Gefängnis in Alabama daran, Smiths Leben zu beenden. Doch sie scheiterten daran, ihm einen intravenösen Zugang zu legen, um ihm so das Gift in den Körper zu jagen. In ihrer Verzweiflung ließen sie ihn sogar einmal kopfüber hängen, um so seine Venen anschwellen zu lassen. Doch es half nichts. Kurz vor Mitternacht gaben sie auf, die Hinrichtungsorder galt nur für den einen Tag.

Foltervorwürfe der Anwälte

Seit dem Zweiten Weltkrieg sind gerade einmal sechs gescheiterte Hinrichtungen in den USA bekannt. Smith wurde durch den Fehlversuch an ihm traumatisiert, sagte er danach. Er habe so schlimme Schmerzen gehabt, dass seine Anwälte von Folter sprachen (die im Übrigen in den USA verboten ist). Stundenlang sei er in einem Raum voller Menschen gelegen, von denen niemand versucht habe, ihm zu helfen.

Archivbild von Kenneth Smith, dem nun die zweite Hinrichtung bevorsteht.
Archivbild von Kenneth Smith, dem nun die zweite Hinrichtung bevorsteht.
AFP/Alabama Department of Correc

Im Jahr 1988 ereignete sich das, was Kenneth Smith letztlich in den Todestrakt beförderte. Ein Pfarrer beauftragte ihn und einen anderen Mann, John Forrest Parker, seine Frau zu töten. Der Geistliche hatte eine Affäre und Schulden, diese wollte er über die Lebensversicherung seiner Frau begleichen. Für jeweils 1.000 US-Dollar erstachen Smith und Parker sie.

Der Pfarrer beging, nachdem er alles seiner Familie gestanden hatte, Suizid. Parker und Smith wurden zum Tode verurteilt, obwohl sich bei Letzterem die Geschworenen in einem zweiten Prozess für eine lebenslange Haftstrafe ausgesprochen hatten. Der Richter war an diese Empfehlung aber nicht gebunden. Parker wurde bereits 2010 mittels Giftspritze hingerichtet. Smith ging gegen das Urteil juristisch vor und setzte seine letzten Rechtsmittel im Jahr 2022 ein – ohne Erfolg.

Wissenschaftlicher Anstrich

Nun, im Jahr 2024, ist Kenneth Smith wieder in den Schlagzeilen. Am Donnerstag soll ein zweiter Hinrichtungsversuch durchgeführt werden. Ein letzter Antrag von Smiths Anwälten wurde vom Supreme Court abgewiesen. Doch für weit mehr Aufsehen sorgt die Exekutionsmethode. Erstmals zum Einsatz kommen soll die sogenannte Stickstoffhypoxie, wobei es sich allerdings nicht um einen medizinischen Fachausdruck handelt, sondern um ein von Befürwortern dieser Methode erfundenes Wort, das wissenschaftlich klingen soll.

Smith soll dabei eine Gesichtsmaske aufgesetzt bekommen, durch die er 15 Minuten lang reinen Stickstoff einatmet. Das, so der Plan, führt zu einem tödlichen Sauerstoffmangel. Anhänger dieser Methode wie Jus-Professor Michael Copeland, der dazu ein Gutachten erstellen ließ, erklären dies zu einer schmerzlosen Exekutionsmethode, der Todeskandidat werde kaum etwas merken.

Allerdings gibt es dafür überhaupt keine Erfahrungswerte, da diese Methode noch nie zur Anwendung gekommen ist, wie das UN-Menschenrechtsbüro erklärte. Experten der Vereinten Nationen oder von Amnesty International warnen vor einer möglicherweise besonders grausamen Hinrichtungsmethode.

Menschliche Versuchskaninchen

Auch andere rechtliche Beschwerden trudelten in den USA bei diversen Gerichten ein. Moniert wird im Grunde, dass Menschen so zu Versuchskaninchen würden. In der US-Verfassung ist zudem festgehalten, dass "grausame und ungewöhnliche" Hinrichtungsmethoden verboten seien. Man könne zum Beispiel nie wissen, wie dicht die Gesichtsmaske sei. Ob nicht doch Sauerstoff eintreten und so Smiths Todeskampf verlängern könnte – oder er sogar überlebt, dann wahrscheinlich aber mit schweren Hirnschäden.

Deborah Denno, Jus-Professorin an der Fordham-Universität in New York mit Forschungsschwerpunkt Hinrichtungsmethoden, sagte dem "Guardian", das für die Hinrichtung vorgesehene Prozedere sei "schlampig, gefährlich und ungerechtfertigt mangelhaft".

Warnung der Tierärzte

Zu diesem heiklen Fall meldete sich auch der US-Tierärzteverband zu Wort. Hat man Stickstoff früher benutzt, um Tiere einzuschläfern, rät man mittlerweile davon ab. Studien hätten nämlich ergeben, dass dadurch vor dem Tod hoher Stress, Panik und Schmerzen entstehen würden.

Trotzdem wurde diese Methode bislang in Alabama, Oklahoma und Mississippi zugelassen. Die US-Bundesstaaten, die die Todesstrafe noch exekutieren, greifen normalerweise zur Giftspritze, allerdings weigern sich Pharmaunternehmen zusehends, die dafür notwendigen Medikamente bereitzustellen. Auch wird es immer schwieriger, dafür benötigtes Fachpersonal zu finden. Das Parlament in Idaho hat aus diesem Grund im März 2023 Hinrichtungen per Erschießungskommando erlaubt.

Das hat dazu geführt, dass jede dritte Hinrichtung im Jahr 2022 in den USA laut einem Bericht des Death Penalty Information Center (DPIC) nicht nach Plan lief. Immer wieder erleiden die Verurteilten dabei Qualen und Schmerzen. Trotzdem unterstützt laut Umfragen weiterhin eine knappe Mehrheit der Bevölkerung die Todesstrafe.

Hoffen auf Gerechtigkeit

Angesichts der bevorstehenden Hinrichtung meldete sich auch die Familie von Elizabeth Sennett zu Wort, Smiths Opfer. Man hoffe, dass endlich der Gerechtigkeit Genüge getan werde. Dann könne die Familie endlich mit ihrem Leben weitermachen, sagte Sohn Michael Sennett dem TV-Sender NBC.

Alabamas Generalstaatsanwalt Steve Marshall nannte die Stickstoffmethode "die vielleicht sicherste Hinrichtungsart, die je erfunden wurde".

Und Kenneth Smith? Der hat eine Riesenangst, sagte er dem Radiosender NPR. Jeder sage ihm, dass er leiden werde. (Kim Son Hoang, 25.1.2024)