Darja Trepowa gut bewacht im Gerichtsgebäude von Sankt Petersburg.
Darja Trepowa, gut bewacht im Gerichtsgebäude von Sankt Petersburg.
AP/Dmitri Lovetsky

27 Jahre muss die 26-jährige Darja Trepowa im Straflager verbringen. Etwas weniger als die 28 Jahre Haft, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Verurteilt wurde die junge Frau wegen ihrer Beteiligung am tödlichen Bombenattentat auf den Militärblogger Wladlen Tatarskij im April vergangenen Jahres. Ihre Beteiligung scheint erwiesen – doch ansonsten hat der Gerichtsprozess kaum neue Erkenntnisse über die Hintergründe des Anschlags gebracht.

"Ich studiere an der Akademie der Künste an der Fakultät für Bildhauerei. Ich habe dir ein Geschenk, eine Skulptur mitgebracht", erinnert sich eine Augenzeugin an den Auftritt von Darja Trepowa im Café "Stritfud-Bar No.1" im Zentrum von Sankt Petersburg. Die Immobilie gehörte dem damaligen Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin, der später unter ungeklärten Umständen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.

Video: Anschlag auf russischen Militärblogger: Frau zu 27 Jahren Haft verurteilt
AFP

"Kreativer Abend"

Eingeladen zu einem "kreativen Abend" hatte der Diskussionsklub Cyberfront Z. Auftreten sollte Wladlen Tatarskij, ein in der Szene bekannter ultranationaler Militärblogger, dessen richtiger Namen Maxim Fomin lautet. Laut Veranstaltungsplakat wollte er erzählen, "wie es ist, unter Kugelhagel aus Krisenherden zu berichten, und auch erklären, was es bedeutet, ein Militärkorrespondent zu sein". Vor Tatarskijs Auftritt gab es Gerüchte, Prigoschin selbst würde mit dabei sein. Doch der Söldnerführer blieb der Veranstaltung fern.

Dann überreichte Darja Trepowa ihr "Geschenk". "Plötzlich explodierte alles. Und wir rannten. Diejenigen, die in der Nähe waren, liefen blutend davon", so ein Augenzeuge. Der 40-jährige Tatarskij war auf der Stelle tot, 32 weitere Menschen wurden verletzt. Der Sprengsatz war in der Skulptur eingebaut, die Darja Trepowa mitgebracht hatte.

Bombe aus der Ferne gezündet

Verurteilt wurde sie aufgrund von drei Straftaten: Begehung eines Terroranschlags, illegaler Handel mit Sprengstoffen und Urkundenfälschung. Letzteres gab die junge Frau zu, in der Tat habe sie einen gefälschten Ausweis verwendet. Damit wollte sie sich als Bildhauerin ausgeben, die den Krieg in der Ukraine unterstützt. Von der Bombe aber habe sie nichts gewusst. Sie ging nach eigenen Angaben davon aus, dass die Statue nur ein verstecktes Abhörgerät enthielt. Im Dunkeln bleibt, von wem sie Ausweis und Bombe bekommen hatte, wer die Hintermänner des Anschlages waren. Laut Staatsanwaltschaft sei die Explosion "aus der Ferne" über eine in der Ukraine gekaufte estnische SIM-Karte ausgelöst worden.

Darja Trepowa war unter Sankt Petersburger Polit-Aktivistinnen als "Dascha Tykowka" bekannt, berichtete das Onlinemedium "Meduza". Die junge Frau habe als Verkäuferin in einem Vintage-Bekleidungsgeschäft gearbeitet. Der Militärblogger und Kriegsberichterstatter Tatarskij war eine schillernde Person. Wegen bewaffneten Raubüberfalls saß er im Gefängnis. Ab 2014 kämpfte er zunächst als Aufständischer für die Unabhängigkeit des russisch kontrollierten Donbass, ehe er sich dem Journalismus zuwandte. Er verbreitete in seinem Blog Videos vom Frontgeschehen in der Ukraine und gab zuletzt jungen russischen Soldaten Tipps, wie sie sich in den vordersten Linien verhalten sollten.

Nawalnys Team dementiert

Zu den Drahtziehern des Anschlags brachte der Prozess keine neuen Erkenntnisse. Unmittelbar nach dem Attentat hatte das russische "Nationale Anti-Terror-Komitee" behauptet, dass der Anschlag von ukrainischen Geheimdiensten unter Beteiligung von "Agenten aus dem Kreis der Personen, die mit der sogenannten Nawalny-Antikorruptionsstiftung zusammenarbeiten", geplant wurde. Das Team des inhaftierten Kremlkritikers Nawalnys dementierte umgehend.

Der Parlamentsabgeordnete Leonid Sluzki, Vorsitzender der rechtsextremen Partei LDPR, vermutet gleichfalls eine "ukrainische Spur". Söldnerchef Prigoschin sagte hingegen, er würde dem "Regime in Kiew" nicht die Schuld geben. Und der ukrainische Präsidentenberater Mykhailo Podolyak wiederum wollte kurz nach dem Anschlag wissen, dass sich in Russland sich "Inlandsterrorismus" breitmache: Es habe sich seiner Meinung nach um eine interne Abrechnung in russisch-nationalistischen Kreisen gehandelt. (Jo Angerer aus Moskau, 25.1.2024)