Wenn Tuvalu am Freitag sein Parlament neu wählt, findet dies unter einer größeren internationalen Aufmerksamkeit als in vergangenen Jahren statt. Wirtschaftlich hat die aus sechs Atollen und drei Riffinseln bestehende Inselgruppe wenig internationale Relevanz. Tuvalu ist mit nur 26 Quadratkilometern Fläche nach Nauru, Monaco und dem Vatikanstaat das viertkleinste Land der Erde, weniger als 12.000 Menschen leben hier. Doch zwei Faktoren rücken den Zwergstaat auf die internationale Landkarte: Erstens ragen die Inseln kaum aus dem Pazifischen Ozean heraus, die höchste Erhebung des Landes liegt auf der Insel Niulakita gerade einmal 4,6 Meter über dem Meeresspiegel. Tuvalu ist daher eines der Länder, die durch einen steigenden Meeresspiegel infolge des Klimawandels am stärksten betroffen sind. Und zweitens ist Tuvalu eines jener nur mehr zwölf Länder, die mit Taiwan volle diplomatische Beziehungen pflegen. Dies könnte sich nach der Wahl ändern.

Funafuti ist die Hauptinsel Tuvalus. Bis zum Jahr 2050 sollen große Teile durch den Meeresspiegelanstieg unbewohnbar sein.
Funafuti ist die Hauptinsel Tuvalus. Bis zum Jahr 2050 sollen große Teile durch den Meeresspiegelanstieg unbewohnbar sein.
AP/Alastair Grant

Das Einkammerparlament Tuvalus hat 16 Sitze. Diese werden nach einem relativen Mehrheitswahlrecht vergeben. Es gibt acht Wahlbezirke, die jeweils zwei Sitze erhalten. Wenn in einem Wahlkreis nicht mehr als zwei Kandidaten antreten, gelten diese automatisch als gewählt. Da es in Tuvalu keine politischen Parteien gibt, treten alle Kandidaten als Unabhängige an.

Dies führt dazu, dass sich bei Wahlen, aber auch zwischendurch recht häufig neue Mehrheitsverhältnisse ergeben, da die Basis des Systems durch persönliche Bündnisse und Verbindungen zwischen Clans und Familien gebildet wird. Zwar gibt es nominell die Trennung in Regierung und Opposition, doch das System begünstigt Wechsel zwischen den Gruppen.

Sorge um Wechsel zu Peking

Der derzeitige Premierminister Kausea Natano amtiert seit 2019, damals übernahm er die Regierungsspitze von Enele Sopoaga, der seinerseits schon seit 2013 regierte. Die Wahl im September 2019 brachte gleich sieben neue Abgeordnete ins Parlament, mehrere bisherige Minister verloren ihr Mandat. Schon damals wurde befürchtet, dass sich Tuvalu nun Peking zuwenden würde, denn der abgewählte Sopoaga galt als taiwantreu, und wenige Tage vor respektive nach der Wahl Natanos zum Regierungschef wechselten mit den Salomonen und Kiribati gleich zwei Pazifikstaaten die Seiten. Natano versicherte jedoch, dass keine Änderung des Status quo geplant sei.

Einfluss ausgebaut

Doch Peking hat seinen Einfluss in der Pazifikregion seither weiter ausgebaut. Nauru brach vergangene Woche mit Taiwan ab und nahm am Mittwoch diplomatische Beziehungen mit China auf – ein Schritt, den der Inselstaat bereits einmal gegangen ist. Nach einem Wechsel zu Peking im Jahr 2002 wendete man sich jedoch 2005 enttäuscht wieder Taipeh zu. Neben Tuvalu stehen im Pazifik nun nur mehr Palau und die Marschall-Inseln an der Seite Taiwans. Sowohl Natano als auch Sopoaga wollen zumindest vorerst nichts an den Beziehungen zu Taipeh ändern. Aber auch Finanzminister Seve Paeniu ist am Premiersposten interessiert, und er hat angekündigt, die Beziehungen zu Taipeh und zu Peking überprüfen zu wollen. Paeniu wird dem künftigen Parlament weiter angehören, da er seinen Sitz ohne Gegenkandidatur sicher hat.

Seve Paeniu könnte als Regierungschef Tuvalu nach Peking ausrichten.
REUTERS/AMR ALFIKY

Falepili-Unions-Vertrag

Tuvalu hat sich unter Natanos Regierung zuletzt dem großen Nachbarn Australien zugewandt. Im November unterzeichneten Natano und Australiens Premierminister Anthony Albanese den Falepili-Unions-Vertrag. Falepili steht im Tuvaluischen für Respekt, Fürsorge und gute Nachbarschaft, und so wollen die beiden Regierungen den Vertrag verstanden wissen. Drei Hauptbereiche der Zusammenarbeit werden geregelt: Klimawandel, Mobilität und Sicherheit.

Anthony Albanese und Kausea Natano auf Rarotonga mit dem Falepili-Unions-Vertrag.
Anthony Albanese und Kausea Natano präsentieren auf Rarotonga den Falepili-Unions-Vertrag.
EPA/BEN MCKAY

Einerseits unterstützt Australien Tuvalu dabei, die Inseln gegen einen Anstieg des Meeresspiegels abzusichern, um die Infrastruktur zu schützen. Andererseits wird pro Jahr 280 Einwohnern Tuvalus ermöglicht, nach Australien zu übersiedeln, um hier zu leben und zu studieren. Im Vertrag wird das klimabedingte Umsiedelungsprogramm als "Mobilität in Würde" bezeichnet.

Die Einwohner Tuvalus erhalten durch den Falepili-Vertrag die Möglichkeit, in Australien zu leben.
Die Einwohner Tuvalus erhalten durch den Falepili-Vertrag die Möglichkeit, in Australien zu leben.
via REUTERS/STRINGER

Kritik an Sicherheitspakt

Die Teile des Abkommens, die sich mit den Fragen der Sicherheit befassen, sorgten jedoch für Kritik in Tuvalu. Australien verpflichtet sich zur Unterstützung im Falle einer militärischen Bedrohung und bei Naturkatastrophen oder Pandemien, erhält aber Überflugsrechte und Zugang zum Territorium Tuvalus. Der Inselstaat verpflichtet sich, Vereinbarungen mit anderen Staaten in Sicherheits- und Verteidigungsangelegenheiten nur im Einvernehmen mit Australien einzugehen. Dies wird als ein Vetorecht für die Regionalmacht interpretiert, was jedoch von Natanos Regierung bestritten wird. Sopoaga kündigte jedenfalls an, den Falepili-Unions-Vertrag im Falle einer neuerlichen Regierungsübernahme wieder aufzuheben. (Michael Vosatka, 25.1.2024)