Die Bestellung des Öbag-Aufsichtsrats, die sei für ihn "echt nicht das größte Problem gewesen", erklärte Ex-Minister Gernot Blümel am Donnerstag am Wiener Straflandesgericht. Bei Ex-Kanzler Sebastian Kurz sieht die Lage freilich anders aus: Ihm und seinem damaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli wird vorgeworfen, im Ibiza-U-Ausschuss falsch ausgesagt zu haben. Die beiden sollen Kurz’ Rolle bei Postenbesetzungen in der Staatsholding Öbag kleingeredet haben. Beide bestreiten das, es gilt die Unschuldsvermutung.

Am Donnerstag musste nun Blümel als Zeuge in dem Prozess aussagen – auch wenn ihn die Angst, man könnte ihm falsche Aussagen vorwerfen, schon "seit Jahren" begleite, wie der ehemalige ÖVP-Politiker betonte. Schließlich sei er nicht das "Orakel von Delphi" und könne sich nicht an alles erinnern.

Gernot Blümel beim Prozess gegen Kurz am Straflandesgericht Wien.
Anders als Angeklagter Sebastian Kurz gab Zeuge Gernot Blümel den Medienleuten am Straflandesgericht Wien keine Wortspenden.
APA/TOBIAS STEINMAURER

Das Publikums- und Medieninteresse an Blümels Aussage war jedenfalls groß, immerhin hat der Kurz-Vertraute 2017 den türkis-blauen Koalitionsvertrag mitverhandelt und war bis zum Erscheinen des Ibiza-Videos im Mai 2019 Kanzleramtsminister. Blümel sollte vor Gericht erklären, ob bzw. welchen Einfluss Kurz auf Postenbesetzungen nahm. Im Fokus stand die Bestellung von Thomas Schmid, dem vormaligen Generalsekretär im Finanzministerium, zum Chef der Staatsholding Öbag im Frühjahr 2019.

War Kurz eingebunden?

Zu Beginn des Verhandlungstages galt es gleich einiges klarzustellen: So seien gegen Blümel derzeit keine Ermittlungen anhängig, erfragte Richter Michael Radasztics. Blümels Anwalt habe seinem Mandanten dennoch empfohlen, sich wegen möglicher Widersprüche bei Fragen zum türkis-blauen Sideletter zu entschlagen – und davon machte Blümel dann auch Gebrauch.

Etwas gesprächiger zeigte er sich beim Thema Staatsholding Öbag. In deren Umstrukturierung von der Öbib zur Öbag sei Blümel involviert gewesen – auch wenn er damals als Kunstminister formal nicht zuständig war. Sodann ging es auch um die Kernfragen des Prozesses: War Kurz in die Personalentscheidungen involviert? Und wenn ja, wie intensiv?

Die Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder der Öbag lag formal bei Finanzminister Hartwig Löger, die Entscheidung darüber sei politisch im Ministerrat getroffen worden, sagte Blümel. Es habe aber freilich Vorabstimmungen gegeben. Vorwissen sei extrem wichtig gewesen für "professionelles Auftreten".

"Nicht mein größtes Problem"

Von wem in den Personalfragen Zurufe kamen – "von der Ortsgruppe Wolfsgraben oder vom Bundeskanzler" –, habe aber wohl einen Unterschied gemacht, merkte Richter Radasztics an. Blümel ließ das so stehen. Wann genau er mit Kurz darüber geredet habe, dass Schmid Öbag-Chef werden wollte, konnte er nicht mehr sagen. "Irgendwann" werde er mit ihm schon darüber gesprochen haben. Insgesamt sei der Öbag-Aufsichtsrat aber "echt nicht mein größtes Problem" gewesen, erklärte der Zeuge. Das Leben in der Regierung sei "ein Leben im gefühlten Ausnahmezustand". Dass bei Personalfragen die Planung von Ex-Kanzler Kurz ausgegangen wäre, das entspreche nicht seiner Erinnerung.

Warum hat Schmid seine Vorschläge für Aufsichtsratsmitglieder dann dennoch an Blümel und Kurz weitergeleitet? Schließlich gehe das aus Chats hervor, die das Gericht Blümel in der Verhandlung vorlegte, betonte die WKStA.

Es sei um "gute Abstimmung" gegangen, etwa für Presseanfragen, so Blümel. Schmid habe oft Dinge geschickt "zur Information, whatever". Jeder habe wissen wollen, was der Kanzler davon hält. "Braucht man auch das Placet des Kanzlers?", wollte Richter Radasztics wissen. "Am Ende des Tages trifft der Minister die Entscheidung", erklärte Blümel immer wieder. Und Finanzminister Löger habe beim Aufsichtsrat "freie Hand" gehabt.

Zufriedengestellt haben die Antworten die Staatsanwaltschaft aber offenbar nicht. Sie hatte weitere Fragen: Warum hat Blümel Schmid in den Chats über die Personalfragen nicht mitgeteilt, dass das alles eine Entscheidung des Finanzministers sei? Hat Blümel gelogen, als er Schmid ankündigte, mit Kurz darüber zu reden? "Es ist möglich, dass ich ihn beruhigen wollte."

"Schwarmintelligenz"

Im Zusammenhang mit einer Behauptung von Kurz, Schmid habe bei der Bestellung des Aufsichtsrats eine Vereinbarung mit den Sozialdemokraten getroffen, hatte Blümel "keine konkrete Wahrnehmung".

Nach Ende der Befragung von Blümel meldeten sich noch die Angeklagten Kurz und Bonelli zu Wort. Auch nach tagelangem Zuhören gebe es nichts, was seine U-Ausschuss-Aussage widerlege, er sei informiert, aber nicht involviert gewesen, sagte Kurz. Zu den Personalentscheidungen sei man quasi durch "Schwarmintelligenz" gekommen.

Am 30. Jänner geht es weiter, da wird unter anderem Ex-Öbag-Aufsichtsratschef Helmut Kern aussagen. Und tags darauf die zwei Russen, die die Glaubwürdigkeit Schmids infrage stellen sollen. Sie werden aus der österreichischen Botschaft in Moskau zugeschaltet. (Renate Graber, Jakob Pflügl, 25.1.2024)