Reportage: Sonnenstudio, Sun Company, Nagelstudio, Schwedenplatz
Gab es 2004 in Wien noch 209 Studios, hat sich diese Zahl bis Ende des Jahres 2022 auf 92 mehr als halbiert.
Regine Hendrich

In der Sun Company am ­Schwedenplatz herrscht ein reges Kommen und Gehen. Es ist Vormittag, und Sonnenanbeter geben sich in dem Innenstadtsolarium die Klinke in die Hand. "Üblicherweise ist an einem Freitag um diese Zeit sogar um einiges mehr los", sagt Michael Skacel.

Seit 2007 ist der 48-Jährige im Sonnenbankgeschäft als Franchisenehmer der Sun Company tätig. Damals eröffnete er im Auhof Center, Wiens berühmtem Einkaufszen­trum an der westlichen Stadtgrenze, sein erstes Solarium. Er führt es noch immer, neben der Filiale am Schwedenplatz. Aktuell hat sich bei Skacel eine Kosmetikerin aus der Ukraine eingemietet. Sie bietet hier vor Ort einen Nagelpflegeservice an. Skacel, der für Mitte Jänner keine schlechte Farbe im Gesicht hat, versichert, dass es dafür eine große Schnittmenge in der Kundschaft gibt.

Überhaupt, die Kundschaft. Anders, als man hier am Schwedenplatz kurz vor der Mittagszeit vermuten würde, schmolz sie in den letzten Jahren dahin. Der große Hype der 1990er-Jahre, als kräftige Bräune zum guten Ton gehörte und spitze Zungen über "Prolo-Toaster" spotteten, gilt als vorbei. Das spiegelt auch die schrumpfende Solarienanzahl wider. Gab es 2004 in Wien noch 209 Studios, hat sich diese Zahl bis Ende des Jahres 2022 auf 92 mehr als halbiert. Man muss als Solariumbetreiber der Kundschaft, die vorwiegend weiblich ist, mittlerweile mehr bieten. Nicht wenige Studios setzen ­dabei auf Kosmetik, Massagen, aber auch kleine Fitnesskämmerchen.

Runzeln wegbrutzeln

Panik wird in der Bräunungsbranche trotzdem nicht geschoben. Auch nicht bei Hans Arsenovic, der die Sun Company vor 20 Jahren gegründet hat. Der Unternehmer sitzt für die Grünen im Gemeinderat, ist Vizepräsident der Wirtschaftskammer und war lange Branchensprecher für Solarienbetreiber. In Top­zeiten hatte sein Franchiseunternehmen bis zu 50 Filialen. Heute sind es 14. In seinem Reich geht die Sonne trotzdem nicht unter. "Wir sind noch immer Marktführer", erklärt er und sagt über die Hintergründe des Solarienschwunds: "Die Branche hat sich bereits vor Corona zu konsolidieren begonnen. Viele kleine Betriebe können nicht mehr mithalten, wenn es darum geht, die neueste Technik ­anzubieten. Die Investitionen sind zu hoch."

Reportage: Sonnenstudio, Sun Company, Nagelstudio, Schwedenplatz
Michael Skacel in seinem Sonnenstudio am Wiener Schwedenplatz.
Regine Hendrich

Eine Hightech-Sonnenbank, ausgestattet mit neuester Technologie, kostet rund 60.000 Euro. Wer sich etwa unter eine Mega Sun P9 von KBL legt, sie wurde von Porsche ­Design gestaltet und blinkt wie eine ­irregewordene Lichtorgel, tut sich übrigens Gutes, versichert Arsenovic. Das Sonnen darin soll nämlich das für Knochen und Gemüt so wichtige Vitamin D3 liefern. Und die Leuchtstoffröhren machen nicht nur braun, sondern sollen mittels Infrarotlicht auch körpereigenes Kollagen stimulieren. Das glättet Falten und beugt der Hautalterung vor.

Eine Meinung, der sich Hautärzte nicht ganz anschließen können. So meint die Dermatologin Elke Janig etwa vorsichtig: "Natürlich tut Licht gut. Hier hat man einen therapeutischen Spagat zu bewältigen. Entweder Vitamin D und positive Gefühle oder gesunde Haut." Weil es nie verkehrt ist, eine Zweitmeinung einzuholen, erklärt die Hautärztin Barbara Franz: "Vitamin-D-Kapseln und natürliches Sonnenlicht sind die bessere Alternative zur Sonnenbank." Anders bewertet Franz allerdings die Wirkung von Rotlicht beziehungsweise Lichtstrahlen nahe am Infrarotbereich: "Es existieren zahlreiche rezente Studien, die einen messbaren positiven Effekt von rotem Licht bei der Bildung von Kollagen, der Regeneration von Hautzellen und der Verzögerung von Alterungsprozessen bestätigen."

Heute werden Solarien ganzjährig genutzt. "Besonders stark im Frühling und im Winter, wenn die Ballsaison startet – aber nicht wenige Menschen kommen auch im Sommer ins Sonnenstudio", sagt Arsenovic. Warum denn das, bitte? Michael Skacel hat die Antwort: "Man hat nicht immer die Zeit, sich ins Schwimmbad zu legen, außerdem ist vielen die Sommersonne zu aggressiv geworden."

Walter (58) und Gabi (62) zählen nicht zu der Sorte Mensch, die sich im Sommer auf die Sonnenbank legt. "Wir kommen nur in der kalten Jahreszeit her", kommentiert Gabi. Zwei- bis dreimal in der Woche sucht sie das Studio auf. Sie schätzt die Wärme. Vor allem aber das Resultat: "Ich bin von Natur aus ein heller Typ. Ich will nicht bleich wie eine Leiche rumlaufen." Diese Gefahr besteht bei ihr nicht mehr. Und schon gar nicht bei ihrem Mann Walter, der hier noch öfter zum Bräunen vorbeischaut. Mindestens viermal wöchentlich, sagt er. "Ich gehe seit 40 Jahren in Solarien. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie einen Sonnenbrand." Walter erahnt bereits die nächste Frage, bevor sie ausgesprochen ist: "Einmal im Jahr mache ich einen Routinecheck beim Hautarzt. Immer alles in Ordnung." Ein Wunder?

Studio-Braun

Barbara Franz analysiert staubtrocken, wenn man ihr so etwas erzählt. "Wahrscheinlich hat der Mann bis jetzt Glück gehabt. Die Statistik spricht jedenfalls gegen ihn, denn ab dem 60. Lebensjahr häufen sich die Hautkrebsfälle – insbesondere bei Menschen, die zeitlebens verstärkt UVA-Strahlen ausgesetzt waren." Und die Strahlenbelastung in so einem Solarium ist enorm. Sie erwähnt den UV-Index, der auf einer Skala von null bis zwölf die aktuelle UV-Belastung festhält. Zwölf entspricht dabei der Strahlenintensität der Mittagssonne am Äquator. Mehr geht nicht. "Und jetzt raten Sie, welchen UV-Index ein Solarium hat!"

Sonnenstudio, Nagelstudio, Schwedenplatz
Aktuell hat sich bei Skacel eine Kosmetikerin aus der Ukraine eingemietet. Sie bietet hier vor Ort einen Nagelpflegeservice an.
Regine Hendrich

Aus hautärztlicher Sicht sollte man es also tunlichst vermeiden, sich unter ein Solarium zu legen. "Selbst bei unter 35-Jährigen erhöht sich bei regelmäßigen Solarienbesuchen das Risiko, dass sich im Laufe des Lebens ein Melanom bildet, um 60 Prozent", so Franz. Und Elke Janig warnt zudem vor Dauerschäden: "Chemische Experimente zeigen, dass elastische Fasern in der Haut durch UVA-Strahlen zerstört werden und sich ablagern. Es entsteht die klassische sonnengegerbte, faltige, fahl und alt aussehende Haut."

Ein Mann von der Post kommt ­herein. Er liefert allerdings nichts, sondern holt sich in der Mittagspause ein Paket Sonnenschein ab. Nicht grundlos: "In zwei Wochen fahre ich nach Ägypten – ich bräune vor." Die Vorbereitungen sind offensichtlich schon weit gediehen. Ägypten besucht ihn wohl öfter als umgekehrt. Ist das sinnvoll? "Man kann die Haut schon auf intensive Sonneneinstrahlung vorbereiten. Etwa wenn man sich der Morgen- und der Abendsonne aussetzt. Das Solarium ist definitiv nicht der richtige Ort dafür", sagt Hautärztin Franz. "Eine ausgewogene Ernährung mit Obst und Gemüse, die freie Radikale bindet, trägt viel mehr zum Hautschutz bei."

Trotzdem: Immer wieder erzählen Gäste im Solarium davon, dass sie sich vorbräunen. Auch Danuta, die Ende Jänner nach Thailand fliegt. Sie geht aber auch ohne ­nahende Fernreisen regelmäßig ins Sonnenstudio. "Es tut meiner Haut gut, trocknet kleine Unreinheiten aus", schwärmt sie. "Vor allem aber hebt es meine Laune." Da ist etwas dran. Sonnenlicht, natürlich oder künstlich, kurbelt die Produktion von Glückshormonen an. "Aber das tun auch eine kleine Einheit Sport oder ein Spaziergang", klärt Barbara Franz auf. Also – raus in die Sonne! (Manfred Gram, 29.1.2024)