Fabio Wibmer Trial Streif Kitzbühel Youtube Instagram
Fabio Wibmer raste mit seinem Rad in Kitzbühel nicht einfach nur die Streif hinunter, er hob dabei auch öfter mal halsbrecherisch auf spektakuläre Art ab.
Red Bull Content Pool / Philip P

Fabio Wibmer macht verrückte Dinge. Der Osttiroler Trialfahrer springt mit seinem Rad von Dächern, tollt wie ein Parkourspezialist auf Hindernissen herum, beeindruckt auch mit Tricks im Wohnzimmer. Der 28-Jährige ist ein Akrobat auf zwei Rädern, der auch kopfüber nicht die Orientierung verliert und wieder sicher landet – zumindest in vielen Fällen. Auf Youtube hat der Osttiroler 7,78 Millionen Abonnenten, auf Instagram 2,5 Millionen Follower. Sein Webvideo Wibmer’s Law etwa wurde 259 Millionen Mal angeklickt. Davon lässt sich leben, gut leben. Zuletzt hat er sich auf die Streif in Kitzbühel gewagt.

STANDARD: Wie meistert man einen Sprung, der beim ersten Versuch klappen sollte, um verheerende Folgen zu vermeiden?

Wibmer: Bei Sprüngen, bei denen man richtig lang in der Luft ist, muss schon beim ersten Mal einfach alles passen, da hat man keinen zweiten Versuch. Deswegen mache ich Berechnungen, damit ich einen Anhaltspunkt habe. Ich muss die Geschwindigkeit richtig einschätzen, damit ich sicher über den Punkt komme, über den ich kommen muss, und nicht schon davor aufschlage. In der Praxis schaut es aber immer anders aus. Man muss das Theoretische mit dem eigenen Gefühl mischen.

Fabio Wibmer - THE STREIF
Fabio Wibmer

STANDARD: Können Sie ausschließen, dass die Adrenalinausschüttung kontraproduktiven Stress im Kopf erzeugt?

Wibmer: Wenn man damit aufwächst, dann lernt man, damit umzugehen. Was es für mich und wohl auch andere Extremsportler ausmacht, ist, dass man Respekt vor etwas hat, an dem man eigentlich lange gearbeitet hat, und weiß, dass man es machen kann. Das Gefühl danach, wenn man so etwas schafft, treibt einen stark an. Damit kann man die Angst ausblenden. Es ist auch eine Neugier dabei, ob alles nach Plan läuft, wie man es sich vorstellt. Da kommen dann viele Emotionen zusammen. Das heißt aber nicht, dass man komplett hirnrissig und leichtsinnig alles probiert, sondern sich eigentlich 100-prozentig sicher ist, dass es funktioniert.

STANDARD: Sind Verletzungen ein fixer Bestandteil Ihres Jobs?

Wibmer: Ja, klar, das gehört dazu. Vom Schlüsselbeinbruch über Bänderrisse bis hin zum Knöchelbruch habe ich schon alles durch. Sehr häufig passieren Verletzungen aber nicht bei den großen Sprüngen, wo man richtig gut fokussiert ist, sondern zum Beispiel beim Motocrossfahren, wo ich davor 30-mal den gleichen Sprung geschafft habe, oder beim normalen Mountainbiken im Wald, wo ich gegen einen Baum gesprungen bin und mir ein Bein und die Schulter gebrochen habe.

STANDARD: Ist es schwierig, eine Unfallversicherung zu bekommen?

Wibmer: Einfach ist es nicht, aber ich bin schon lang bei meiner Versicherung, und das funktioniert. Bei Kollegen ist das schon noch einmal schwieriger. Und es ist nicht billig.

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Videos zu drehen und Projekte umzusetzen macht Wibmer größten Spaß: "Dafür lebe ich. Auch um die Grenzen auszuloten."
Red Bull Content Pool / Philip Platzer

STANDARD: Sie gelten als sehr ehrgeizig. Ist das eine Voraussetzung für das Gelingen Ihrer Projekte?

Wibmer: Auf jeden Fall. Denn selbst in der Vorbereitung geht nicht immer alles klar. Man braucht schon einen gewissen Ehrgeiz, damit man dranbleibt und an sich selbst glaubt, dass das alles hinhaut. Dass alles sofort funktioniert, ist nur selten der Fall. Beim Streif-Projekt habe ich mich davor auf jeden Sprung, auf jeden Trick vorbereitet. Der Backflip am Start hat einige Wochen Vorbereitung gebraucht, bis er funktioniert hat. Eine Herausforderung war, dass wir vor der Rennwoche nur fünf Tage zum Filmen hatten. Das ist wenig, wir mussten uns gut vorbereiten.

STANDARD: Welche war die herausforderndste Passage?

Wibmer: Rein sportlich der Mausefallensprung, rein vom Fahrerischen her war die Traverse am Hausberg richtig schwer, weil sie seitlich so hängt, dass man auch mit den Spikes an den Rädern nur mehr ganz wenig Grip hat. Da ist man wirklich am Limit.

STANDARD: Wie bereitet man sich für einen Sprung vom Dach des Starthauses vor?

Wibmer: Es ist ja quasi ein Backflip ohne Absprunganker. Schwierig macht, dass man keinen Impuls kriegt, sondern ihn selbst einleiten muss. Wir haben das getestet, indem ich in ein Schaumstoffwürfelbecken gesprungen bin. Da landet man 20 Mal am Kopf, dann kommt man bissl näher und denkt sich, das könnte hinhauen. Das war der erste Schritt, der zweite war, das mit einem Airbag zu üben. Wir haben auch den Sprung zum Trainieren in Osttirol eins zu eins nachgebaut.

STANDARD: Ist beim Dreh auch etwas schiefgegangen?

Wibmer: Ich bin einmal in die Netze geflogen, das war aber Teil des Plans. Beim Backflip vom Dach des Starthauses war es mir zu riskant, mit Spikes an den Rädern zu springen, weil die Reifen so viel schwerer werden und man dadurch die Rotation verlangsamt. Außerdem sind die Spikes wie Waffen, das kann schnell blöd enden. Mit normalen Reifen kann man aber nicht anhalten. Deshalb haben wir Netze aufgestellt. Das hat erstaunlich gut funktioniert, war aber nicht der angenehmste Aufprall.

STANDARD: Sie sind bei der Steilhangausfahrt recht lässig über die Plane auf dem Sicherheitsnetz gefahren. War es so einfach, wie es aussah?

Wibmer: Nein, überhaupt nicht, das war eine der schwierigeren Sachen. Dazu inspiriert hat mich Bode Miller. Ich habe mir das einfacher vorgestellt, aber das Netz ist richtig weich, und wenn man da drauffährt, dann gibt es richtig viel nach und man hat ganz wenig Widerstand. Das macht es so schwierig.

STANDARD: Wie viele Versuche kann es brauchen, bis Sie etwa mit dem Hinterrad Dartspfeile auf die Scheibe werfen können oder Basketbälle im Korb versenken?

Wibmer: Technische Sachen brauchen richtig viele Versuche, bis zu 700. Da hatten wir aber auch über ein Monat Drehzeit.

Home Office - Fabio Wibmer
Fabio Wibmer

STANDARD: Warum machen Sie kein Geheimnis daraus, dass Sie rund 300.000 Euro pro Monat verdienen?

Wibmer: Claudia Stöckl hat den Betrag beim Frühstück bei mir in den Raum geschmissen und gefragt, ob das stimmt. Ich habe natürlich nicht verneint, will aber nicht damit prahlen, wie viel es ist, es ist mir ein bisserl unangenehm. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich mit diesem Nischensport in eine solche Position komme. Ich lebe einen krassen Traum, stecke viel rein und gehe ein großes Risiko ein. Dass es sich finanziell auszahlt, freut mich auch, aber ich habe das nicht wegen des Geldes angefangen.

STANDARD: "Riding down the Dolomites" hat Ihnen wegen Hubschrauberflügen und deutlicher Spuren im Gelände auch Kritik eingebracht. Nachvollziehbar?

Wibmer: Bis zu einem gewissen Grad kann ich es nachvollziehen. Die Leute kennen ja auch den Hintergrund nicht. Es war im Rahmen eines Events, des Red-Bull-Dolomitenmann, wo den ganzen Tag Helikopter geflogen sind. Sie haben mich mit nach oben genommen und einen Run gefilmt. Der Heli wurde nicht extra wegen mir herbestellt. Ich verstehe es, wenn manche Leute so denken. Ich kann es aber nicht jedem recht machen. Ich mache Sachen, wo ich denke, dass ich sie vertreten kann, und die mir Spaß machen.

Wibmer's Law - Fabio Wibmer
Fabio Wibmer

STANDARD: War die Aufregung um "Israel Is My Playground" wegen des Konflikts mit Palästina gerechtfertigt?

Wibmer: Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich es nicht mehr machen, aber das war vor vier, fünf Jahren. Aus unserer Perspektive war der Konflikt damals nicht so schlimm. Der Punkt war für mich, dass ich immer nach neuen Locations auf der Welt suche, die sich zum Radfahren eignen, wo aber noch nie wer so richtig war. Das Land an sich ist so wunderschön, ich war selten an einem Ort, der so viel coole Kulisse bieten kann. Mir geht es um das Radfahren, und nicht um Politik. Es soll Leute verbinden, das ist meine Message. Ich will Leute zum Radfahren inspirieren und den Sport größer machen.

STANDARD: Wie hat es begonnen?

Wibmer: Ich habe mit sechs mit meinem Bruder zum Motocrossfahren angefangen, das hat uns richtig getaugt. Das Radfahren war ein Ausgleich dazu. Ich komme aus dem Dorf Oberpeischlach, da kann man nichts machen, nicht mal Fußball spielen, weil es am Hang liegt. Dort gibt es aber vieles, das sich gut zum Radfahren eignet: Mauern und Wald, wo wir uns Sprünge gebaut haben. Mit 14 habe ich ein Video vom Schotten Danny MacAskill gesehen, das hat mich inspiriert. Ich war dann jeden Tag drei, vier Stunden auf dem Rad und habe mich dabei gefilmt und geschaut, dass ich besser werde.

STANDARD: Warum sind sie vom schönen Osttirol ins schöne Monaco übersiedelt?

Wibmer: Zum Einen wegen des Wetters. Im Winter, wenn ich mehr Zeit habe zum Trainieren, kann ich in Österreich kaum fahren. Zum Anderen kenne ich dort viele Leute, es gibt ein cooles Umfeld mit vielen Sportlern. Ich will auch den Steuervorteil nicht leugnen. Dazu kam noch: Als ich noch in Innsbruck lebte, haben oft viele Leute stundenlang vor der Tür gewartet, bis ich das Haus verlassen habe. Beim Essen wurde ich häufig beobachtet, oder hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Das hat ein krasses Ausmaß angenommen, sodass ich umziehen wollte. In Monaco ist man einer von vielen, kann privat ganz locker sein.

STANDARD: Sind Ihre Mutter und Ihre als Model arbeitende Freundin Martha Liversedge manchmal in Sorge um Sie?

Wibmer: Martha versteht das richtig gut, sie weiß, dass ich keinen Blödsinn mache, ist aber immer froh, wenn ich heil von einem Projekt zurück bin. Sie weiß, worauf sie sich eingelassen hat, geht cool damit um und unterstützt mich voll. Meiner Mutter erzähle ich nicht immer alles, was ich mache oder mir im Kopf vorschwebt. (Thomas Hirner, 28.1.2024)