Viele Arien des Bereuens und Verzeihens in der Salzburger Felsenreitschule: Titus in Gold (Edgardo Rocha) und Vitellia (Hanna-Elisabeth Müller).
Viele Arien des Bereuens und Verzeihens in der Salzburger Felsenreitschule: Titus in Gold (Edgardo Rocha) und Vitellia (Hanna-Elisabeth Müller).
Wolfgang Lienbacher

Ebenholzstock mit Silbergriff. Schwarzer Gehrock. Auftritt Jordi Savall als spanischer Grande. Gemessenen Schrittes. Jeder Zoll ein Maestro. Genau so lässt er dann auch drei Stunden lang Mozarts letzte Oper klingen: elegant, geruhsam, das Tempo gemessen wie der Schritt, interpretatorisch ein wenig aus der Zeit gefallen.

Tatsächlich schien Jordi Savall am Pult von Le Concert des Nations über lange Passagen hinweg den Vokalisten die Führung zu überlassen und nur in den dramatischeren Momenten in die Zügel zu greifen, um Tempo und Agogik ein wenig anzuziehen. In diesen Momenten wirkte dann auch der Sound des (zu?) klein besetzten Originalklangensembles nicht verloren im Riesenraum der Felsenreitschule. Die vielen Arien des Bereuens und Verzeihens hätten einer strengeren Hand bedurft. So fad ist die Reue nicht.

Mozarts La clemenza di Tito KV 621 also in einer halbszenischen Einrichtung von Rolando Villazón und Bettina Geyer bei der Mozartwoche. Eine "Nicht-Inszenierung" ist im Falle dieser Oper, geschrieben anlässlich der Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen, abgesehen von den eingesparten Kosten durchaus eine gute Idee.

Das Herrscherlob ist dick aufgetragen. Der "römische" Kaiser, der – statt Verräter an die Löwen zu überweisen – auch die andere Wange hinhält: Die Assoziationen zum verzeihenden Jesus sind im Libretto Caterino Mazzolàs dick unterstrichen. Das muss eine Regie radikal unterlaufen oder so stehen lassen.

Rotflackerndes Rom

Händeringen und Rampensingen sind bei der Nichtregie in Kauf zu nehmen. Die Arkaden der Felsenreitschule liefern ein fertiges Bühnenbild. Für das brennende Rom reicht rotflackernde Beleuchtung. Dank Mozarts Musik hält man ohnehin denn Atem an. Ein goldenes Sakko für den Kaiser, ein paar Goldaccessoires für die anderen sind genug Ausstattung. Den Damen in ihren Hosenrollen hätte man besser geschnittene Anzüge gewünscht.

Edgardo Rocha ist ein sehr junger Titus von klangvoller, wenn auch noch ein wenig steif geführter Stimme. Hanna-Elisabeth Müller als Vitellia brilliert, ohne Schärfe in der Stimme, mit virtuosen Koloraturen. Sie gibt der intriganten, erst auf den letzten Metern bereuenden Prinzessin Profil und Charakter. Christina Gansch betört mit samtweich-geschmeidiger Stimme als Servilia. Diese wagt es, den Heiratsbefehl des Kaisers zu verweigern, und erringt dafür dessen Dankbarkeit: Wenn es mehr Menschen wagten, ihm "mit der Wahrheit zu missfallen", wäre besser herrschen, so Titus. In der Hosenrolle des Annio beschert Marianne Beate Kielland weitere Sopran-Highlights. Für das tiefe Stimmregister steht souverän Salvo Vitale als Publio.

Mozarts Tito könnte genauso gut Sesto heißen: In der zentralen Rolle des von der intriganten Vitellia zum Kaisermord angestifteten Getreuen brilliert Magdalena Kožená. Sie gibt stimmlich wie darstellerisch ein überzeugendes Porträt. Der Kožená verdankt man den Höhepunkt des Abends mit Sestos Arie mit obligater Bassettklarinette, Parto parto ma tu ben mio. Da hätte man die berühmte Stecknadel fallen gehört.(Heidemarie Klabacher, 26.1.2024)