Der Wälzer The Silk Roads (deutsch Licht aus dem Osten) des britischen Historikers und Byzantinisten Peter Frankopan aus dem Jahr 2017 schaffte es nicht umsonst weltweit auf die Bestsellerlisten. Frankopan liefert eine Art Wirtschafts- und Sozialgeschichte von Europa und Asien von den Anfängen bis zur Gegenwart – und zwar konsequent aus dem Blickwinkel jener Region, die als Seidenstraße bezeichnet wurde: von Westchina über Afghanistan und den Iran bis in die Türkei. Diese Perspektivverschiebung gelingt sehr gut; die Leserinnen und Leser beginnen die vielschichtigen Zusammenhänge zu verstehen, die sich durch Eurasien ziehen. Das Buch sei jeder und jedem Interessierten empfohlen.

Nun legt Frankopan ein Buch vor, das einem ähnlichen Konzept folgt: Zwischen Erde und Himmel (auf Englisch: The Earth Transformed). Diesmal soll nicht der Fokus auf eine bestimmte Region den Lesern neue Perspektiven öffnen, sondern auf ein Thema: das Klima.

Auf allmähliche Abkühlung folgt rasante Erhitzung: Klimawandelbedingtes Baumsterben in Deutschland
Auf allmähliche Abkühlung folgt rasante Erhitzung: Klimawandelbedingtes Baumsterben in Deutschland
IMAGO/Martin Wagner

Großer Einfluss

In einer großangelegten Menschheitsgeschichte mit Schwerpunkt Klima beschreibt der Brite den enormen Einfluss von Klima- und Umweltfaktoren auf die Entwicklungen von Gesellschaften. Dass beispielsweise die Römer in der Antike ein Staats- und Gesellschaftssystem hervorbringen konnte, dessen hoher Organisationsgrad erst von der Industrialisierung getoppt werden konnte, hängt stark mit der sogenannten Römischen Warmzeit zusammen (sie resultierte wahrscheinlich aus minimalen Veränderungen der Erdumlaufbahn). Die Folge des warmen Klimas war ein Reich, das lange florierte: Dessen Energieverbrauch (der hauptsächlich aus der Verbrennung von Holz kam) war so groß, dass sich bis heute Bleipartikel im Eis von Grönland finden, die davon zeugen.

Später wurde das Klima kälter und ungünstiger – was etwa die Ausbreitung von Seuchen begünstigte und insgesamt viel zu jener historischen Epoche beitrug, die heute als Spätantike und Frühmittelalter bezeichnet wird. In dieser war der allgemeine Organisationsgrad bekanntlich viel geringer als zur Zeit Roms.

Römische Warmzeit

Auch in China blühten ganze Landesteile auf oder verfielen – wegen klimatischer Faktoren. Sie ermöglichten beispielsweise, dass neue Reissorten gezüchtet werden konnten, die resistenter gegen Wetterschocks waren – was die Entwicklung und Versorgung von Großstädten ermöglichte.

Darüber hinaus verlässt Frankopan auch immer wieder Europa und Asien und beschreibt ähnliche Entwicklungen in Afrika und Amerika. All das kommt kurzweilig daher und ist mit vielen Anekdoten und Zitaten zeitgenössischer Quellen versehen.

Peter Frankopan,
Peter Frankopan, "Zwischen Erde und Himmel. Klima – eine Menschheitsgeschichte". € 46,50 / 1020 Seiten. Rowohlt, Berlin 2023
rowohlt Berlin Verlag

Gegen Ende des Buchs gelangt man allmählich in die Gegenwart – und die klimatische Entwicklung beschleunigt sich enorm, weil nunmehr infolge der Industrialisierung ein neuer Faktor zum Tragen kommt: die immer höhere Konzentration erderhitzender Treibhausgase in der Atmosphäre. Sie führt zu einer viel schnelleren und heftigeren Klimaveränderung, als es historisch jemals der Fall war, etwa gegen Ende Roms.

Fossile Energien

Bei mehr als 85 Prozent aller fossilen Brennstoffe, die je verbrannt wurden, geschah dies nach dem Zweiten Weltkrieg, liest man bei Frankopan. Mehr als die Hälfte war es "seit der letzten Episode der Serie Seinfeld 1998". Eine ganz langsame Tendenz zum kälteren Klima, die in den vergangenen Jahrhunderten beobachtbar war, hat sich umgekehrt – in eine extrem schnelle hin zum wärmeren.

Alles in allem: Wer einen großen und historisch unterfütterten Blick auf die Klimadebatte sucht, für den ist dieses Buch genau richtig. (Joseph Gepp, 26.1.2024)