Der Markt wächst weiterhin, Fehlschläge werden allerdings schneller mit Studioschließungen bestraft, als das früher der Fall war.
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1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat allein Microsoft vergangene Woche vor die Türe gesetzt. Betroffen war ausschließlich die hauseigene Games-Sparte. Fast jeder Zehnte in diesem Bereich musste seine Sachen packen und das oftmals sehr spontan, wie viele verblüffte Tweets von Ex-Mitarbeitern auf X verrieten.

Das US-Unternehmen ist mit seiner Kündigungswelle nicht alleine. Was 2023 begonnen hat, wird offenbar in diesem Jahr konsequent weitergeführt: Entlassungswellen und Studioschließungen in einem beunruhigend regelmäßigem Rhythmus. Parallel dazu die Erfolgsmeldungen, Rekordumsätze - was aber kein Widerspruch ist, wenn man genauer hinsieht.

Aktien steigen, Jobaussichten fallen

Man müsse "Überschneidungsbereiche" reduzieren, ließ Microsoft Gaming CEO Phil Spencer am Freitag wissen. 1.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden kurz davor darüber informiert, dass sie künftig keine Rolle mehr bei einem der Microsoft eigenen Studios spielen werden. Nur wenige Wochen nach der größten Akquisition der Games-Branche, der Kauf von Activision-Blizzard um 69 Milliarden Dollar, scheint man bei Microsoft darum bemüht, Doppelbelegungen im Haus möglichst rasch zu entfernen.

Praktisch zeitgleich wird bekannt, dass Microsoft als erst zweites Unternehmen nach Apple beim Marktwert die Marke von drei Billionen Dollar (2.751 Mrd. Euro) geknackt hat. Der Fakt wird auf Social Media natürlich aufgegriffen, obwohl das wirtschaftlich gesehen natürlich erklärbar ist. Weniger Mitarbeiter heißt geringere Kosten und höhere Rentabilität. Effizientere und profitablere Firmen sind erfahrungsgemäß beliebter bei Anlegern.

Zudem hat die Xbox-Sparte mit Sicherheit nicht den größten Anteil am erneut stark gestiegenen Marktwert von Microsoft. Es war wohl vor allem der Hype um ChatGPT und KI, den Microsoft dankbar mitgenommen hat. Von November 2022 bis heute stieg die Aktie um 67 Prozent. Generell sind in den letzten Monaten vor allem die großen Tech-Firmen an der Börse als Gewinner dagestanden. Im letzten Jahr stieg Amazon um 58 Prozent, Apple um knapp 35 Prozent und Alphabet um 56 Prozent.

In diesem wirtschaftlich primär erfolgreichen Jahr, haben auch Amazon (18.000), Alphabet (12.000), Meta (11.000) oder eben Microsoft (10.000) tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gekündigt. Schon damals hieß es, man habe während Corona zu viele Menschen angeheuert beziehungsweise schließe konsequent wirtschaftlich wenig sinnvolle Bereiche. Auch in der Games-Branche haben laut Schätzungen um die 10.000 Menschen im Vorjahr ihren Job verloren. 2024 sind wir nach vier Wochen bereits bei über 5.600.

Xbox Chef Phil Spencer musste im Vorjahr oftmals vor Gericht aussagen. Die zunehmende Monopolisierung der Branche mobilisierte Behörden und Mitbewerb.
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Horror-Jahr

Warum es gerade die Games-Branche aktuell so schwer trifft hat wohl mehrere Gründe. Zum einen ist es ein offenes Geheimnis, dass während Corona Goldgräberstimmung geherrscht hat. Mehr Menschen als sonst waren zuhause und entdeckten zum Teil das Hobby neu für sich. Egal ob Hard- oder Software, die Branche freute sich über Rekordzuwächse und Verkaufszahlen. Offenbar ist mit dem Erfolg auch die dazugehörige Erwartungshaltung mitgewachsen, die sich nach Ende der diversen Lockdowns der Realität stellen musste.

Waren diverse Chip-Lieferengpässe während der Pandemie das Hauptproblem, bremst die Inflation aktuell die Kauflaune des potenziellen Publikums. Außerdem wurden über die letzten Monate Kredite teurer und die allgemeine Aufbruchsstimmung chinesischer und saudischer Firmen, blind Geld auf die Branche zu werfen, wurde spürbar zurückhaltender.

Zuvor wild zusammengekaufte Studios, egal ob von Microsoft, Tencent oder der Embracer Group, entpuppten sich nicht sofort zum erhofften Hit-Lieferanten und wurden genauso schnell wieder geschlossen, wie kurz davor akquiriert. Vor allem die europäische Embracer Group, die mit THQ Nordic auch eine Wien-Niederlassung besitzt, befindet sich nach einer gescheiterten Finanzierung im Vorjahr in einer Neustrukturierung. Aktuelle Opfer beim Spieleriesen sind Piranha Bytes, die deutschen Entwickler hinter "Gothic", aber auch Black Forest Games, die zuletzt die "Destory all Humans!"-Remakes geschaffen haben.

Auch Riot-Games, die Macher der Erfolgsmarke "League of Legends", mussten über 500 Leute vor rund einer Woche gehen lassen. Der chinesische Eigentümer Tencent war offenbar vor allem mit dem geringen Erfolg der Spin-Off-Spiele nicht zufrieden, die versucht hatten, die Marke für ein breiteres Publikum interessant zu machen. Klassische Indie-Games wie "The Mageseeker" oder "Convirgence" waren durchaus gute Spiele, allerdings wurden sie viel zu teuer auf dem Markt angeboten. Laut Tencent werde man sich deshalb künftig wieder auf die starken Marken konzentrieren, also das Hauptspiel und "Teamfight Tactics".

The Mageseeker, Riot
Indie-Games wie "The Mageseeker" rechneten sich nicht für Riot, also entließ man die 500 Leute, die das Projekt in diesem Jahr nach vorne bringen sollten.
Riot

Angst geht um

Schon in den letzten Jahren klagten Entwickler, dass Spiele in der Produktion unglaublich teuer geworden sind. Hohe Auflösungen, lange Spielzeiten - vor allem der Blockbuster-Markt benötigte immer mehr Ressourcen. Damit ging auch die Risikobereitschaft zurück. Ein Flop und Studios mussten zusperren. Square Enix machte mit den Luminous Productions kurzen Prozess, die den kommerziellen Flop "Forspoken" produzierten. Nach dem "Gollum"-Debakel trennte sich der deutsche Publisher Daedalic von der hauseigenen Spieleentwicklung und musste 25 der 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehen lassen. "Es ist für uns von Bedeutung, dass der Übergang möglichst gut verläuft. Daher werden wir unsere ehemaligen Mitarbeiter bei der Suche nach neuen Möglichkeiten innerhalb unseres Netzwerks unterstützen," hieß es damals von der Daedalic-Geschäftsführung.

Nach Entlassungen klingen viele Durchhalteparolen ähnlich. "Mit Blick auf die Zukunft werden wir weiterhin in Bereiche investieren, die unser Geschäft wachsen lassen und unsere Strategie unterstützen, mehr Spiele für mehr Spieler auf der ganzen Welt bereitzustellen", sagte Xbox Chef Phil Spencer vergangen Woche.

Blick nach vorne

Ob es 2024 mit den Entlassungen und Schließungen so weiter gehen wird, wie das der Jänner drohend angekündigt hat, kann man jetzt noch nicht mit Sicherheit sagen. An den grundsätzlichen Strukturen und Problemen hat sich in der Branche in den letzten 12 bis 24 Monaten aber nichts geändert. Weiterhin giert die verwöhnte Spielerschaft nach eindrucksvollen Spieleerlebnissen, die im Idealfall auch technisch überzeugen.

Erfolgsmeldungen, wie jene vom Millionen-Seller "Palworld" oder auch dem Überraschungshit "Hogwarts" aus dem Vorjahr, das sich mittlerweile über 25 Millionen Mal verkauft hat, lassen wohl viele Studios hoffen, dass die grundsätzliche Bereitschaft der Kundschaft da ist, für Videospiele Geld auszugeben. Damit könnten sie schon recht haben, denn auch oder gerade in Krisenzeiten brauchen Menschen Ablenkung und Zerstreuung. Im Vergleich zu einem Kinobesuch oder einem gediegenen Abendessen sind Videospiele nämlich tatsächlich verhältnismäßig günstig.

Das Fehlen von Gewerkschaften in vielen Studios, speziell in den USA, wird die "Hire-and-Fire"-Mentalität aber wohl auch in diesem Jahr nicht bremsen können. Wie wirksam solch eine Entwicklung wäre, schreibt etwa der Branchenanalyst Daniel Ahmad vor wenigen Tagen auf X: "Keiner der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer war von der jüngsten Entlassungsrunde betroffen, und wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte es Verhandlungen über Abfindungspakete im Namen der Arbeitnehmer gegeben."

Hoffnungsschimmer, zumindest für heimische Entwickler ist, dass die Branche zumindest in Österreich am wachsen ist. Ein aktueller Bericht der Wiener Kreativwirtschaft lässt zumindest hoffen. 23.000 Beschäftigte zählt demnach der Sektor Software und Games. Laut Martin Heimhilcher, Obmann der Sparte Information und Consulting der WK Wien, stieg die Zahl der Beschäftigten zwischen 2020 und 2022 in dieser Sparte um 18 Prozent. Zahlen von 2023 hat man demnach noch nicht berücksichtigen können.

Martin Filipp, Vorsitzender des Entwickler-Verbandes PGDA und COO von Mipumi Games, zeigt sich dennoch optimistisch. "Es ist eine sichere und zukunftsweisende Branche." Die Verdienstmöglichkeiten seien hierzulande überdurchschnittlich gut und die enge Zusammenarbeit mit Ausbildungsstätten vorbildlich. In Österreich würden zudem noch immer 5.800 IT-Fachkräfte fehlen, sagt die WK Wien. Ein gewisser Restoptimismus bleibt also. (Alexander Amon, 28.1.2024)