Ulrike Maier verunglückte in der Abfahrt von Garmisch-Partenkirchen tödlich.

Ulrike "Ulli" Maier, geboren am 22. Oktober 1967 in Rauris in Salzburg, war zweifache Weltmeisterin im Super-G (1989, 1991), Vizeweltmeisterin im Riesenslalom (1991), Siegerin in fünf Weltcuprennen und 1989 Österreichs "Sportlerin des Jahres". Beim ersten WM-Titel war sie schwanger, den zweiten erlebte ihre Tochter Melanie im Zielraum mit.

Am 29.1.1994 stürzte Maier in der Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen mit mehr als 100 km/h. Sie prallte auf einen mit einem Strohballen abgedeckten Schneekeil, der den Pfosten für die Zeitmessanlage sichern sollte, erlitt einen Genickbruch. Die Klage ihres Lebensgefährten Hubert Schweighofer gegen die Fis endete mit einem Vergleich zugunsten eines Fonds für Melanie.

Alexandra Meissnitzer über das Vorbild Maier:

Alexandra Meissnitzer
Alexandra Meissnitzer erinnert sich an den Todesfall ihrer Teamkollegin Ulrike Maier: "Mich wundert, wie wir es geschafft haben, danach einfach weiterzumachen."
IMAGO/Rudolf Gigler

Es fällt mir nicht leicht, über dieses Thema zu reden. Ullis Unfall war ein traumatisches Erlebnis. Da war diese unglaubliche Traurigkeit, die heute noch schwer in Worte zu fassen ist. Trotzdem erinnere ich mich gerne an sie zurück. Wir brauchen starke Persönlichkeiten in unserer Gesellschaft, wir brauchen starke Frauen. Und die Ulli war so eine. Eine, zu der man aufgeschaut hat.

Ich war damals 20 Jahre alt. Wenn du als junge Athletin dazukommst, hast du viel Respekt vor den Leistungsträgerinnen. Und da war Ulli Maier natürlich eine ganz besondere Größe. Sie war das Zugpferd, zweifache Weltmeisterin. Im Grunde hat man gesagt, genauso will ich auch werden. Erfolgreich und mitten im Leben stehend.

Ich war mit einer hohen Nummer am Start. Wird ein Rennen unterbrochen, macht man sich keine großen Gedanken. Dann denkt man, jemand hat sich am Knie verletzt. Erst als ich im Ziel war, habe ich gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Ich kann mich an alles ganz genau erinnern. Wie das Hotel ausgesehen hat, wie die Trainer uns erklärt haben, was passiert ist. So etwas vergisst man nicht.

Ich habe nie verstanden, warum das Rennen nicht abgebrochen wurde. Man kannte das Ausmaß der Tragödie ja schnell. Dass man uns dann noch über die Strecke geschickt hat, war ein Fehler. So etwas macht man nicht. Irgendwo gibt es eine Grenze. Da müssen Sport und Geschäft zurückstecken. Da geht es um Dinge, die größer sind. Ich habe Ullis Sturz nie gesehen. Ich will ihn auch niemals sehen.

Ulli Maier
Ulli Maier aus Rauris war 1989 Österreichs "Sportlerin des Jahres".

Mich wundert, wie wir es geschafft haben, danach einfach weiterzumachen. Denn genau das haben wir getan. Man ist damals nicht psychologisch betreut worden. Man ist einfach nach Hause gefahren. Ich war mit Renate Götschl sehr eng befreundet. Wir haben viel geredet und versucht, mit der Situation klarzukommen. Dann ist man zum nächsten Rennen gefahren, und es ging weiter.

Bis zu einem gewissen Grad verdrängt man. Wir machen einen gefährlichen Sport. Wenn man darüber zu viel nachdenkt, kann man in der Abfahrt nichts erreichen. Auch nach so einem tragischen Ereignis gibt es nur zwei Optionen. Aufhören oder voll weitermachen. Ich habe nicht eine Sekunde daran gedacht, den Sport aufzugeben. Ich weiß nicht mehr, wie ich wieder die Freude für den Sport aufbringen konnte. Aber wenn man jung ist, denkt man anders.

"Ulli war ein Zugpferd, eine starke Frau." Alexandra Meissnitzer über Ulrike Maier.

Ich möchte den Veranstaltern nichts vorwerfen. Es war ein riesiges Unglück. Wenn ich mich zurückerinnere, wie wir früher in Chile oder Argentinien trainiert haben, da gab es gar keine Sicherheitsvorkehrungen. Für den Skisport war es eine komische Zeit. Gernot Reinstadler, Rudi Nierlich, Ulli Maier, Richard Kröll. Man hatte das Gefühl, dass Jahr für Jahr einer von uns gehen muss.

Was die Ulli ausgemacht hat? Sportlich war es ihre Technik. Sie ist viele Schwünge mit einem Stock unter dem Arm gefahren, hat immer versucht, die Abfahrtsposition einzunehmen. Das war ihr Fahrstil. Das war die Ulli. Ihr strahlendes Lächeln wird uns immer in Erinnerung bleiben. Ich habe das Bild vor mir, wie sie 1991 mit ihrer Tochter Melanie auf dem Arm im Zielraum bei der WM in Saalbach steht.

Viele Jahre später habe ich Melanie zufällig getroffen, da war sie schon eine junge Frau. Sie sprach mich an und fragte: "Weißt du noch, wer ich bin?" Ich sah ihr Gesicht und sagte: "Ja, klar."

Raimund Berger über die "Bergläuferin" Maier:

Ex-ÖSV-Cheftrainer Raimund Berger sprach noch kurz vor ihrem Start mit Ulli Maier.
privat

Ulli war offen, herzlich, ehrlich, sie hatte so viele positive Eigenschaften. Ich bin froh, dass ich sie als Trainer begleiten durfte. Sie war zielstrebig, aber nie verbissen, hat immer eine Lockerheit an den Tag gelegt. Und sie war sozial. Die vielen guten Fahrerinnen im Team, Gutensohn, Wachter, Maierhofer und andere, haben sich gegenseitig gepusht, aber auch akzeptiert.

Mir fallen viele Erfolge von Ulli ein, aber auch Hoppalas. Die gingen manchmal mit Erfolgen Hand in Hand. Das erste: Ich war ein junger Trainer, da haben wir im Sommer in Faak am See einen Slalom simuliert. Es ging mit Rollschuhen um Hütchen herum. Ulli, voll motiviert, ist gestürzt, hat sich die Hand gebrochen. Für mich war das fast schlimmer als für sie. Sie war kurz im Spital, hat einen Gips gekriegt, tags darauf hat sie schon wieder mittrainiert.

"Sie hatte das Zeug zur Gesamtweltcupsiegerin." Raimund Berger über Ulrike Maier.

Oder: Am Tag des WM-Super-G 1989 in Vail ist just vor dem Rennen der Lift zum Start kurz gestanden. Alle haben gewartet, nur Ulli wollte schon hinauf, sie hatte Startnummer 1. Sie ist einfach die paar Hundert Meter den Berg raufgelaufen. So war sie gleich gut aufgewärmt. Das war ihr erster WM-Titel.

Zwei Jahre später in Saalbach ist Ulli beim Einfahren gestürzt und hat sich den Besichtigungsski zusammengehaut. Der Servicemann musste einen Ersatzski bringen, wir haben bei der Talstation auf ihn gewartet. Aber das dauerte zu lange, Ulli hat die offizielle Besichtigung verpasst, sie durfte nicht mehr auf die Strecke. Da hat sie den Kurs einfach von der benachbarten Touristenpiste aus studiert, sie hat über die Absperrung drübergeschaut. Auch da wurde sie nicht nervös, im Gegenteil. Das war ihr zweiter WM-Titel. So cool ist sie gewesen.

Ulli hatte das Zeug zur Gesamtweltcupsiegerin. Ich würde sie von dem, was sie draufhatte, mit dem heutigen Marco Schwarz vergleichen. Und den Kreuzbandriss, den er jetzt hat, hatte sie auch, im März 1990. Fast niemand hat damit gerechnet, dass sie bei der WM 1991 wieder um den Sieg mitfahren kann. Aber das ist sich ausgegangen – und wie! Ulli war eine Kämpfernatur. Sie ist sehr kompakt Ski gefahren, sehr stabil. Es war noch nicht der echte Carvingschwung, aber das Gleiten auf der Kante hat sie toll beherrscht.

"Und dann war plötzlich alles still"

Ich war Cheftrainer bis 1992, danach Leiter der ÖSV-Abteilung für Forschung und Entwicklung. An diesem so tragischen Tag vor dreißig Jahren war ich mit einem Testteam in Garmisch. Knapp vor dem Start sind Ulli und ich noch in einer Hütte bei der Einfahrpiste gesessen und haben geplaudert. Später habe ich das Rennen am Funk mitverfolgt. "Ulli gestartet", das hab ich noch gehört. Und dann war plötzlich alles still. Was passiert ist, hab ich erst am Nachmittag erfahren. Ein enormer Schock, es war unendlich traurig. Natürlich war das ganze Team angeschlagen. Herwig Demschar hat wenig später als Cheftrainer aufgehört, Peter Schröcksnadel ist zu mir gekommen und hat gesagt: "Raimund, du musst wieder an die Front."

Das Unglück hat zu vielen Verbesserungen im Sicherheitsbereich geführt. Allein die blaue Farbe auf der Piste macht viel aus, dank ihr sind die Wellen besser zu sehen. Und die Trainer sind angehalten, sofort Bescheid zu geben, wenn sie eine Passage für zu gefährlich halten. Vor einem Rennen rutschen ja fünfzig Leute die Piste hinunter. Und hundert Augen sehen mehr als zwei oder vier. (Philip Bauer, Fritz Neumann, 29.1.2024)