Die Diskussion, wie mit den in Deutschland und Österreich immer vehementer auftretenden Rechtsextremen umgegangen werden soll, nimmt an Fahrt auf. Der "Correctiv"-Bericht über ein Treffen im deutschen Potsdam, wo der österreichische Ex-Identitären-Chef Martin Sellner vor AfD- und CSU-Mitarbeitern sowie potenziellen Geldgebern Pläne für Massendeportationen von Migranten und Staatsbürgern wälzte, lässt die Frage aufkommen: Welche Schritte sind gegen derlei Umtriebe möglich?

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Während auch in Deutschland – hier in Hamburg – die Demonstrationen gegen die AfD weitergehen, startet in Österreich eine Diskussion über den rechtlichen Umgang mit Rechtsextremen.
IMAGO/Achim Duwentäster

Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind in Deutschland und Österreich höchst unterschiedlich. In Deutschland können Parteien laut dem dortigen Grundgesetz durch das Bundesverfassungsgericht (Anm.: das Äquivalent zur österreichischen Verfassungsgerichtshof) verboten werden. Voraussetzung ist, dass die Partei "nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden". Auch muss die Partei entsprechend dieser Haltung politisch aktiv geworden sein.

Österreichische Verfassung in Sachen Parteien liberal

In Österreich gibt es kein Parteienverbot. Nationalsozialistische Wiederbetätigung und eine Reihe diesbezüglicher Vorbereitungs- und Umfelddelikte werden vielmehr auf Grundlage des 1947 eingeführten und mehrfach novellierten Verbotsgesetzes strafrechtlich verfolgt.

Der Verfassungs- und Verwaltungsrechtsexperte Peter Bußjäger sieht hier Diskussionsbedarf: "Die Frage ist, ob das Verbotsgesetz als Handhabe ausreicht. Ein Parteienverbot durch den Verfassungsgerichtshof sollte auch bei uns angedacht werden", sagt er im STANDARD-Gespräch. Die heimische Bundesverfassung stamme aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und sei, was Parteiengründungen und -aktivitäten angeht, entsprechend liberal. Anders das deutsche Grundgesetz, das nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus beschlossen wurde und in "in diesen Fragen sensibler" sei.

Keine Mehrheit für Änderung in Sicht

Der Verfassungsrechtsexperte Bernd-Christian Funk sieht das anders – "aus pragmatischen ebenso wie aus politischen Gründen". Der Verfassungsgerichtshof habe schon vor Jahrzehnten klar entschieden: "Ob eine Partei gegen das Verbotsgesetz verstößt, also sich wiederbetätigt, muss von Anlassfall zu Anlassfall beurteilt werden." Um ein Parteienverbotsverfahren einzuführen, bräuchte es daher eine Verfassungsänderung: "Eine diesbezügliche Mehrheit ist jedoch weit und breit nicht zu sehen."

Politisch wiederum, so Funk, habe man in Deutschland mit Parteienverboten "keine besonders guten Erfahrungen gemacht". Die Verfahren seien lang und komplex – und hätten vielfach ohne Ergebnis geendet.

Parteienverbote politisch umstritten

Konkret wurden in Deutschland nach 1945 bis dato zwei Parteien verboten: 1952 die nationalsozialistisch orientierte Sozialistischen Reichspartei (SRP), 1956 die stalinistische Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Zwei Verbotsverfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) scheiterten.

Nach den Potsdam-Aufdeckungen wird nun etwa aus der SPD ein AfD-Verbot gefordert. Auf Bundesebene ist die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens höchst unwahrscheinlich, auf Landesebene hingegen nicht ausgeschlossen: Die AfD-Landesverbände in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wurden von den Verfassungsschutzbehörden bereits als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Politisch wird eine solche Untersagungsperspektive kontroversiell diskutiert. Die AfD käme dadurch in eine Märtyrerposition, wird etwa moniert. (Irene Brickner, 30.1.2024)

Video: Zehntausende bei Demos gegen Rechtsextremismus in mehreren Städten
APA