Für einige Angestellte ist die erzwungene Rückkehr ins Büro nicht so einfach möglich (und das liegt nicht nur an der produktivitätssteigernden Fellnase).
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"Wir fragen oder verhandeln hier nicht, sondern informieren darüber, wie wir in Zukunft zusammenarbeiten." Mit diesen Worten stellte Bob Brisco, CEO der Webagentur Internet Brands, in deinem Video seinen Mitarbeitern die Rute ins Fenster. Zuvor hatte man erfolglos versucht, jene Mitarbeiter, die seit der Pandemie ausschließlich oder fast ausschließlich im Homeoffice arbeiten, zu einer Rückkehr ins Büro zu bewegen. Der oft kritisierte und von vielen als "bizarr" wahrgenommene Clip ist mittlerweile gänzlich von der Vimeo-Seite des Unternehmens verschwunden.

Nicht verschwunden ist aber die Diskussion rund um das Arbeiten von daheim. Denn Internet Brands ist beileibe nicht das einzige Unternehmen, das seine Belegschaft wieder zurück im Büro sehen will. Doch die Datenlage zum Thema lässt keinen pauschalen Schluss zu, dass Mitarbeiter vor Ort produktiver sind als daheim. Dazu gesellt sich nun eine weitere Untersuchung der Katz Graduate School of Business an der University of Pittsburgh. Auch darin kommen Return-to-Office-Programme (RTO) nicht gut weg.

Return-to-Office bringt finanziell nichts

Untersucht wurden Unternehmen im Top-500-Index von Standard & Poor's, die entsprechende "Rückholaktionen" in die Wege geleitet hatten. Diese wurden auf ihre Effektivität begutachtet, wobei auch die Quartalsergebnisse und Aktienkurse berücksichtigt wurden. Man nahm auch einen Vergleich mit Firmen vor, die keine Vorgaben für eine Rückkehr ins Büro erlassen haben. Insgesamt erfasste man Daten von 457 Unternehmen mit 4.455 Quartals-Beobachtungen zwischen Juni 2019 und Jänner 2023.

Vor der Löschung wurde das Video von Internet Brands von Reddit-Nutzern archiviert.

Dabei zeigte sich, dass RTO-Mandate keine Auswirkung auf den Geschäftserfolg hatten. Unternehmen, die vermehrt Mitarbeiter ins Office zurückholten, profitierten davon finanziell nicht. Dafür waren aber negative Effekte beobachtbar, wie Yuye Ding und Shuai Ma, Verfasserin bzw. Verfasser der Untersuchung in der Zusammenfassung anmerken. Die Einführung von Büropflicht werde vor allem von Managern genutzt, um wieder mehr Kontrolle über ihre Mitarbeiter zu haben und schlechte Firmenergebnisse auf Mitarbeiter im Homeoffice zu schieben. Die RTO-Vorgaben trügen zu einer deutlichen Verschlechterung der Jobzufriedenheit von Mitarbeitern bei.

Hinzu kommen, so berichtet die "Washington Post", Daten des US Bureau of Labor Statistics, die neueren "Rückholaktionen" keine relevante Auswirkung bescheinigen. Obwohl auch 2023 sehr viele, darunter auch einige größere Unternehmen RTO-Regeln aufgestellt haben, ist der Anteil der ausschließlich im Büro tätigen Mitarbeiter von Dezember 2022 auf Dezember 2023 von 81 auf 78 Prozent gesunken.

Ungeachtet dessen halten Führungskräfte üblicherweise an solchen Plänen fest. Einmal ausgerufen sei eine Rücknahme sehr unwahrscheinlich, denn dies würde dem Eingeständnis eines Fehlers gleichkommen, kommentiert Shuai Ma die Entwicklung.

Häufige Compliance-Probleme

Laut Prithwiraj Choudhury, der an der Harvard Business School die Auswirkungen von Telearbeit untersucht, kommt es häufig zu Compliance-Problemen. Finanzriese Goldman Sachs ordnete schon im Juni 2021 an, dass die Angestellten wieder an fünf Tagen die Woche ins Office fahren sollten. Erst kürzlich erinnerte man fernbleibende Mitarbeiter an diese Vorgabe, was dafür spricht, dass ein signifikanter Teil der Betroffenen diese bisher nicht ausreichend erfüllt. Ihre Vorgesetzten haben die Möglichkeit, mangelnde Compliance in ihren Leistungsberichten anzumerken, erklärt man in einer Stellungnahme gegenüber der "Washington Post".

Ein Büro mit Arbeitsplätzen, aber ohne Mitarbeitern. Generiert mit der Bilder-KI Midjourney.
Mit der Pandemie kam die Entvölkerung vieler Büros. Nun wollen viele Chefs die Mitarbeiter wieder zurückholen. Dieses Symbolbild wurde mit der Bilder-KI Midjourney generiert.
DER STANDARD/Pichler/Midjourney

Beim Telekom-Konzern AT&T scheint es infolge des Bürocomebacks überhaupt zu kriseln. Heuer begann man damit, die Unternehmensstandorte landesweit auf neun Büros zu konsolidieren. Im Juli ordnete man mehr als 60.000 Führungskräften den Umstieg vom Homeoffice auf ein hybrides Modell an. Laut Mitarbeitern, die sich gegenüber der Zeitung anonym äußerten, wurden auch Mitarbeiter, die schon vor der Pandemie remote gearbeitet hatten, und solche, die als Remote-Arbeiter angestellt wurden, ersucht, nun auch im Büro zu erscheinen.

Viel Unzufriedenheit bei AT&T

Das sorgt allerdings für eine Reihe von Schwierigkeiten und Unzufriedenheit. Ein Mitarbeiter berichtet etwa, dass sein Bürostandort oft überbelegt ist und er nach einer einstündigen Anreise auch schon aufgrund ausgelasteter Arbeitsplätze gebeten wurde, wieder heimzufahren. Manche Angestellte haben den Eindruck, dass AT&T auf diese Weise versuche, Leute aus dem Unternehmen zu drängen, um sich Abfertigungszahlungen zu ersparen – was sich entsprechend auf die Motivation niederschlägt. Einige Mitarbeiter würden nur noch darauf warten, aufgrund mangelnder Compliance gekündigt zu werden. Andere, darunter auch Top-Angestellte, hätten bereits gekündigt, da sie nicht ihre Familien entwurzeln wollten, nur um den Vorgaben zu entsprechen.

Es gab zudem Beschwerden darüber, dass AT&T keine Unterstützung oder Boni für jene biete, die zur Erfüllung der Vorgaben den Wohnort wechseln müssen. Der Konzern meint dazu, dass ein solcher Support auf Basis "allgemeingültiger Kriterien" möglich sei. Wie aus einer Aussage von CTO Jeremy Legg bei einem internen Mitarbeitertreffen hervorgeht, wird dieser aber nur einem "kleinen Prozentsatz" der Mitarbeiter angeboten.

Google implementierte 2022 in den USA eine Anwesenheitspflicht von drei Tagen pro Woche, wobei man seit vergangenem Sommer die Compliance mittels Zutrittskarten auch strenger erfasst. Weitreichende Konsequenzen für Nichteinhaltung seien bisher aber ausgeblieben. Laut der Alphabet Workers Union, der auch Google-Angestellte beitreten können, liegt die Handhabe weitestgehend bei den Leitern der einzelnen Bereiche und Teams. Sollten Abweichungen bei der jährlichen Performanceanalyse im Februar aber als Problem auffallen, könne sich das schnell ändern.

Kulturwandel

Choudhury rät Unternehmen, dass sie ihre Vorgaben in Bezug auf Homeoffice-Möglichkeiten auf Teambasis erarbeiten sollten, statt universelle Regeln für ganze Geschäftsbereiche zu erlassen. Dabei solle man auch sicherstellen, dass Anwesenheitstage so geplant sind, dass mehr Zusammenarbeit begünstigt wird. Dafür, dass generell stärkere Office-Präsenz einen Produktivitätsvorteil bietet, sieht er bislang keinen Beweis.

Laut Stanford-Wirtschaftsforscher Nick Bloom, der mittlerweile einen großen Datenschatz zum Thema ausgewertet hat, ist "Return to Office" in den USA eigentlich schon seit einem Jahr tot. Hybrides Arbeiten bringt tendenziell Produktivitätsvorteile, während es bei reiner Remotearbeit stark auf das Management ankommt. Tech-Kolumnist Mike Elgan hat eine Reihe von Untersuchungen gesichtet und zieht daraus den Schluss, dass Produktivitätsdefizite bei Homeoffice-Arbeit selten mit dem Arbeitsort zu tun haben.

Viel mehr sieht er ein Problem mit Vorgesetzten, die sich dem Wandel der Arbeitswelt verweigern und dementsprechend nicht in der Lage sein, remote arbeitende Teams zu führen. Diese würden nun oft auch hinter den RTO-Mandaten stehen, um den präpandemischen Status quo und damit ihre Kontrolle und Arbeitsweise wiederherzustellen. Viele Unternehmen sollten an einem Kulturwandel arbeiten, denn für die Manager der Zukunft sei die Fähigkeit, Mitarbeiter fernab des Büros gut zu führen, ein nicht wegzudenkendes Qualifikationsmerkmal. (gpi, 29.1.2024)