Rosen gibt es noch, rote, orange. Die Orchideen sind hingegen alle. Und neue Lieferungen seien mehr vorgesehen, sagt Grossist Caméo. Etwas einsam steht er in dem riesigen Hangar, dort, wo er normalerweise Lasterladungen von Blumen verkauft. Viele seiner Großkunden sind an diesem Montag nicht gekommen. Denn der nationale Bauernverband FNSEA hat ankündigt, dass er den Pariser Frischmarkt Rungis blockieren werde, sobald seine Traktoren aus Südfrankreich eingetroffen sind.

"Und glauben Sie mir, was die sagen, ziehen sie auch durch", sagt der Engros-Händler, ohne ein glückliches Gesicht zu machen. "Wir sind natürlich alle für unsere Landwirte. Aber wenn schon, sollen sie sich doch den Élysée-Palast vorknöpfen, statt Rungis zu blockieren!"

Rungis, im Süden von Paris gelegen, früher ein eingemeindeter Vorort, ist heute der größte Frischmarkt der Welt. 1.200 Unternehmen, 13.000 Angestellte sind dort tätig. Kolonnen von Sattelschleppern aus ganz Europa liefern täglich 5.000 Tonnen Obst und Gemüse in die Hallen, dazu Blumen und 2.400 Tonnen Fleisch. Von Rungis aus werden zwölf Millionen Einwohner des Großraums Paris und 25.000 Restaurants beliefert.

Traktoren sind auf der Straße in Frankreich unterwegs.
Aus Nordfrankreich und aus dem Süden wälzen sich Hunderte von Traktoren Richtung Hauptstadt Paris.
AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAULT

Damit ist wohl bald Schluss. Die französischen Landwirte hatten am Montag damit begonnen, die Einfallachsen und Autobahnen um mehrere Städte wie Lyon oder Paris zu blockieren. Und Rungis.

Aus Nordfrankreich und aus dem Süden wälzen sich hunderte von Traktoren Richtung Hauptstadt. Ganze Autobahnabschnitte sind bereits geschlossen. Die Landwirte verlangen in etwa dasselbe wie ihre deutschen Berufskollegen vor zwei Wochen: tiefere Steuern und Abgaben, höhere Preise für ihre Produkte und weniger Ökonormen. "Sonst können sie in der EU und weltweit nicht mehr bestehen", sagt Blumenhändler Caméo voller Verständnis. "Aber müssen sie deshalb gleich Rungis trockenlegen?"

Am Tresen der Bar Mercato, wo die Händler ihren ersten Espresso um drei Uhr in der Früh hinunterstürzen, pausiert Saïd aus Mantes-la-Jolie, 60 Kilometer von Rungis entfernt. Der Pizzaiolo ist gekommen, um sich in dem flughafengroßen Marktgelände einzudecken. Wie lange der Markt einer Blockade standhalten würde, weiß er präzise: "Drei Tage", sagt er. "Dann geht Paris das Essen aus." Der Kellner mit dem scharf geschnittenen Backenbart nickt. "Meine Kunden hier in Rungis kriegen hier bald nichts mehr auf ihren Teller!"

Auf einem Traktor wird ein Banner festgezurrt.
Ohne Rungis hungert Paris – das ist ein gewisser Machtfaktor, den die Landwirte zu nutzen wissen.
AFP/CHRISTOPHE ARCHAMBAULT

Keine guten Aussichten. Doch die Regierung ist kaum mehr Herr der Lage. Der neue, erst 34-jährige Premierminister Gabriel Attal ist letzte Woche rasch eingeknickt: Die geplante Steuererhöhung auf Agrardiesel, welche die Proteste ausgelöst hatte, nahm er kurzerhand zurück. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz hat den deutschen Landwirten dagegen Mitte Januar nur eine Staffelung der Steuererhöhung auf drei Jahre zugestanden.

Video: Bauern wollen Paris "belagern".
AFP

Mehr Zugeständnisse

In Frankreich spüren die Landwirte, dass sie der politisch geschwächten Staatsführung von Emmanuel Macron noch mehr Zugeständnisse abringen können. Innenminister Gérald Darmanin hatte zudem erklärt, er werde die Landwirte "machen lassen". Das war zweifellos ein Fehler: Die Angesprochenen lassen sich nicht zweimal bitten und bedrohen nun auch Paris, seit den Zeiten der Monarchie das Symbol der im Land verhassten Zentralgewalt.

Der Markt von Rungis ist dagegen nicht so sehr ein Symbol als die Vorratskammer der Hauptstadt. Ohne Rungis hungert Paris. Darmanin ist sich dessen bewusst. Vor den zwei Hauptportalen hat er nun polizeiliche Panzerfahrzeuge auffahren lassen. Am Himmel patrouillieren ohne Unterlass Hubschrauber. Sie sollen die Taktik der anfahrenden Traktorarmee früh erkennen. (Stefan Brändle aus Rungis, 29.1.2024)