Nicht öfter, aber oft ging es statt auf Skiern per Helikopter zu Tal.
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Der alpine Skiweltcup hinkt nach einem äußerst verlustreichen Jänner schwer angeschlagen dem Saisonende entgegen. Noch steht ein starkes Drittel der Rennen aus, echte Spannung wird bis zum Grande Finale, der WM-Generalprobe vom 16. bis 23. März in Saalbach-Hinterglemm, aber nur noch punktuell aufkommen. Die Gesamtwertungen bei den Männern ist nach dem Kreuzbandriss von Marco Schwarz, der den Kärntner allerdings schon vor Jahreswechsel in der Abfahrt von Bormio aus dem Rennen riss, und der schweren Wadenverletzung des Norwegers Aleksander Aamodt Kilde (zweite Abfahrt in Wengen) so gut wie entschieden. Marco Odermatt hat bereits neun Saisonsiege gefeiert und satte 722 Zähler Vorsprung auf seinen französischen Verfolger Cyprien Sarrazin. Selbst wenn der Schweizer gar nicht mehr punktet, ist ihm die dritte große Kristallkugel infolge nur noch theoretisch zu nehmen.

Enger ist das Rennen bei den Frauen, obwohl nach dem Kreuzbandriss von Petra Vlhova (Riesentorlauf in Jasna) Mikaela Shiffrin leichtes Spiel zu haben schien. Doch dann kam das strahlend schöne Wochenende von Cortina d'Ampezzo, kam der schwere Sturz der US-Amerikanerin in der ersten Abfahrt auf der heuer besonders giftigen Olimpia delle Tofane.

Shiffrin hatte Glück im Unglück und soll nur rund zwei Wochen wegen einer Innenbandüberdehnung ausfallen. Im Interesse ihrer sechsten großen Kristallkugel sollte sie aber flott wieder konkurrenzfähig zurückkehren, denn Lara Gut-Behrami rückte ihr am Dienstag mit einem Sieg im Riesentorlauf auf dem Kronplatz bis auf 95 Punkte auf den Pelz.

Guts Gründe

Die Schweizerin ist gewiss gegen ihren Willen eine Nutznießerin einer Verletzungsserie, die zuletzt just Swiss Ski besonders schwer getroffen hat – Abfahrtsolympiasiegerin Corinne Suter (erste Abfahrt Cortina), Joana Hählen (zweite Abfahrt Cortina), Marco Kohler (erste Abfahrt Wengen) und Remi Cuche (Abfahrtstraining Kitzbühel) erlitten Kreuzbandrisse. Ihre Landsfrauen kann Gut-Behrami nicht gemeint haben, wenn sie als Gründe für die horrible Verletzungsserie im Skiweltcup zu viel Ablenkungen durch Öffentlichkeitsarbeit bis kurz vor dem Start der Rennen oder die bedingungslose und daher äußerst risikoreiche Suche nach der schnellsten Linie auf der jeweiligen Strecke nennt. "Der Sport wird so weit gepusht, dass es keinen Raum mehr für Fehler gibt. Jeder kümmert sich um die kleinsten Details, sodass das große Bild vergessen wird."

Sutter und Hählen zogen sich ihre Verletzungen wie schon Schwarz zu, ohne zu Sturz gekommen zu sein. Diese Fälle zeugen eher einmal mehr für den Grenzgang des Skiweltcups punkto Material und Strecke. Auch gut trainierte Körper geben zuweilen nicht her, was Skitaillierung, Kantenschliff und das Gelände fordern.

Über die Anforderungen, die das dichte Rennprogramm an Läuferinnen und Läufer stellt, wurde nach den Stürzen von Alexis Pinturault und Kilde in Wengen ausführlich diskutiert. Beider Missgeschicke haben dafür eigentlich wenig Grund geliefert, denn Kilde war nach einer Erkältung körperlich nicht auf der Höhe und der Franzose war erst kurzfristig in die Schweiz gereist, nachdem er sechs Tage davor bei der Geburt seines ersten Kindes anwesend gewesen war.

Dementsprechend unterschiedlich urteilten auch die Kollegen. Während Sarrazin den dichten Terminkalender "nicht mehr normal" nannte und Odermatt seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, dass die Vorkommnisse "eine Lehre für alle" seien, "dass nicht immer mehr besser ist", wollte Österreichs bisher letzter Abfahrtsweltmeister Vincent Kriechmayr "jetzt nicht sagen, dass zu hohe Belastungen sind. Wir sind froh, dass wir Rennen haben."

Das gilt umso mehr, als am kommenden Wochenende die beiden für Chamonix geplanten Abfahrten wegen Schneemangels nicht stattfinden können und ohne Ersatzrennen in dieser Saison nur noch zwei Abfahrten – in Kvitfjell und Saalbach – stattfinden würden.

Praxismangel

Die Schwierigkeiten, Pisten für Speedrennen herzurichten, schlagen sich nach Ansicht vieler Expertinnen schließlich auch in den Verletztenlisten nieder. Es fehlt schlicht an Praxis. Augenscheinlich wurde das zuletzt durch die Schwierigkeiten, die Fahrerinnen und Fahrer speziell bei Sprüngen haben.

Die Trainingsmöglichkeiten sind eingeschränkt, nicht nur durch die Erfordernisse des Publikumsskilaufs wie in Saalbach-Hinterglemm. Im Skigebiet Innerkrems in Kärnten, das dem österreichischen Skiverband in der Vergangenheit ideale Bedingungen bot, stehen wegen Rechtsstreitigkeiten seit Jahren die Lifte still. (Sigi Lützow, 30.1.2024)