Ein Kran hebt eine Last.
Eine Baustelle in Recklinghausen, Nordrhein-Westfalen.
IMAGO/Rüdiger Wölk

München – Die deutsche Wirtschaft rutscht dem Ifo-Institut zufolge im laufenden Winterquartal in eine Rezession ab. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde von Jänner bis März voraussichtlich um 0,2 Prozent im Vergleich zum vorangegangenen Vierteljahr zurückgehen, wie die Wirtschaftsforscher am Dienstag schätzten. Ende 2023 war Europas größte Volkswirtschaft nach ersten groben Schätzungen des Statistischen Bundesamts bereits um 0,3 Prozent geschrumpft. "Damit würde die deutsche Wirtschaft in der Rezession stecken", sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser.

Sinkende Nachfrage und restriktive Geldpolitik

In nahezu allen Wirtschaftsbereichen klagten die Unternehmen über eine sinkende Nachfrage. "In der Industrie und der Bauwirtschaft sind mittlerweile die dicken Auftragspolster abgeschmolzen, die die Unternehmen noch zu Corona-Zeiten aufgebaut hatten", ergänzte der Ökonom. "Die Auftragseingänge sind seit vielen Monaten rückläufig, und vor allem im Wohnungsbau schwappte eine Stornierungswelle durch das Land."

Hinzu komme noch eine restriktive Geldpolitik. Im Kampf gegen die Inflation haben die Notenbanken in Europa und Nordamerika ihre Leitzinsen kräftig angehoben, was derzeit die volle Wirkung entfalte. Die Finanzierung von Investitionen wird dadurch deutlich teurer.

Hohe Krankenstände und Streiks

"Zusätzlich wird die Wirtschaft durch eine Reihe von Sonderfaktoren belastet", sagte Wollmershäuser. Dazu zählten der hohe Krankenstand, die Streiks bei der Deutschen Bahn sowie der außergewöhnlich kalte und schneereiche Jänner. "Aber erste Lichtblicke gibt es beim privaten Konsum", fügte der Experte hinzu.

Die bis Mitte Jänner vorliegenden Daten (Kreditkarten, Debitkarten, Bargeld) des Anbieters Mastercard zeigten bereits seit der Adventzeit eine Zunahme der preisbereinigten Umsätze in Einzelhandel und Gastgewerbe an. Der private Konsum könne daher im ersten Quartal 2024 zulegen. "Hier dürfte sich das Wiedererstarken der Kaufkraft bemerkbar machen, da mittlerweile die Einkommen der privaten Haushalte stärker steigen als die Preise", sagte Wollmershäuser.

Wirtschaft wächst in Spanien und stagniert in Frankreich

Zum Abschluss noch ein Blick in andere Länder: Spaniens Wirtschaft ist vor der Jahreswende weit stärker gewachsen als erwartet. Das BIP stieg zwischen Oktober und Dezember um 0,6 Prozent zum Vorquartal, wie das Nationale Statistikamt am Dienstag mitteilte. Befragte Experten hatten nur mit einem Zuwachs von 0,2 Prozent gerechnet.

Die französische Wirtschaft ist am Ende des vergangenen Jahres nicht gewachsen. Im vierten Quartal von Oktober bis Dezember stagnierte das BIP gegenüber dem dritten Quartal, wie das Statistikamt Insee mitteilte. Bereits im dritten Vierteljahr hatte sich das BIP nicht verändert.

Die italienische Wirtschaft ist Ende des vergangenen Jahres weiter gewachsen. Im vierten Quartal wuchs das BIP im Vergleich zum dritten Quartal um 0,2 Prozent, wie das Statistikamt Istat mitteilte. Analysten wurden von der Entwicklung positiv überrascht – sie hatten im Schnitt mit einer Stagnation gerechnet. (APA, red, 30.1.2024)