Am Thema Zwangsheirat scheiden sich die Geister. Und zwar nicht, weil es in Österreich nennenswerte Befürworterinnen und Befürworter solcher unter gesellschaftlichem und familiärem Druck erfolgten Eheschließungen – überwiegend auf Frauen und hier vielfach minderjährige Mädchen – gibt.

Doch die einen, etwa die Sozialarbeiterinnen der Beratungs-, Bildungs- und Kulturinitiative für Frauen Orient Express, kennen derlei Zwangsverhältnisse als Gefahr für junge Mädchen aus manchen Familien mit Einwanderungshintergrund – und arbeiten dagegen an. Während andere, etwa FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker, das Thema ausschließlich mit einer angeblichen "Masseneinwanderung aus kulturfremden Weltregionen und vor allem aus dem islamischen Raum" in Verbindung bringen.

Eheringe auf Holzplatte
In Österreich darf früh geheiratet werden. Versuche, das zu ändern, scheiterten bisher.
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Die Neos starten nun am Mittwoch einen weiteren Versuch, das Thema Zwangsheirat abseits von Ausländerfeindlichkeit politisch in den Griff zu bekommen. "Für uns geht es um die Kinderrechte. Die österreichische Gesetzeslage lässt es zu, dass Minderjährige eine Ehe eingehen oder in eine solche gezwungen werden", sagt Neos-Abgeordneter Yannick Shetty.

Präventionsarbeit soll abgesichert werden 

Im Nationalrat bringen Shetty und Abgeordnete Stephanie Krisper einen Entschließungsantrag ein; er liegt dem STANDARD vor. Die Forderungen: Abschaffung des Paragrafen 1 Absatz 2 im Ehegesetz, der eine Eheschließung auch unter 18 Jahren nicht ausschließt, sondern sie bereits ab 16 Jahren ermöglicht, wenn der künftige Ehegatte volljährig ist und die minderjährige Partnerin als "reif für die Ehe" angesehen wird. Detto die mehrjährige Ausfinanzierung von Präventionsarbeit gegen Zwangsehen, wie sie etwa der "Orient Express" leistet. Sowie eine bessere statistische Erhebung von Verdachtsfällen.

Tatsächlich liegt bei der Datenerfassung einiges im Argen. Zwar ist aus dem Justizministerium die Zahl von Anzeigen und Verurteilungen laut Paragraf 106a Strafgesetzbuch zu erfahren, der Zwangsheiraten seit 2016 unabhängig vom Alter der Betroffenen mit sechs Monaten bis fünf Jahren Haft straft. Seit Einführung der Regelung gab es genau 61 Anzeigen und sieben Verurteilungen.

Zu wenige Daten in den Ministerien

Über mögliche Risikofälle hingegen gibt es keinen statistischen Aufschluss. In Vorbereitung des Entschließungsantrags fragten Shetty und Krisper im Außen- und Innenministerium an, die mit Anträgen auf Familienzusammenführung sowie mit deren Abwicklung beschäftigt sind. Sie wollten wissen, mit wie vielen dieser Anträge Ehepartnerinnen oder Ehepartner nachgeholt werden sollen, aus welchen Ländern es derlei Anträge gebe, wie viele davon bewilligt und wie viele abgelehnt wurden – und warum. Das erhebe man nicht, antwortete Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).

Die Abschaffung der 16-Jahre-Sonderregelung beim Ehemindestalter wiederum wird nicht zum ersten Mal gefordert. Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) etwa haben darüber bereits 2020 verhandelt – ohne Ergebnis. Bei "Orient Express" würde die geschäftsführende Vorstandsfrau Najwa Duzdar ein allgemeines Mindestalter von 18 Jahren befürworten. Dazu brauche es aber Begleitmaßnahmen, etwa Einzelfallprüfungen. (Irene Brickner, 31.1.2024)