Das Parlamentsgebäude der Republik Österreich an der Wiener Ringstraße
Österreich ist zwar kein Nato-Mitglied, aber Sitz internationaler Organisationen wie Uno und Opec. Das könnte die Republik zum durchaus attraktiven Ziel von Desinformationskampagnen machen.
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Eigentlich war es nur ein Nebensatz, den Generalmajor Peter Vorhofer am Montag bei der Präsentation des Risikobilds 2024 des Bundesheers fallen ließ. Aber er wirft einigermaßen brisante Fragen für die bevorstehenden Wahlkämpfe in Österreich auf. Heuer stehen mit Vorarlberg und der Steiermark nicht nur zwei Landtagswahlen an, sondern mit der Nationalratswahl und der EU-Wahl auch zwei politische Entscheidungen mit internationaler Bedeutung.

Desinformationskampagnen, sagte Vorhofer mit Blick auf Russland, seien "zur militärischen Zielerreichung heute leider sehr lohnend" und "ein exzellentes Mittel, um Demokratien zu unterminieren". Und: "2024 ist ein Superwahljahr. Es wäre äußerst ungewöhnlich, wenn diese Strategie nicht zum Tragen kommen würde."

Kampagnen oft zu spät entdeckt

Wie Russland versucht, Einfluss auf politische Entscheidungen in westlichen Demokratien auszuüben, zeigten etwa die vergangenen US-Wahlen, in denen Moskau Cyberattacken ritt, Wahlkampfteams hacken und Troll-Armeen in sozialen Medien aufmarschieren ließ. Das Ziel: Debatten und das gesellschaftliche Meinungsklima mitsteuern und Wahlkämpfe im Sinne eigener nationaler Interessen beeinflussen. Auch andere autoritär regierte Staaten wie China oder der Iran greifen gerne zu Methoden dieser Art. Aber müssen derartige Attacken tatsächlich auch in der beschaulichen Alpenrepublik erwartet werden?

"Ein Problem ist, dass gezielte Informationsoperationen oft erst erkannt werden, wenn es schon zu spät ist", sagt Vorhofer, Leiter der Direktion für Verteidigungspolitik und internationale Beziehungen und einer der zentralen Köpfe hinter dem Risikobild des Verteidigungsministeriums, im STANDARD-Gespräch. "Denn es ist ein Bereich, in dem langfristig gearbeitet wird, um nachhaltig zu beeinflussen."

Tausende Fake-Postings in Österreich

Anders gesagt: Ob hinter einem Account auf X, vormals Twitter, ein echter Mensch steckt oder ein ausländischer Chatbot, ist für Fachleute relativ einfach zu erkennen – für Nachrichtendienste, auch jene des Bundesheers, natürlich erst recht. Zuletzt war etwa eine große russische Fake-News-Kampage gegen Deutschland auf X aufgeflogen. Ob eine Reihe von Online-Trollen aber eine großangelegte Desinformations- oder Destabilisierungskampagne einer internationalen Großmacht ist, lässt sich schon deutlich schwerer mit Sicherheit sagen.

Fest steht dagegen: In jedem Monat erscheinen in Österreich mehrere Tausend Postings, hinter denen ein Chatbot steckt, wie Vorhofer bestätigt. Angesprochen würden in der Regel zwei Ebenen: einerseits die Emotionen, andererseits die Überzeugungen von Menschen. Die Republik sei vor gezielten Attacken zur Polarisierung und Destabilisierung jedenfalls keineswegs gefeit. "Wir können das für Österreich de facto nicht ausschließen."

Wien als Spionage-Drehscheibe

Zwar ist Österreich weder Nato-Mitglied noch ein besonders gewichtiger Player in der EU-Außenpolitik. Allerdings ist Wien bekanntlich Standort zahlreicher internationaler Organisationen von Uno und Opec abwärts, was spätestens seit dem Kalten Krieg – und bis heute – stets für rege Spionagetätigkeit internationaler Dienste an der Donau gesorgt hat. Dass da auch gezielte Desinformationskampagnen mit Wirkung auf österreichischem Boden attraktiv sein können, darf durchaus vermutet werden.

Grundsätzlich gebe es "zwei Gesichter der Desinformation", sagt Vorhofer. "Das eine ist wie eine Krankheit mit langer Inkubationszeit. Das andere wie ein schneller Faustschlag gegen die Schläfe. Kurz, gezielt und wirkungsvoll." Mit beiden Formen von Angriffen müsse jederzeit gerechnet werden. Das Ziel sei immer, eine alternative Wahrheit zu schaffen. "Und die beste Operation ist immer die, die nicht bemerkt wird."

Einhaken bei vorhandenen Konflikten

Effizient angegriffen werden kann grundsätzlich überall, wo ein Konflikt herrscht. Das kann politische, soziale, wie auch ökonomische Auseinandersetzungen betreffen. Eine langfristige Strategie kann zum Beispiel darin bestehen, Meinungsbildner und andere Multiplikatorinnen – vom Osteuropa-Fachmann bis zur Instagram-Influencerin – über Geldzuwendungen zu Russland-freundlichen Statements zu bewegen. Kurzfristige Strategien umfassen vor allem Einsätze in Social Media mittels "Social Bots", Phishing oder auch schnelle Hacks.

Und welche Themenbereiche könnten für Angreifer besonders lohnend sein? Das hänge stark von den jeweiligen "Schwachpunkten" einzelner Länder ab, sagt Vorhofer. Und von den grassierenden Konflikten. "Zu den Klassikern gehören die Konfliktzonen Arm gegen Reich oder die Einstellungen gegenüber Migration." Auch ein polarisierendes Thema wie Migration immer wieder auf die Agenda zu bringen, um etwa die Aufmerksamkeit von Regierungen darauf zu bündeln, könne eine denkbare Strategie sein. (Martin Tschiderer, 30.1.2024)