Schnurrende und Amore-lastige Lakenmusik: Usher hat ein neues Album veröffentlicht.
Schnurrende und Amore-lastige Lakenmusik: Usher hat ein neues Album veröffentlicht.
mega/gamma

Von dem verstorbenen Barry White hieß es, seine Musik sei der Soundtrack tausender Empfängnisse gewesen. Der verführerische Brummbär-Bariton, unterlegt von ebenso seduktivem Funk, wurde mit der Zuschreibung Bedroom-Soul bedacht. Eine schnurrende Anbahnungs- und Vollzugsmusik, die mit oft über acht Minuten dauernden Songs dafür Sorge trug, dass jeder auf der Matratze auf seine Kosten kam. Bereits die Titel waren Versprechen: I’ve Got So Much to Give oder I’m Gonna Love You Just a Little More Baby.

Usher steht gewissermaßen in direkter Erbfolge Whites. Der als Usher Raymond 1978 in Dallas, Texas, geborene R-'n'-B-Sänger gilt mit seiner Musik als ein ebenso begnadeter Lakenkaiser wie White. Anders als der am Ende bis zur Immobilität füllige White gilt Usher vielen als einer der Männer mit der meisten Sexyness. Zumindest wurde und wird er auf diversen Special-Interest-Plattformen oft als solcher gewürdigt – wehe, einer Dame würde das in der Intensität nachgesagt. Aber Usher kann mit dieser urargen Objektifizierung seines Bodys, seiner Person offenbar gut leben, es ist, wie bei vielen seiner Kolleginnen, ein wesentlicher Teil seines Geschäftsmodells.

USHER, Burna Boy - Coming Home (Visualizer)
UsherVEVO

Zurzeit steht Usher aus zweierlei Gründen im medialen Fokus. In der Nacht auf Montag wird er beim prestigeträchtigen und publikumswirksamen Super Bowl auftreten. Das ist das Finale der US-amerikanischen American-Football-Profiliga; und selbst wenn diese Sportart vornehmlich in den USA wahrgenommen wird, ist der Super Bowl mittlerweile ein globales Medienspektakel geworden.

Der zweite Grund für Ushers aktuelle Medienpräsenz geht daneben fast unter, aber er hat am Freitag noch schnell ein neues Album veröffentlicht. Es ist sein neuntes und heißt Coming Home. Ebenfalls ein Versprechen. Denn die Themensetzung Ushers ist wie immer dieselbe: Amore, wie der Texaner sagt.

Lumpi und Fels

Usher nimmt in seinen Liedern stets verschiedene Rollen ein. Einmal gibt er den sensiblen Freund, der ein verständnisvolles Ohr für alles hat, dann den verlässlichen Lebensgefährten, der wie ein Fels in Brandung einer Partnerschaft steht. Aber er kann auch den Lumpi, der keine Gelegenheit auslässt, den ausdauernden Lover – für alle und jeden ist etwas dabei.

USHER, Pheelz - Ruin (Official Music Video)
UsherVEVO

Übersetzt werden seine Heilsversprechen in einen Synthie-schweren R 'n' B, wie man ihn seit den 1980er-Jahren kennt, gepaart mit einem teilweise etwas vorschriftsmäßig klingenden, so züchtig wie sexuell aufgeladenen, 1970er-Soul. Elektronische Finessen und Autotune-Gewese weisen die Musik als zeitgenössisch aus, genauso wie die Auswahl der Gäste diesbezügliche Duftmarken setzt. Etwa der nigerianische Weltstar Burna Boy oder Jung Kook von der koreanischen Retortentanzband BTS. Die Hereinnahme von Rappern wie 21 Savage soll zeigen, Usher hat mit 45 Jahren immer noch die Nase im Wind – selbst wenn die Ergebnisse dann klingen, als würde Michael Jackson noch leben. Im Song A-Town Girl wird gar Billy Joel gesampelt.

Kochende Streamer

Diese etwas sich ziemlich anbiedernde Bandbreite zeitigt eine beträchtliche Überlänge des Werks. Es umfasst 20 Songs, von denen einige schon recht unteraufregend klingen. Aber es soll halt möglichst viele Facetten der Zielgruppe abdecken – die Pflichten eines Konzernchefs, der es sich leisten kann, für seinen kurzen Auftritt beim Super Bowl auf eine Gage zu verzichten. Allein die Aufmerksamkeit, die ihm der Zwölf-Minuten-Gig vor hunderten Millionen Zusehern bringt, wird reichen, um die Server der Streamingdienste zum Kochen zu bringen.

Usher ist einer der erfolgreichsten Popstars der letzten 25 Jahre. Ein falsettierender Sexgott des Formatradios, dessen Musik auf den Reißbrettern der Verwertungsindustrie entsteht. Ein neues Usher-Album klingt deshalb nie ganz anders als das davor. Das Fach ist wertkonservativ, es reicht, mit zarten Modifikationen dasselbe zu bieten. Das Ergebnis kann man mögen – oder als zynisches Dienstleistungsgewerbe betrachten. (Karl Fluch, 9.2.2024)