Österreich gilt als Vorreiter in der EU für Biolandbau. Nahezu jeder vierte Bauernhof ist biologisch geführt. Bis 2030 soll der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen auf 35 Prozent steigen.

Ist im Biomarkt der Wurm drin? Österreich will den Anteil an Bioflächen steigern. Im Vorjahr gaben jedoch mehr als 900 Biobetriebe auf.
Getty Images/iStockphoto

Doch zwischen den hehren Zielen und der Realität geht zusehends eine Kluft auf. Im Vorjahr gaben fast 920 Biobetriebe auf. Sie sattelten auf konventionelle Landwirtschaft um oder stiegen zur Gänze aus der Produktion aus. Einen Aderlass erlebte die Branche vor allem in Westösterreich unter Nutztierhaltern.

Flächenförderungen für den Bioanbau sanken. Die Ausgaben für Bio blieben im Handel zwar auf hohem Niveau. Die Verkaufsmengen jedoch gingen einmal mehr leicht zurück.

Viele Biolandwirte hofften in den vergangenen Jahren mit Blick auf Klimaschutzziele und höheres Tierwohl auf ein Bekenntnis der Politik zu nachhaltiger Landwirtschaft. Zumal ein wesentlicher Hebel dafür in der öffentlichen Beschaffung liegt.

Wider die eigenen Vorgaben

Ob für Kantinen der Ministerien, ob für Kindergärten, Schulen, Kasernen oder Justizanstalten – der Bund hat es unmittelbar in der Hand, Vorbild beim Einkauf ökologischer Lebensmittel zu sein und damit gezielt österreichische Betriebe zu stärken.

Bisher lassen sich Bioprodukte in öffentlichen Einrichtungen jedoch gar nicht oder nur unter der Lupe erkennen. Bioquoten von 25 Prozent bis 2023, zu denen sich die Regierung 2021 mit einem Aktionsplan verbindlich verpflichtete, existieren nach wie vor nur auf dem Papier –, DER STANDARD berichtete.

In ihrer Kritik an der Bundesbeschaffung bestätigt sehen sich Bioverbände und die politische Opposition, seit Antworten der Ministerien auf eine parlamentarische Anfrage der Neos auf dem Tisch liegen.

Neos-Landwirtschaftssprecherin Karin Doppelbauer, die selbst einen Biohof betreibt, wollte wissen, wie hoch die Budgets der Ministerien und ihrer nachgelagerten Bundeseinrichtungen für Lebensmittel sind – und wie viel Prozent davon explizit für den Einkauf von Bioprodukten vorgesehen sind. Zur Erinnerung: Ab 2025 sind dafür 30 Prozent, fünf Jahre später 55 Prozent vorgeschrieben. So will es ein Ministerratsbeschluss.

Keine Statistiken

Das Landwirtschaftsministerium, das Interessen der Biobauern vertritt und in dessen Verantwortung zahlreiche Bundeslehranstalten und eine Hochschule fallen, lieferte dazu keine einzige Zahl – aus verwaltungsökonomischen Gründen, wie es heißt. Das Innenministerium beziffert das Volumen an beschafften Lebensmitteln mit 3,3 Millionen Euro. Gesonderte Statistiken zu Bioprodukten führt es keine.

Wie auf Knopfdruck parat hat jedoch das Verteidigungsministerium sämtliche Antworten: Um 17,5 Millionen Euro wurden hier im Vorjahr Lebensmittel beschafft. Der Bioanteil betrug 1,4 Prozent und konnte seit 2021 um ein Prozent erhöht werden. Aus Kostengründen müsse vermehrt auf konventionelle Lebensmittel zurückgegriffen werden, lässt man wissen. Um gute Verpflegung sicherzustellen, werde der Tagsatz dafür von fünf auf 6,50 Euro erhöht.

Keine Vorgaben

Das Justizministerium gab dafür im Straf- und Maßnahmenvollzug 16 Millionen Euro aus. Zu einer Auswertung des Bioanteils sieht es sich jedoch ebenso außerstande wie der überwiegende Rest der Ministerien. Auch das Bildungsministerium erhebt nicht, welche Lebensmittel für seine Schulen und Heime zum Einsatz kommen. Buffets sind Dritten übertragen. Vorgaben zum Einsatz von Bio ergingen an diese nicht.

Das Umweltministerium fällt mit 31.200 Euro, die sich aus Äpfeln speisen – 2023 war die Hälfte davon bio – vergleichsweise gering ins Gewicht.

Wie ein roter Faden zieht sich nicht nur fehlendes Monitoring durch die Bundesbeschaffung. Etliche Ministerien geben die Verantwortung an externe Dienstleister ab. Diese gehören zwar vielfach mehrheitlich dem Staat, sehen sich jedoch an keinerlei Biovorgaben gebunden.

Immer wieder verweisen Ministerien an die Zuständigkeit der Bundesbeschaffung GmbH – während das Klimaministerium diese bei den einzelnen Ministerien, die der Bundesbeschaffung ihren Bedarf an Bio melden, verortet.

Für Barbara Riegler, Obfrau der Bio Austria, zeichnen die Antworten "ein erschreckendes Bild" über den Einsatz von Bio in der öffentlichen Beschaffung. Der Anteil sei, sofern er überhaupt bekannt sei, lächerlich gering und liege in Summe im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

"Schildbürgerstreich"

"Wir haben hochwertige Lebensmittel vor der Tür. Die öffentliche Hand schafft es nicht sicherzustellen, dass diese in öffentlichen Kantinen im vorgesehenen Umfang eingesetzt werden", resümiert Riegler. "Es ist ein Schildbürgerstreich."

Das Ziel sei, Biobetriebe unabhängiger von Exporten und Förderungen zu machen, sagt Doppelbauer. "Ohne Monitoring werden Bioquoten jedoch ad absurdum geführt." Stattdessen redeten sich Ministerien auf Bürokratismus aus und spielten die Zuständigkeiten im Kreis.

Laut Klimaministerium soll es heuer erstmals eigene Biolose bei Milchprodukten geben. Barbara Holzer-Rappold, Leiterin des Vereins Enkeltaugliches Österreich, fordert verpflichtende Bioanteile von 30 Prozent bei den nächsten Lebensmittelausschreibungen. Sie hofft, dass der Rechnungshof für Transparenz sorgt: Schließlich gehe es um Steuergelder. Bio weiter kleinzuhalten hieße, drastische Folgekosten zu riskieren. (Verena Kainrath, 31.1.2024)