Der Vorteil von Interviews mit Expertinnen und Experten im Gegensatz zu jenen mit Politikerinnen und Politikern ist ja, dass da dem Wahlvolk keine Agenda verkauft werden muss, dass auf Fragen meist auch echte Antworten kommen und keine ausweichenden Phrasen aus dem Parteiprogramm. So war das auch Dienstagabend in der "ZiB 2", Politologe Herfried Münkler sprach mit Armin Wolf über die Zukunft der Demokratie.

Politikwissenschaftler Herfried Münkler war Dienstagabend zu Gast bei Armin Wolf in der
Politikwissenschaftler Herfried Münkler war Dienstagabend zu Gast bei Armin Wolf in der "ZiB 2".
Screenshot: ORF-TVThek

Diese Zukunft sieht Münkler nicht sehr rosig, die Demokratie stehe am Abgrund. "Muss man sich in Europa 2024 wirklich Sorgen um den liberal-demokratischen Rechtsstaat machen"? fragt Wolf. Man hoffte da auf eine beruhigende Antwort. Die kam aber nicht. "Ich glaube schon", sagt Münkler, "am Abgrund heißt ja nicht, dass sie schon heruntergefallen ist, sondern dass sie bedroht ist". Ob der verhängnisvolle Schritt gemacht werde oder ob die Demokratie stabil bleibe, sei im Augenblick die offene Frage. Wir würden uns derzeit in einer Konkurrenz zwischen den im Aufwand befindlichen autokratischen Regimen und den Demokratien in der Defensive befinden.

Aber woran liegt das? Und woher kommt diese Attraktivität vermeintlich starker Männer wie Viktor Orbán oder Donald Trump? Prozesse in der Demokratie seien zu lang geworden, für schnelle Entscheidungen, die viele wollten, brauche es "starke Männer und vielleicht auch Frauen - aber in der Regel sind es Männer - die die Sache durchziehen". Und: Der lange Zyklus des Wohlstandes sei jetzt zu Ende gegangen, er sieht eine "Gereiztheit im Umgang miteinander" und "verstärkte Verteilungskonflikte".

ZIB 2: Politologe Münkler zur Zukunft der Demokratie
Die Rufe nach starken Führern sind nicht zu überhören. Die Proteste gegen diese Rufe auch nicht. Gast in der ZIB2 ist Herfried Münkler, deutscher Politikwissenschaftler und Autor des Buches "Die Zukunft der Demokratie".
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Warnzeichen für die Demokratie

Was Rechtspopulismus mit seiner Aufforderung auf das Volk zu hören, sei so etwas wie ein Warnzeichen für die Demokratie. Münkler erklärt das mit diesem interessanten Satz: "Die Feinde der Demokratie treten als Verfechter der Demokratisierung ein". Aber: Das Volk spreche nicht selber, sondern es sprechen dessen demagogische Führer. Hitler habe ständig Volksabstimmungen durchführen lassen, erinnert Münkler, man habe auf die Stimmung des Augenblick gesetzt. "Das ist eine Ausschaltung des Bedenkens von langfristigen Folgen zugusten von kurzfristiger Gestimmtheit". Hinterher stelle sich dann schnell der Katzenjammer ein.

Später ging es im Gespräch noch um ein mögliches Verbot der AfD in Deutschland. "Ich fürchte, im Fall der AfD würde das Gericht sagen, sie ist zwar in Teilen verfassungsfeindlich, aber zu groß als dass man sie noch verbieten kann". Er spricht über deutsche Immunisierung gegen die Versuchung rechtsextremer Parteien und die Entscheidung der Parteien der Mitte und auch der rechten Mitte, keine Koalition mit rechtsextremen Parteien einzugehen. Das würden natürlich auch politisch-strategische Überlegungen eine Rolle spielen, weil sie wissen, dann verlieren sie in der Mitte mehr als sie auf dem rechten Rand gewinnen würden. Ein sehenswertes Gespräch und ein Experte, der die aktuelle Strömungen verständlich auf den Punkt bringt. (Astrid Ebenführer, 31.1.2024)