Mit diesem Mittwochnachmittag beginnt in Südtirol ein neues politisches Zeitalter: Erstmals wird Italiens nördlichste, mehrsprachige und autonome Provinz von einer Fünf-Parteien-Koalition angeführt. An ihrer Spitze steht – wie schon seit Jahrzehnten – die Südtiroler Volkspartei (SVP). Doch von ihrer früheren übergroßen Machtfülle ist nicht allzu viel übrig geblieben, weshalb sich Landeshauptmann Arno Kompatscher für seine dritte und erklärtermaßen letzte Amtszeit gleich vier Koalitionspartner nehmen muss. Dies war nicht nur nötig, um eine praktikable Regierungsmehrheit sicherzustellen; die speziellen Gegebenheiten Südtirols verlangen auch, dass die Landesregierung einem bestimmten sprachpolitischen Proporz folgt.

Arno Kompatscher
Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher will in seiner letzten Amtszeit die Autonomieregelung reformieren.
APA/WOLFGANG EDER

Aus diesem Grund teilt sich die SVP die Regierungsverantwortung mit den beiden "italienischen" Rechtsparteien Fratelli d'Italia (FDI) und Lega, der christdemokratisch ausgerichteten Liste Civica sowie den "deutschen" Freiheitlichen.

Kritik an SVP-Mann Kompatscher ist aus linken und gemäßigten Kreisen, aber auch aus den eigenen Reihen deutlich zu vernehmen. Er habe zu viele Zugeständnisse gemacht, um eine Koalition für Südtirol auf die Beine zu stellen; vor allem habe er dem italienischsprachigen Bevölkerungsanteil zu viel Gewicht gegeben.

"Ideologische Brille ablegen"

Kompatscher ist als eigentlich liberal gesinnter Politiker selbst ganz offenkundig kein Freund dieser stark rechts geprägten Fünferkoalition – doch das Wahlergebnis und der Sprachenproporz ließen ihm nach der für die SVP ernüchternden Landtagswahl im vergangenen Oktober nur wenig Handlungs- und Gestaltungsspielraum. Er will mit dieser Regierungsmannschaft dennoch versuchen, einige Projekte umzusetzen, die ihm am Herzen liegen und die er als politisches Vermächtnis hinterlassen möchte, wenn er in spätestens fünf Jahren als Landeshauptmann abdankt. Die Reform des Autonomiepakets ist ein solches Vorhaben.

Bei der Vorstellung der neuen Regierungsmannschaft forderte der vor zwei Wochen formell wieder zum Landeshauptmann bestellte Kompatscher am Dienstag daher alle politischen Player und die Bevölkerung auf, "die ideologische Brille abzulegen und das ausgewogene und ehrgeizige Regierungsprogramm der Koalition zu lesen". Kompatscher zeigte sich in puncto Autonomiereform zuversichtlich, dass diese schon bis Juni den italienischen Ministerrat erreichen kann. "Das Ziel ist nicht nur die Wiederherstellung verlorener Kompetenzen, sondern auch die Ausweitung der Autonomie."

Diese Ansage gilt als sehr ambitioniert, gilt doch die aktuelle römische Regierung von Fratelli-d'Italia-Chefin Giorgia Meloni nicht nur als rechts, sondern auch als zentralistisch. Die Südtiroler Autonomieinteressen sollten dort eigentlich nicht weit oben auf der Prioritätenliste stehen. Kompatscher hofft dennoch auf offene Ohren, sitzen doch beide Rechtsparteien selbst in Bozen auf der Regierungsbank.

"Große Vorteile"

Und dafür gibt es durchaus Anzeichen: Der designierte Vizepräsident der Provinz, Marco Galateo (FDI), betonte am Dienstag bei der Präsentation des Regierungsprogramms "die starke Verbindung mit der Zentralregierung, die für ganz Südtirol große Vorteile bringen wird". Um zu demonstrieren, dass die Meloni-Regierung den Südtiroler Interessen wohlgesonnen ist, sollen schon in den kommenden Wochen mehrere Minister und Ministerinnen nach Bozen kommen, um die neue Regierung besser kennenzulernen.

Eine – zumindest informell – besondere Rolle spielt in der neuen Landesregierung die zentrumsnahe Liste La Civica, eine christdemokratische Bürgerliste aus dem italienischsprachigen Lager. Deren Chef Angelo Gennaccaro machte vor wenigen Wochen einen für die eigene politische Zukunft möglicherweise sehr smarten Schachzug: Er verzichtete auf seinen Platz im elfköpfigen Regierungsteam und löste somit die wochenlange Blockade bei den Koalitionsverhandlungen auf.

Als kurzfristige Gegenleistung gibt es für den 40-Jährigen den Posten des Vizepräsidenten im Landtag. Doch mittelfristig verfolgt Gennaccaro dem Vernehmen nach andere Ziele: Er möchte 2025 Bürgermeister der Südtiroler Hauptstadt Bozen werden. Ein Vorhaben, das nun – so darf erwartet werden – von den neuen Mehrheitsparteien im Landtag unterstützt werden dürfte. Dementsprechend konsensual gab sich Gennaccaro im Vorfeld der Angelobung und sprach von der Notwendigkeit, für "ein breiteres Wir" zu arbeiten. (Gianluca Wallisch, 31.1.2024)