Georg Danzers Spätwerk
Georg Danzers Spätwerk "Von Scheibbs bis Nebraska" liegt nun erstmals in einer Vinyl-Edition vor.
imago/Stefan M Prager

Porno oder Bruce Springsteen? George Danzer entschied sich für Bruce Springsteen, dem Porno entkam er dennoch nicht. Aber gut, ein wenig Saubartelei war in seinem Werk ohnehin stets präsent, also war eh alles unter Kontrolle. Als der 2007 gestorbene Wiener Musiker sein vorletztes Album aufnahm, flog er dafür nach Los Angeles. Im dort angemieteten Studio wurde zeitgleich zu seinen Aufnahmen ein Porno synchronisiert, in den Spielpausen waren ständig Stöhnen oder des Pulitzerpreises unverdächtige Dialoge zu hören.

Entstanden ist damals das Album Von Scheibbs bis Nebraska, das nun erstmals als Vinyl-Edition aufgelegt wurde. Es gilt nicht nur als sein bestes Spätwerk, viele schätzen es als bestes überhaupt ein. Denn Danzer verschränkt darauf sein klassisches österreichisches Songwriting mit US-amerikanischer Rockmusik, dem Blues, ja, mit dem herzerweiterten Dumdumdurumdum ist sogar etwas wie Funk darauf zu hören.

Familienband
Georg Danzer - Topic

Schon der Titel war ein Hinweis auf die transatlantische Ausrichtung des Albums, das mit dem niederösterreichischen Scheibbs zwar den Anker setzt, musikalisch aber in den USA sein Heil sucht und findet. Im Verweis auf Nebraska lässt sich die Springsteen-Verbindung klar herauslesen, immerhin zählt das 1982 veröffentlichte Album Nebraska zu dessen besten.

Blühende Direktheit

Ein karges Songwriteralbum, das mit den Titeln Highwaypatrol Man und State Trooper gleich zwei Vorlagen für Danzer bereithält. Das manifestiert sich im Titelstück dergestalt, dass Danzer darin einen von der Gendarmarie zur Polizei degradierten Kleinstadtkieberer imaginiert, der in seinen Träumen in Nebraska für Law and Order sorgt; dort geht er seinen autoritären Fantasien nach. Im richtigen Leben bräuchte er dafür allerdings einen Lottosechser, da stehen die Chancen nicht so toll, also arrangiert er sich am Ende mit seinem Schicksal, mit Scheibbs.

Paniglgass'n Nr. 17
Georg Danzer - Topic

Aber Danzer war natürlich zu originell, um Springsteen bloß plump nachzubauen. Der Blues seiner Paniglgass'n Nr. 17 über einen sich selbst überschätzenden Macho ist zutiefst wienerisch gefärbt, und die darin blühende Direktheit der Danzer'schen Kunst ist 2024 fast noch erfrischender als vor fast 20 Jahren.

Danzer war damals in Bestform, das Album hat nichts von dem für den Austropop oft typischen Nörglertum. Das hat zwar seine Berechtigung, hatte sich nach 30 Jahren schwerer Beanspruchung aber etwas abgenutzt. Immer nur Sodbrennen, das hält keiner aus. Ein Titel wie Dann geht's da guad verdeutlich das vielleicht am besten – so viel Lebensfreude hat man von einem Vertreter des klassischen Austropop selten gehört – pflichtschuldig sei erwähnt, dass Danzer den Begriff Austropop nicht mochte.

Piercing in Gmunden
Georg Danzer - Topic

Die Euphorie bremsen Lieder wie Blumen in der Hand (Kosovo 2005), in dem Danzer zehn Jahre nach dem Krieg den Kosovo besucht. Da macht sich der sozial bewegte Künstler bemerkbar, meditiert über die Nähe zur Katastrophe und die Ohnmacht, die mit ihr einhergeht. Gegen Ende dieser Reise in die Welt kehrt Danzer langsam zurück, erzählt von einem Heimkehrer, der aus der Hitze einer fernen Insel in die Einschicht des Waldviertels zurückkommt – ein autobiografisch gefärbter Titel. Piercing in Gmunden ist ein Danzer-Kleinod, schräger Humor, eine Fantasie über menschliche Blödheit und eine kleine Alltagskatastrophe unter der Gürtellinie.

Phantomschmerzen

Die Heimkehr beschließt das finale Gaudenzdorfer Gürtel 47. Eine Demo-Aufnahme, Danzer allein mit der Gitarre, die nicht leugnen kann, dass er Bob Dylans To Make You Feel My Love gekannt hat. Die Vinylversion bietet am Ende noch zwei weitere Bonusstücke: Goidne Zeitn in einer Demo-Version sowie Dumdumdurumdum in der Hallo Nachbar!-Version .

Was soll man sagen: ein Meisterwerk der heimischen Populärmusik und ein Beweis dafür, warum heute noch so viele Menschen über Phantomschmerzen klagen, wenn sie an Georg Danzer denken. (Karl Fluch, 5.2.2024)