Philippe Lazzarini
Unter Philippe Lazzarini erlebt die UNRWA die schwerste Krise seit ihrer Gründung.
AFP/POOL/LUDOVIC MARIN

Mit eindringlichem Blick und ruhiger Stimme schildert Philippe Lazzarini bei einer Pressekonferenz im November 2023 die desaströse humanitäre Lage im Gazastreifen. Unermüdlich betont der Chef des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), wie sich die Situation seit dem Ausbruch des Nahostkriegs verschlechtert. Ein Krieg, der ausgerechnet unter Beteiligung von zwölf seiner Mitarbeiter ausgelöst worden sein soll. Unter Lazzarini erlebt die UNRWA die schwerste Krise seit ihrer Gründung.

Der Schweizer ist derzeit damit beschäftigt, die Existenzberechtigung der UNRWA zu verteidigen. Es ist nicht das erste Mal, dass das UN-Hilfswerk wegen mutmaßlicher Verbindungen zur Hamas in die Kritik gerät. Bisher wies Lazzarini diese Vorwürfe kategorisch zurück und stellte sich bedingungslos hinter seine Mitarbeiter. Nach den jüngsten Anschuldigungen leitete er Untersuchungen ein. Mit der "kollektiven Bestrafung", wie Lazzarini den darauffolgenden Stopp für die Auszahlung von Hilfsgeldern mehrerer Länder bezeichnete, habe er nicht gerechnet.

An den Krisenherden der Welt

Den Umgang mit Krisen ist Lazzarini gewohnt. Als 25-Jähriger heuerte er nach dem Studium der Betriebswirtschaft beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz an. Die Einsätze führten ihn zu den härtesten Konfliktregionen der Welt, unter anderem nach Sarajevo und Ruanda. 2003 fing er bei der Uno an. Nach der US-Invasion im Irak war er dort für humanitäre Angelegenheiten zuständig, später in Angola, Somalia, Gaza und im Libanon.

Seine Familie begleitet viele Missionen im Ausland. Zusammen mit seiner Frau, einer britischen Anwältin, hat der Diplomat vier Kinder. Jedes ist in einer anderen Stadt geboren: Bethlehem, New York, Nairobi und Beirut. 2020 übernahm er die Leitung der gesamten UNRWA und ist nun in Jordanien ansässig. Auch wenn er, wie er erzählt, seit dem Beginn des Gazakriegs die meiste Zeit im Flugzeug verbringt.

Als erster internationaler Funktionär besuchte er den Gazastreifen nach der Attacke der Hamas auf Israel. Sein Vorgänger Pierre Krähenbühl hatte infolge eines Skandals um Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft zurücktreten müssen – und nun werden auch Rücktrittsforderungen an Lazzarinis Adresse laut. Bisher gab dieser sich davon aber unbeeindruckt. Die Ausdauer des langjährigen Diplomaten wird noch einmal auf die Probe gestellt. (Helene Dallinger, 31.1.2024)