11.000 Personen sollen betroffen sein. Die Anträge auf Entschädigung können entweder direkt beim jeweiligen Landesgericht oder per Post gestellt werden.
IMAGO/Wolfgang Maria Weber

Wien – All jene Personen, die in der Zweiten Republik wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden, können ab diesem Donnerstag Anträge auf Entschädigungszahlungen stellen. "Mit der Aufhebung der Urteile und der finanziellen Entschädigung übernehmen wir als Staat Verantwortung für unsere Geschichte", sagte Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Die Anträge können entweder direkt beim jeweiligen Landesgericht oder per Post gestellt werden.

Die dafür notwendigen Informationen finden sich auf der Homepage des Justizministeriums. Dort kann das Antragsformular auch online ausgefüllt und heruntergeladen werden. Beigelegt werden sollen alle Dokumente, die bescheinigen, dass es zu einer Verurteilung, Freiheitsentziehung, einem Ermittlungsverfahren oder schwerwiegenden sozialen Nachteilen gekommen ist.

Auch wenn keine Unterlagen mehr vorhanden sind, gibt es die Möglichkeit, die Rehabilitierung und Entschädigung über eigene Berichte und Aussagen von Auskunftspersonen und/oder Zeugen oder Zeuginnen glaubhaft zu machen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Prozesse und Verurteilungen teilweise bereits sehr lange zurückliegen.

33 Millionen Euro für Entschädigungszahlungen

Zadić kündigte die Rehabilitierung und finanzielle Entschädigung verfolgter Homosexueller im November vergangenen Jahres an. Damit könne man das zugefügte Leid aber nicht wiedergutmachen, betonte die Justizministerin gegenüber der APA. "Sie wurden von den Institutionen, die sie eigentlich hätten schützen sollen, in ihrer Würde, in ihrem Menschsein verletzt. Als Justizministerin entschuldige ich mich noch einmal in aller Form bei den Betroffenen für das geschehene Unrecht und auch für das lange Schweigen, das darauf folgte."

"Als Justizministerin entschuldige ich mich noch einmal in aller Form bei den Betroffenen für das geschehene Unrecht und auch für das lange Schweigen, das darauf folgte", sagt Ministerin Alma Zadić (Grüne).
APA/HELMUT FOHRINGER

Für jedes aufgehobene Urteil werden Betroffene mit 3.000 Euro entschädigt, zusätzlich gibt es 1.500 Euro für jedes angefangene Jahr der Freiheitsentziehung. Weiters bekommt man 500 Euro für jedes eingestellte Ermittlungsverfahren und 1.500 Euro als einmalige Zahlung, wenn man durch das Verfahren wirtschaftlich, beruflich oder gesundheitlich besonders benachteiligt wurde. Insgesamt stehen für die Entschädigungszahlungen 33 Millionen Euro zur Verfügung.

Homosexualität wurde in Österreich 1971 grundsätzlich entkriminalisiert. Trotzdem gab es auch danach noch Sonderparagrafen, die ansonsten legales Verhalten bei gleichgeschlechtlichen Handlungen unter Strafe stellten. Erst 2002 wurde die letzte dieser Bestimmungen vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Betroffen sein sollen an die 11.000 Personen.

Glücklich über die Maßnahmen reagierten der LGBTIQ-Sprecher der SPÖ bzw. jene der Grünen. "Kein Geld der Welt kann die strafrechtliche Verfolgung von Homo- und Bisexuellen in der zweiten Republik wiedergutmachen. Doch mit dem heutigen Tag der Aufarbeitung stellen wir uns unserer historischen Verantwortung", betonte die grüne Ewa Ernst-Dziedzic in einer Aussendung. Im Parlament will sie eine gemeinsame offizielle Entschuldigung für die Verfolgung von Homosexuellen anstreben.

Eine solche hält auch SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner für notwendig. Außerdem will er einen Antrag im Nationalrat einbringen, in dem er eine beitragsfreie Anrechnung von Haftstrafen wegen Homosexualität auf die Pensionszeiten fordert. Er dankte in einer Pressemitteilungen "all jenen, die nicht locker gelassen und sich für Gerechtigkeit eingesetzt haben", schließlich sei die Möglichkeit der Entschädigung dem Druck von Aktivistinnen und Aktivisten sowie Verbänden zu verdanken. (APA, 1.2.2024)