Suicide Squad: Kill the Justice League
Das Studio war davor für diverse anerkannte "Batman"-Spiele verantwortlich.
Warner

Ein angesehenes Entwicklerstudio, das für seine großartigen Single-Player-Spiele berühmt ist, bringt nach langen Jahren des Wartens sein neues Spiel heraus. Allerdings ist es diesmal etwas anders, als sich das die Fans erhofft hatten: Multiplayer-Fokus, Mikrotransaktionen, die Absicht, die Spielerschaft nach Bezahlen des Vollpreises noch jahrelang zu beschäftigen und zur Kasse zu bitten.

Das neue Spiel ist ein "Live-Service-Game", eins nach dem "Games as a Service"-Modell: ja genau, noch eins. Der Release wird von Hype begleitet, aber das Feuerwerk will nicht recht zünden. Die Kritiken sind verhalten, die Fans verstört. Das Spiel floppt, der Ruf des Studios ist angekratzt. Die Chefetage habe entschieden, dass es so ein Spiel werden müsse, hört man nach einigen Wochen durchsickern, die Entwickler selbst hätten das so nicht gewollt.

Von welchem Spiel ist hier die Rede? Achtung: Es gibt gleich mehrere richtige Antworten.

Jagd nach dem Trend

Dem Rollenspiel-Kultstudio Bioware ist mit seinem Flop "Anthem" 2019 genau das passiert. Den Traditionsstudios Crystal Dynamics und Eidos Montreal 2021 ebenso: Auch die wohl größte Pop-Franchise des Planeten konnte den Absturz von "Marvel's Avengers" nicht verhindern. Die Immersive-Sim-Experten Arkane haben erst letztes Jahr mit "Redfall" auf die beschriebene Weise mit einem halbherzigen Versuch, die lukrative Trendwelle zu reiten, ebenfalls einen Bauchfleck hingelegt. Und auch über "Suicide Squad: Kill the Justice League", soeben nach mehr als wackeligem Start erschienen, braut sich etwas Ähnliches zusammen.

Es ist beileibe nicht so, dass es keine Negativbeispiele gegeben hätte, was das krachende Scheitern in Bezug auf gefloppte Live-Service-Games betrifft. Im Gegenteil: Die Liste ist lang. An "Knockout City", "Paragon", "The Culling", "Lawbreakers", "Radical Heights", "Evolve", "Scavengers", "The Cycle: Frontier" und "Crossfire" erinnern sich aber auch Auskenner nur vage. Auch deshalb, weil die aufwendig zu betreibenden Vehikel nach ihrem Implodieren im Unterschied zu anderen Spielen völlig von der Bildfläche verschwinden und einfach nicht mehr gekauft und gespielt werden können.

Manchmal wird man in solchen Momenten auch Zeuge erstaunlicher Vorgänge: Als Square Enix und Platinum Games ihren schon kurz nach Release kollabierenden Live-Service-Kandidaten "Babylon's Fall" 2022 nicht und nicht am Markt platzieren konnten, hatte ein einzelner Spieler die einzigartige Erfahrung, weltweit der einzige Gast in einer gewaltigen, leeren Online-Fantasy-Welt zu sein. Auch ein Erlebnis.

Anthem
"Anthem" wurde ebenfalls von einem talentierten Studio entwickelt, die Richtung des Spiels allerdings am Ziel vorbei.
EA

"The Last of Us" zieht die Reißleine

Manche Entwickler erkennen zum Glück rechtzeitig, worauf sie sich einlassen: Erst vor kurzem hat Naughty Dog verkündet, die Arbeit an seinem Multiplayer-Service-Game-Projekt zur Erfolgsspielserie "The Last of Us" einzustellen. "Um 'The Last of Us Online' auf die Beine zu stellen, hätten wir alle Studio-Ressourcen in den Dienst des kontinuierlichen Supports stellen müssen, und das für Jahre. Das hätte die Entwicklung weiterer Einzelspielertitel empfindlich beeinträchtigt. Es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder ein Live-Service-Games-Studio werden oder aber den Fokus auf jenen narrativen Single-Player-Spielen behalten, die Naughty Dogs Charakter ausmachen", so die Pressemeldung zur Absage.

Nicht nur die Fans der Single-Player-Spiele von Naughty Dog werden sich über diese Meldung gefreut haben. Trotzdem macht die Episode nachdenklich: Naughty Dog ist eines der wenigen noch verbliebenen Studios, die große, technisch aufwendige und erzählerisch ambitionierte AAA-Spiele nur für Einzelspieler entwickeln, die ihre immensen Entstehungskosten auch tatsächlich einspielen. Doch auch hier ist allem Anschein nach der Druck groß, den Wechsel zum vermeintlich lukrativeren Live-Service-Markt zu vollziehen – einen Wechsel, der immerhin den Kern der Spiele von Naughty Dog, eine filmisch erzählte lineare Erfahrung, vor den sprichwörtlichen Bus werfen würde.

Money, money, money

Man muss nicht lang nachdenken, um die Gründe für das verzweifelte Drängeln in diesen Markt zu erraten: Hier ist das Geld, hier sind die Spieler, hier kann man sich – wenn man denn erfolgreich ist – zumindest in der Theorie für längere Zeiträume vom ständigen Wetten auf den Erfolg des nächsten Einzelprojekts befreien. Wenn ein großes Single-Player-Spiel wie letztes Jahr "Forspoken" oder "Immortals of Aveum" sein Budget nicht innerhalb weniger Wochen nach dem Launch eingespielt hat, ist es ein Verlustgeschäft, das auch große Studios in den Abgrund reißen kann; erfolgreiche Live-Service-Games wie "Destiny", "Dead by Daylight", "Rainbow Six Siege" oder der Koloss "GTA Online" bringen hingegen über Jahre verlässlich Geld herein.

Dass einige der Genannten zusätzlich Free-to-Play-Spiele sind, macht den Spagat, den Vollpreistitel wie "Suicide Squad: Kill The Justice League" versuchen, noch schwieriger. Warum für etwas bezahlen, das es anderswo gratis gibt – und für das ich im Verlauf der nächsten Monate und Jahre ohnehin noch Geld ausgeben werde? Nicht wenige Spiele, die ursprünglich ebenfalls klassisch zu bezahlen waren, wurden nachträglich gratis gemacht, um den abschmelzenden Communitys frisches Blut zuzuführen; mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

Die Rechnung geht nicht auf

Zumindest in den Chefetagen der milliardenschweren Games-Industrie scheint der Wille ungebrochen, den Goldrausch hartnäckig weiter zu verfolgen – auch auf Kosten der Studios, die verständlicherweise keine Freude mit der verordneten Trendjagd haben. Die Entwickler von "Redfall", des 2023 gefloppten Vampir-Multiplayerspiels von Bethesda unter dem Dach der Xbox Game Studios, berichten von unklaren Vorgaben des Managements und den grundsätzlichen Problemen, die Stärken des Studios, wie sie in Kultspielen wie "Dishonored", "Prey" oder "Deathloop" verwirklicht wurden, ins Korsett eines Live-Service-Games zu pressen. Diesbezüglichen Argumenten sei das Management aber nicht zugänglich gewesen. Ganz Ähnliches hatten die Rollenspiel-Profis von Bioware nach der Katastrophe namens "Anthem" zu Protokoll gegeben.

Redfall
Mit "Redfall" legte Bethesda im Vorjahr einen Bauchfleck hin. Ein Studio, dass davor vor allem erfolgreiche Story-Games produziert hatte.
Microsoft

Auch Rocksteady, die Macher des soeben veröffentlichten "Suicide Squad: Kill the Justice League", haben eigentlich einen hervorragenden Ruf als Single-Player-Entwickler, ihre "Batman-Reihe" gilt nach wie vor als Höhepunkt des Action-Genres. Das massive Gewicht der DC-Lizenz, so das Kalkül des Publishers Warner Bros, sollte dem Spiel den nötigen Impact geben, um es als erfolgreiches und langlebiges neues Live-Service-Game zu etablieren. Ob das Kunststück gelingt, steht heute noch in den Sternen; ein paar Hoppalas beim Launch müssen noch nicht das Ende bedeuten.

Eins aber ist ziemlich sicher: Auch – vielleicht sogar: besonders – der milliardenschwere Live-Service-Markt hat keine Geduld für Spiele, die unglücklichen Entwicklern mit anderweitigen Talenten vom Management mit Dollarzeichen in den Augen abgepresst werden.

Irgendwie reicht es dann auch einmal wieder mit seelenlosen Live-Service-Games, denn für den Wechsel zu einem anderen "Main Game" muss schon mehr als das einfallslose Abklappern des Altbekannten geboten werden. Für mehrere Live-Games zur selben Zeit reicht nämlich die Lebenszeit auch der begeistertsten Fans nicht aus. (Rainer Sigl, 4.2.2024)