Von den steilen Klippen in Norwegen über die Iguazu-Wasserfälle zwischen Brasilien und Argentinien bis hin zur berüchtigten "Train Street" in Vietnam: Vor atemberaubendem Hintergrund können Menschen beim Schnappschuss ihre eigene Sicherheit vergessen. Der Drang nach spektakulären Motiven führt nicht nur zu gefährlichen Situationen, sondern auch immer wieder zu tragischen Todesfällen. Eine Auswahl von Orten aus aller Welt, an denen das Fotografieren mit Risiko einhergeht:

Steinbrücke bei Arnarstapi, Island

Die berühmte Steinbrücke bei Arnarstapi auf Island.
Die berühmte Steinbrücke bei Arnarstapi auf Island.
IMAGO/Cavan Images

Die Steinbrücke bei Arnarstapi auf der isländischen Halbinsel Snaefellsnes ist ein beliebtes Fotomotiv für Touristinnen und Touristen aus aller Welt. Dabei übertreiben es wohl manche. Laut "Zeit" erzählt man sich in Island haarsträubende Geschichten von leichtsinnigen Touristen, die für Fotos über Absperrungen steigen und wahlweise zu nah an Abgründen, Schluchten, Wasserfällen, Geysiren oder gar Lavamassen posieren. Zum Beispiel auch im äußerst fotogenen Vulkangebiet auf der südwestisländischen Reykjanes-Halbinsel. Nach einem Ausbruch Ende 2023 musste ein Mann der Polizei zufolge mit einem Hubschrauber gerettet werden, nachdem er sich allein auf die lange und aufreibende Wanderung zum Eruptionsort gemacht hatte.

Studlagil-Canyon, Island

Bei einem vorherigen Ausbruch in dem Gebiet nahe Grindavík sorgten Fotos von Schaulustigen, die gar in die unmittelbare Nähe eines Kraters geklettert waren, dafür, dass die Behörden die Gegend vorübergehend für die Öffentlichkeit schlossen. Nach dem jüngsten Ausbruch baten die Behörden inständig darum, sich nicht dem Ausbruchsgebiet zu nähern.

Um Reisende für die Risiken der gewaltigen isländischen Natur zu sensibilisieren, hat die Tourismusbehörde Visit Iceland vor einigen Jahren eine besondere Kampagne gestartet: Touristen können den "Icelandic Pledge" abgeben, eine Art Online-Gelübde, keine Dummheiten während der Island-Reise zu begehen. In Regel Nummer drei heißt es dabei: "Ich werde zum Sterben schöne Fotos machen, ohne für sie zu sterben." Der Studlagil-Canyon ist ebenfalls ein beliebtes Fotomotiv in Island, trotz der gefährlichen Pfade.

Grand Canyon, USA

Grand Canyon Skywalk: Hier kann man auch spektakuläre Fotos knipsen und begibt sich dabei nicht in Gefahr.
Grand Canyon Skywalk: Hier kann man auch spektakuläre Fotos knipsen und begibt sich dabei nicht in Gefahr.
AP

Der Grand Canyon steht bei USA-Reisenden hoch im Kurs. Wer dort ist, will das natürlich auch mit einem Selfie festhalten, sollte aber vorsichtig sein: Nach Angaben des Nationalparks sterben im Jahr durchschnittlich zwei Menschen durch Abstürze von den Felsvorsprüngen, an denen es keine Sicherheitsbarrieren gibt. Dabei gibt es inzwischen eine sichere Alternative, den Grand Canyon Skywalk. Dort können Selfie-Jäger atemberaubende Fotos machen, ohne ihr Leben zu riskieren. Die hufeisenförmige Plattform aus Stahlträgern hat gläserne Bodenplatten und ein gläsernes Geländer.

Caminito del Rey, Spanien

Der Caminito del Rey in Spanien gilt als einer der gefährlichsten Wanderwege der Welt: Der Weg in der Nähe von Malaga führt rund drei Kilometer an Steilwänden entlang und über 200 Meter tiefe Schluchten. Der Caminito war zwischenzeitlich sogar 14 Jahre lang gesperrt, weil so viele Menschen auf der Wanderung ums Leben gekommen waren. Mittlerweile ist der Wanderweg allerdings wieder freigegeben.

"Train Street", Hanoi, Vietnam

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Die "Train Street" in Hanoi: 2022 war ein Urlauber aus Südkorea von einem langsam fahrenden Zug gestreift worden. Er hatte Glück und wurde nur leicht verletzt.
EPA

Offiziell ist die berühmte "Train Street" in Vietnams Hauptstadt Hanoi seit Jahren für Besucher gesperrt. Dennoch überwinden Touristen immer wieder die Barrieren mit großen Warnschildern, um an der fotogenen Zugtrasse – die zwischen engen Häuserblocks hindurchführt – Selfies zu schießen. In der Vergangenheit gab es mehrmals Zwischenfälle: Einmal musste ein Zug eine Notbremsung machen, um nicht mit Besucherscharen zu kollidieren. 2022 war ein Urlauber aus Südkorea von einem langsam fahrenden Zug gestreift worden. Er hatte Glück und wurde nur leicht verletzt.

Ein Rückblick: Angezogen von spektakulären Fotos im Internet waren seit 2018 immer mehr Schaulustige angereist. Die "Train Street" wurde zu einem Instagram-Hotspot. Cafés und Souvenirstände öffneten, Anrainer stellten Essensstände auf und arrangierten besonders geeignete Plätze zum Fotografieren. Manche Restaurants stellten in der "zugfreien" Zeit sogar Tische direkt auf die Schienen – um sie dann beim Herannahen eines Zuges schnell wegzuräumen.

Harihar Fort, Indien

Ein beliebter Selfie-Ort in Indien ist ein steiler Weg zum Harihar Fort im Bundesstaat Maharashtra. Der Aufstieg reizt viele gerade in der Regenzeit, wenn die Steinstufen, die hier direkt in den fast 80 Grad senkrechten Felsen gehauen sind, rutschig sind und der Wind stark bläst. Wegen des Risikos und Adrenalinschubs, kommentieren einige Menschen auf der Plattform "Trip Advisor": "Der Abstieg ist schwieriger als der Aufstieg, weil wir dann sehen können, wohin wir fallen, wenn wir ausrutschen", schreibt einer der Nutzer. Akshay Sunil Patil, der ganz in der Nähe lebt, sagt, dass er Abenteuersport und "aufregende Orte" wie Harihar Fort liebe. Angst habe er dabei nicht, wie die "Zeit" schreibt.

In Indien sterben einer Studie zufolge viele Menschen beim Versuch, Selfies zu machen. Forscher der indischen Universitätskrankenhaus-Kette AIIMS berichteten 2018 auf Grundlage einer weltweiten Zeitungsauswertung, es habe zwischen Oktober 2011 und November 2017 weltweit 259 Todesfälle beim Selbstfotografieren gegeben – etwa die Hälfte davon in Indien.

Iguazu-Wasserfälle, Südamerika

Iguazu-Wasserfälle: Der durchschnittliche Wasserdurchfluss beträgt nach Angaben des Parks 1,8 Millionen Liter Wasser pro Sekunde.
Iguazu-Wasserfälle: Der durchschnittliche Wasserdurchfluss beträgt nach Angaben des Parks 1,8 Millionen Liter Wasser pro Sekunde.
EPA/JUAN IGNACIO RONCORONI

Die weltberühmten Iguazu-Wasserfälle an der Grenze zwischen Brasilien und Argentinien sind eines der gigantischsten Naturwunder der Welt. Schon von weitem hört man das Grollen der 20 größeren und über 250 kleineren Wasserfälle, die zu einer der wichtigsten Touristenattraktionen der Region gehören. Auf den Rundwegen warnen Hinweisschilder vor dem Klettern auf den Geländern.

Doch einige Touristen scheint das für das vermeintlich perfekte Foto nicht abzuschrecken – 2022 mit fatalen Folgen. Ein Besucher setzte sich auf eines der Geländer, um ein Foto zu machen, wie Feuerwehrmann Walter Barreiro in einem Interview des argentinischen Nachrichtensenders TN erzählt. "Der Mann verlor das Gleichgewicht und fiel in den Fluss." Die Wassermassen hätten ihn in Sekundenschnelle unter Wasser gezogen. Der durchschnittliche Wasserdurchfluss beträgt nach Angaben des Parks 1,8 Millionen Liter Wasser pro Sekunde.

Klettersteig am Donnerkogel, Österreich

Der Klettersteig am Donnerkogel mit der spektakulären Himmelsleiter lockt jedes Jahr tausende manchmal schlecht ausgerüstete Menschen an. "Die Leute wissen nicht, worauf sie sich einlassen. Es ist ein Wahnsinn", sagt der Ausbildungsleiter der Alpinpolizei Oberösterreich, Kurt Arnold. Der Steig im Salzkammergut gilt auch für erfahrene Alpinisten als schwer, auf der rund 40 Meter langen Himmelsleiter schwebt jeder rund 100 Meter über einer Schlucht.

"An manchen Sommertagen stehen 50 Leute an der Einstiegsstelle", sagt Arnold. Einige hätten dem Alpinpolizisten zufolge nicht einmal die unbedingt nötige Klettersteigausrüstung dabei. Auf Instagram sind Posts zu finden, an denen sich Wagemutige aus Gründen der Selbstinszenierung mit nur einem Arm an eine Sprosse hängen. "Es gibt immer Nachahmer", kritisiert Arnold das Verhalten. Zuletzt starb ein Brite auf dem Steig, andere Touristen mussten erschöpft geborgen werden.

Kjeragbolten, Norwegen

Ein Felsen, der Touristinnen und Touristen begeistert: der Kjeragbolten in Norwegen.
Ein Felsen, der Touristinnen und Touristen begeistert: der Kjeragbolten in Norwegen.
Getty Images

Die weite und spektakuläre Natur Skandinaviens zieht jedes Jahr Millionen Touristen an. Norwegens Fjordlandschaften und Hunderte Meter hohe Felskanten sind wie gemacht für die Jagd nach dem perfekten Schnappschuss. Wagemutige werden im hohen Norden zum Beispiel von hohen Klippen und Gesteinsformationen angezogen, etwa dem Preikestolen und dem Kjeragbolten in Norwegen. Gefahr droht auf dem Gestein vor allem immer dann, wenn es – wie so häufig in Skandinavien – regnet, stürmt oder schneit.

Der Preikestolen ist vor allem eins: überlaufen.
Der Preikestolen ist vor allem eines: überlaufen.
Getty Images

"Pedra do Telégrafo", Rio de Janeiro

Eigentlich fällt der "Pedra do Telégrafo" in die Kategorie: Insta-Spots, die in Wirklichkeit gar nicht so toll respektive gefährlich sind. Man hat von dem Felsen an der 350 Meter hohen Klippe zwar einen schönen Ausblick, der Stein ragt allerdings nur wenige Zentimeter über den Boden und nicht, wie es die zahlreichen Fotos suggerieren, über die Felswand hinaus. Es kommt eben auf die Perspektive an. Und dennoch verletzen sich hier jedes Jahr Selfie-Jäger. In Rio kommt es bei dem Versuch, an felsigen Küsten, Hängen, Aussichtspunkten und Wasserfällen zu fotografieren, immer wieder zu Todesfällen. 2022 starben dabei im Bundesstaat einer Untersuchung der Feuerwehr zufolge 16 Menschen, wie das Magazin "Geo" berichtet. (red, APA, dpa, 8.2.2024)