Schumacher, City, Handwerk
Thomas Schikola vor seinem Geschäft in der Wiener Singerstraße, unweit des Stephansdoms.
Michael Hausenblas

"Bereits mein Urgroßvater betrieb eine Schuhmacherwerkstatt, und zwar im mittleren Burgenland. Ich habe ihn allerdings nicht mehr persönlich gekannt. Sein Sohn, mein Großonkel, hat den Betrieb dann weitergeführt. Bei ihm war ich einmal in den Ferien, bloß so, um in den Job hineinzuschnuppern. Aber wer weiß mit 15 oder 16 schon, was er wirklich beruflich machen will? Ich habe mir in der Folge ein paar Lehrberufe angeschaut, genauer gesagt, den Job des Mechanikers, des Tischlers und des Elektrikers. Das Erste erschien mir zu ölig, das Zweite zu staubig, und der Gedanke, als Elektriker auf der Baustelle in der Kälte zu arbeiten, hat mich auch nicht begeistert. Da blieb eigentlich nur Schuhmacher übrig. Mein Großonkel war zu diesem Zeitpunkt allerdings schon in Pension.

Mein damaliger Direktor in der Polytechnischen Schule trug orthopädische Schuhe und hat meine Idee für gut befunden. Er fragte seinen Schuhmacher, ob eine Lehrstelle frei sei, und so ergab das eine das andere. Nach der Lehre in Eisenstadt und dem Bundesheer habe ich jemanden kennengelernt, der meinte, dass in Wien die Übernahme einer Werkstatt anstehen würde. Das war 1999. Die Rahmenbedingungen hörten sich gut an. Ich habe hier im Geschäft in der Singerstraße 14 die Gesellenjahre absolviert, und drei Jahre später war die Firma meine. Ich arbeite übrigens gemeinsam mit einem Angestellten.

Franz Joseph und ein Totenkopf

Die Nachfrage nach Maßschuhen ist im Laufe der Zeit definitiv zurückgegangen. Ich kann nicht einmal genau sagen, warum. Sind die Preissteigerungen schuld? Oder der Rückgang des Bewusstseins für die Wertigkeit dieser Art von Schuhen? Es ist zunehmend mehr Konfektionsware angeboten worden, sozusagen, 'Halb-Maßschuhe'. Also schon besser gefertigte Schuhe, aber halt trotzdem von der Stange.

Bei mir im Geschäft bekommen Sie Maßschuhe, ferner erledigen wir Reparaturen von Schuhen, aber auch anderer Lederwaren wie zum Beispiel Taschen. Wir verkaufen Zubehör aller Art, und vor gut zehn Jahren sind unsere gefragten Gehstöcke und Schuhlöffel mit silbernen Griffen hinzugekommen. Als Knauf gibt es Kaiser Franz Joseph ebenso wie einen Löwen oder einen Totenkopf. Es gibt aber auch reduziertere Designs im Programm. Ich beziehe diese Produkte als Generalimporteur aus Italien. Ach ja, bei den Maßschuhen sind Sie bei mir ab circa 1.700 Euro dabei.

Schuhmacher, City, Handwerk
Zum Sortiment des Schuhmachermeisters gehören auch Spazierstöcke und Schuhlöffel mit silbernen Griffen.
Michael Hausenblas

Am meisten gefällt mir an meinem Job die Kombination aus ruhigem, konzentriertem Arbeiten in der Werkstatt und Verkauf, also aus Handwerk und Einzelhandel. Ich mag den Kontakt zu meiner Kundschaft. Diese ist übrigens bunt gemischt. Es gibt keine typischen Kundinnen oder Kunden. Es kommen auch viele Leute aus dem Ausland, aus der ganzen Welt.

Das Schönste ist, wenn ein Kunde in seinen neuen Schuh schlüpft und ich dieses typische, ganz eigene Ansauggeräusch höre. Die Kundschaft spürt das Gefühl. Und ich höre es. In solchen Momenten kommt mir ein Lächeln aus.

Was mir am wenigsten Spaß macht? Schwierige Kunden, also solche, die glauben, beim Preis handeln zu müssen. Dieses Bedürfnis spüre ich hauptsächlich bei Touristen, die aus Ländern kommen, in denen so etwas Usus ist. Ich meine, ein bisserl was geht immer, aber wenn’s ins Extreme geht, wird es schwierig.

Ob früher alles besser war? Lassen Sie es mich folgendermaßen formulieren: Der Zeitdruck und der daraus resultierende Stress waren in der Vergangenheit definitiv nicht so groß. Heutzutage wollen alle alles immer schneller. Die Leute wollen einfach nicht mehr warten. Das war früher anders. Was sich ebenfalls negativ verändert hat, ist die Qualität der Schuhe, die uns zur Reparatur übergeben werden. Mittlerweile gibt es unglaublich viel Kunstleder und Kunststoff. Wir benötigen also viel mehr spezielle Kunststoffkleber als früher.

Ob ich alles wieder so machen würde, wenn ich noch einmal jung und Schüler an der Polytechnischen wäre? Ich denke schon. Ich habe für mich den richtigen Weg gewählt. (Michael Hausenblas, 11.2.2024)