Enshrouded
Dank umfangreichem Talentbaum kann man aus zahlreichen Klassen wählen und individuell spezialisieren.
Keen Games

Survivalspiele sind eigentlich immer gleich: Man strandet wahlweise auf einer Insel, überlebt einen Flugzeugabsturz oder wird von seltsamen Mächten wegteleportiert und muss fortan allein oder mit Mitspielern gegen eine meist feindliche Umwelt bestehen. Das tut man, indem man anfangs mit blanken Fäusten auf Steine haut, um diese zu "ernten" und sich damit eine erste Behausung und Waffen bastelt. Klingt völlig unlogisch, aber so ist das in dem Genre seit "DayZ", "Rust" und "Conan Exiles" nun mal.

Survivalspiele haben auch immer gemeinsam, dass man ganz schön oft mit der Faust auf Steine hauen muss, bis man sich eine Villa am Strand erbauen kann. Der Überraschungshit "Enshrouded" ist da keine Ausnahme: Steineklopfen, Bäume fällen, Erz abbauen sind auch hier die Wege zum Erfolg. Aber das Spiel eines kleinen Entwicklerstudios aus Deutschland nimmt die Survival-Formel und biegt sie so geschickt zurecht, dass selbst das Grinden Spaß macht. Anfang der Woche knackte "Enshrouded" die Marke von einer Million Spielern, für ein Indie-Spiel eine kleine Sensation. DER STANDARD hat "Enshrouded" angespielt, mit der Mission herauszufinden, was das Spiel besser macht, als andere Vertreter des Genres.

Survival, anders gedacht

Aber der Reihe nach. Genretypisch startet man mit nur mit Unterwäsche bekleidet und sieht sich so relativ schnell den ersten Angriffen von Monstern ausgesetzt. Diese Bösewichte entstehen im Miasma. Das kann man zwar als Spielerin oder Spieler betreten, aber nur für kurze Zeit. Die Aufgabe: Das Miasma zurückdrängen und die Spielwelt vom Bösen zurückerobern.

Das Miasma, ein bläulich-rosafarbender Nebel, hat sich über der Welt ausgebreitet.
Screenshot/DER STANDARD

"Enshrouded" nimmt den Spieler aber stärker bei der Hand als andere Survival-Epen und macht das recht clever über Quests. Als erstes gilt es eine rudimentäre Waffe aus Tierknochen oder Ästen zu basteln, anschließend möchte ein Schmied aus einer finsteren Höhle befreit werden. Der ist aber kein gewöhnlicher NPC, sondern steht ab sofort im Lager bereit und schmiedet neue Rüstungen und Waffen, sobald er mit genügend Material versorgt wird. Sind genügend Aufgaben erfüllt, winken Fertigkeitspunkte, die auf einem Skilltree ausgegeben werden. So kann man die Spielfigur wahlweise zum zauberkundigen Heiler oder zum schwertschwingenden Haudrauf ausbilden.

Terraforming

Baut man sein erstes Gebäude, ist es auch Zeit, sich mit dem Terraforming-Feature vertraut zu machen. Mit eigenen Werkzeugen kann man wie in "Valheim" den Boden ebnen und darauf die Fundamente bauen. Damit fügen sich die eigenen Bauwerke organisch in die Landschaft ein und wirken nicht wie windschiefe Fremdkörper wie es in "The Front" oder "Sons of the Forest" öfter der Fall ist. Der Bau kennt übrigens kaum Physikregeln, was natürlich zum wilden Herumexperimentieren einlädt. Im Ersteindruck wirkt der Materialbedarf der Bauwerke auch sehr überschaubar, schon mit einer Handvoll Steinen lassen sich in wenigen Minuten einfache Gebäude errichten. Der Grind scheint sich also in angenehmen Grenzen zu halten.

Ein Hauch von "Elden Ring"

Das ist gut so, denn "Enshrouded" braucht an anderer Stelle mehr Aufmerksamkeit der Person vor dem Bildschirm: Die Welt ist nämlich voll mit Geheimnissen, die es zu erkunden gibt. Einmal ist eine versteckte Höhle, die man nur erreichen kann, wenn man ein Loch in den Boden oder in Felsen sprengt. Ein anderes Mal ist es ein verlassener Tempel in dem es Fallen zu entschärfen und Rätsel zu lösen gilt. Das erinnert in den besten Momenten an die Mini-Dungeons aus "Elden Ring" oder an die Abentuer mit Link in "Breath of the Wild". Bei den Soulslike-Vorbildern haben Keen Games auch Teile des Kampfsystems abgeschaut: Man kann mit Schilden blocken, bis die Ausdauer ausgeht, schafft man eine perfekten Block, kann man den Gegner kontern und massiv Schaden verursachen.

Haut der Riese dann doch mit einer Keule zu, bietet sich eine Ausweichrolle an, aber nur, wenn man über genug Stamina verfügt. Das alles ist aber keineswegs so gnadenlos, wie es klingt. Die ersten Gegner kann man noch leicht mit Button-Mashing besiegen, will man ein ganzes Lager von fiesen Monstern säubern, sollte man aber schon mit mehr Finesse oder in Überzahl vorgehen. Letzteres bietet sich ohnehin an, denn richtig Spaß macht das Survival-Abenteuer natürlich mit mindestens einem Mitspieler oder einer Mitspielern, oder eben einem ganzen Clan.

Die Flammenaltare dienen als Schnellreise- und Wiederbelebungspunkte.
Screenshot/DER STANDARD

Denn "Enshrouded" schafft es, genau den richtigen Ton zu treffen und für jeden Spielertypus ein Angebot parat zu haben: Wer nicht gerne baut, hat in ein paar Minuten eine adäquate Behausung aus der Erde gestampft und muss nie wieder das etwas hakelige Baumenü aufsuchen. Wer möchte, kann andererseits Stunden, wenn nicht gar Tage lang einen griechischen Tempel in die Landschaft mauern. Wer lieber auf abenteuerliche Erkundung geht und versteckte Schätze aus geheimen Höhlen plündert, wird ebenso auf seine Kosten kommen, ohne je in die ganz tiefen Feinheiten des Craftings eintauchen zu müssen.

Im Erkundungsdrang wird man als Spielerin oder Spieler ein wenig durch die Spielmechanik des Miasmas gebremst. In diesem bläulichen Nebel kann man sich nur fünf Minuten lang aufhalten, bevor man ihm zum Opfer fällt. Stößt man auf rosafarbenen Dunst, droht der sofortige Tod. Auf diese Weise werden Anfänger von höherstufigen Bereichen in der Spielwelt getrennt.

Das mag nicht besonders originell sein, passt aber in die Spielwelt und bringt eine stimmungsvolle Bedrohung. Ein wenig erschrickt man sich schließlich schon, wenn man plötzlich aus dem tödlichen Nebel heraus von einem Monster angegriffen wird. Segnet man doch einmal das Zeitliche, ist das auch nicht weiter tragisch. Man wird bei nächsten Feuerschrein wiederbelebt und verliert nur einen Teil seiner Ausrüstung, die man sich an der Stelle des Ablebens zurückholen kann. Dark Souls lässt auch hier wieder grüßen.

Die Lichtstimmung ist durchaus hübsch. Getrübt wird die Grafik aber von pixeligen Texturen. Am Mond kann man das gut erkennen.
Screenshot/DER STANDARD

Kein Grafikwunder

Grafisch reißt "Enshrouded" keine Bäume aus und damit ist nicht einmal der "Fortnite"-artige Comiclook gemeint, der ist schließlich Geschmackssache. Aber auf dem Testsystem (Ryzen 5800X3D, RX 6800XT) wirkte selbst bei hohen Einstellungen so manche Textur auf eine größere Entfernung arg matschig und verwaschen. Dafür entschädigen die Lichteffekte, die vor allem in den Höhlen und den nächtlichen Wäldern für ein wenig angenehmen Grusel sorgen. Das Spiel wurde ganz offensichtlich weniger auf High-End-Technik, sondern auf Genügsamkeit was die Hardwareausstattung betrifft, getrimmt. Diese Übung darf als gelungen angesehen werden: "Enshrouded" lief am Testrechner stabil mit 120 Frames bei 4k-Auflösung.

Enshrouded - Official Early Access Launch Trailer
Enshrouded

Fazit von Peter: Ich habe wieder Spaß am Survival

Ich persönlich kann nach einigen Stunden mit "Enshrouded" verstehen, warum das Spiel zu einem solchen Phänomen wurde. Ich habe seit "Rust" beinahe jedes Survival-Spiel mitgenommen und sie alle hatten nach einigen Stunden ein Problem: Irgendwann hat man nicht nur ein eigenes Haus gebaut, sondern eine regelrechte Festung errichtet und dann? Das ist der Punkt, an dem den meisten Titeln die Luft ausgeht. Viele Spiele versuchen das mit Player-versus-Player-Kämpfen im Endgame zu kompensieren, aber für Auseinandersetzungen mit anderen Spielern fehlen mir Zeit, Geduld und Nerven.

"Enshrouded" scheint sich da positiv abzuheben: Habe ich keine Lust mehr am Bauen, dann gehe ich eben erkunden oder verprügle ein paar Monster auf der Suche nach neuen Schätzen. Noch dazu hält sich der Grind in engen Grenzen und schon mit fünf Minuten Steineklopfen kann ich mir eine zumindest passable Behausung zusammenbasteln, hier wurde zumindest nicht versucht, durch absurd hohe Materialanforderungen die Spielzeit zu strecken. Dazu kommt ein Terraforming-Feature an dem ich fast schon kindliche Freude habe. Mal ehrlich: Wer schmeißt nicht gerne mit Sprengstoff um sich um zu sehen, wie tief man die Höhle tatsächlich in den Felsen sprengen kann. Wenn "Enshrouded" im weiteren Spielverlauf nicht die Luft ausgeht, hat es das Abenteuer von Keen Games geschafft, mir die Freude am Genre zurückzugeben.

Fazit von Alex: Die Welt reißt's raus

Ganz so euphorisch wie der Kollege bin ich nicht beim Thema "Enshrouded". Die Optik ist bestenfalls Mittelklasse und das Setting wirkt weder mutig noch innovativ. Auch zum Genre habe ich wenig emotionale Bindung. Klopf da, hau dort und dann fängt der nächste Loop an. Bei all der Kritik muss ich allerdings zugeben, dass das Game aus deutschen Landen auch einiges richtig macht.

Die Welt ist zumindest so spannend designt, dass ich die Höhle da vorne und das Gebäude dort am Horizont doch zumindest mal erkunden möchte. Im Multiplayer ist dann ohnehin eine eigene Dynamik, die auch "Enshrouded" sehr gut tut. Klassen spielen, die sich ergänzen oder auch unliebsame Aufgaben an den Kollegen abgeben - auf einmal sind wieder zwei oder drei Stunden vergangen. Wer Zeit sowie Entdeckerdrang mitbringt und technische Brillanz nicht als Must Have empfindet, der kann sich das Game durchaus mal anschauen.

Der Survival-Spaß lässt sich auch auf dem Steam-Deck genießen.
Brandnter/DER STANDARD

Fazit von Benjamin: Gefällt sogar Genre-Fremden

Eigentlich bin ich kein glühender Fan von Vertretern dieses Genres. Ich muss aber gestehen, ich bin auch einfach zu alt(modisch) dafür: Wenn ich mit einem Spiel wirklich etwas bauen will, dann versinke ich lieber stundenlang in einer Metropole aus "Anno 1800". Deshalb war ich am Anfang schon ein wenig skeptisch, als mir angeboten worden ist, ob ich mir "Enshrouded" auch mal anschauen mag. Na gut, warum nicht.

Ein paar Stunden später muss ich gestehen, dass mich das Spiel echt überrascht und deutlich mehr gepackt hat, als ich mir gedacht hätte. Richtig ist zwar, dass Crafting (aus meiner Perspektive) notwendiges Übel bleibt. Aber gerade weil es wunderbar intuitiv und unaufdringlich von Keen Games implementiert worden ist, kann ich mich darauf konzentrieren, was mich wirklich fesselt: Das Entdecken einer neuen Spielwelt und ihrer Geheimnisse.

Das klappt im Early Access übrigens nicht nur wunderbar am Gaming-PC, sondern auch schon am Steam Deck. Dass die Grafik nicht mit PC-Referenzen wie "Alan Wake 2" konkurriert, stört mich gar nicht. Ein bisschen schade finde ich es allerdings schon, dass "Enshrouded" kein HDR unterstützt. Das hätte der Optik wenigstens die Blässe genommen, die im starken Gegensatz zum Spielspaß steht. (Peter Zellinger, Alexander Amon, Benjamin Brandtner, 3.2.204)