Gerhard Karner hält FPÖ-Chef Herbert Kickl für einen Rechtsextremisten und nennt sein Verhalten "schäbig".
Heribert Corn

Bundeskanzler Karl Nehammer hat dem Kapitel Sicherheit, dem er auch die Bereiche Asyl und Migration zuordnet, in seiner Rede breiten Platz eingeräumt. Zuständig dafür ist Innenminister Gerhard Karner. Im Interview bemüht sich Karner um eine Präzisierung der Pläne, weitere Verschärfungen für Flüchtlinge sind geplant. Kritik übt Karner an FPÖ-Chef Herbert Kickl. Der sei ein Rechtsextremist und meine es nicht gut den Menschen.

STANDARD: Bei der Kundgebung gegen Rechtsextremismus vergangene Woche sind drei Männer auf dem Dach des Palais Epstein, das zum Parlament gehört, aufgetaucht und haben ein Transparent entrollt. Wie kann so etwas passieren?

Karner: Das wird ermittelt. Die Wiener Polizei macht das in Abstimmung mit dem Verfassungsschutz und der Parlamentsdirektion. Aber viel wichtiger ist doch, dass sich davor tausende Menschen versammelt haben, um ihre Abneigung gegen solche rechten Recken zu zeigen. Die Identitäre Bewegung, oder wie auch immer der Name gerade ist, steht jedenfalls unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

STANDARD: Wie groß schätzen Sie die Gefahr durch den Rechtsextremismus in Österreich ein?

Karner: Der islamistische Extremismus und auch der Rechtsextremismus sind jene Bereiche, von denen die höchsten Gefährdungen ausgehen. Wobei nach dem 7. Oktober der islamistische Extremismus noch Zulauf bekommen hat. Aber im Bereich des Verfassungsschutzes rangiert die Rechtsradikalität nach wie vor auch ganz oben.

STANDARD: Ist Herbert Kickl Rechtsextremist?

Karner: Nachdem er sich selber als solcher bezeichnet, gehe ich davon aus, dass er einer ist. Was besonders schäbig ist: Kickl gaukelt den Menschen, die Hoffnung in ihn haben, etwas vor. Diese Menschen haben Sorgen, Ängste, gerade im Zusammenhang mit der illegalen Einwanderung. Kickl macht mit diesen Sorgen sein Geschäft. Er meint es nicht gut mit den Menschen, sondern nützt ihre Sorgen und Ängste schamlos aus.

STANDARD: Die ÖVP spricht diese Sorgen und Ängste doch auch an. Im "Österreich-Plan" von Kanzler Nehammer werden Maßnahmen angekündigt, die es längst gibt: die Abnahme von Bargeld bei Asylwerbern, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit bei abgelehnten Asylwerbern oder auch der Entzug des Asyls bei Urlaub im Herkunftsland. Das ist rechtlich alles schon möglich. Wozu also dieses Getöse?

Karner: Es geht hier um einen Plan, den Nehammer skizziert: Wo wollen wir als Volkspartei 2030 sein? Da gibt es in meinem Verantwortungsbereich, Asyl und Migration, einige Punkte, bei denen wir nachschärfen müssen.

STANDARD: Gefordert wird bei Asylwerbern eine Abkehr von Geldleistungen hin zu Sachleistungen, das gibt es doch auch schon.

Karner: Im Bereich der Grundversorgung durch den Bund gibt es in den Betreuungseinrichtungen im Wesentlichen nur mehr Sachleistungen bis auf 40 Euro Taschengeld im Monat. In den Bundesländern ist das noch nicht umgesetzt. Es gibt in den Ländern Stimmen, die fänden es gut, wenn der Bund, sprich das Innenministerium, einen Vorschlag machen würde, wie man das ähnlich wie in Deutschland umsetzen könnte – mit einer eigenen Karte, über die man Sachleistungen beziehen kann. Ich halte das für einen sinnvollen und guten Vorschlag.

STANDARD: In Deutschland hat das Zentrum für die Entwicklung von Migrationspolitik, deren Generaldirektor Michael Spindelegger ist, eine solche Karte entwickelt. Wie weit ist man in Österreich damit?

Karner: Es macht aus unserer Sicht Sinn, die Geldleistungen auf Sachleistungen umzustellen. Das kann mit einer Art Scheckkarte funktionieren. Diese Diskussion wollen wir vorantreiben. Das soll in Österreich möglichst einheitlich sein, das werden wir bei der nächsten Konferenz der Landesflüchtlingskoordinatoren besprechen. Ich werde vorschlagen, dass man eine gemeinsame Vorgangsweise findet.

STANDARD: Mit Spindelegger gemeinsam?

Karner: Viele sind Ansprechpartner. Wir müssen schauen, wer das am besten umsetzen kann, da muss es eine Ausschreibung geben. Es ist unser Job, das vorzubereiten.

Gerhard Karner möchte als Innenminister den illegalen Zuzug nach Österreich und die Zahl der Asylanträge reduzieren. Das soll auch über die Reduktion der finanziellen Mittel geschehen.
Heribert Corn

STANDARD: Im "Österreich-Plan" ist auch eine fünfjährige Wartefrist für die Sozialhilfe vorgesehen. Das zielt eindeutig auf Ausländer ab, trifft aber auch alle Österreicher, die darauf angewiesen sind. Schießt das nicht völlig über das Ziel hinaus? Kritiker befürchten, dass das die Armut in Österreich massiv erhöhen wird.

Karner: Ich möchte erklären, warum ich das für sinnvoll halte. Die jungen Männer in einem Quartier bekommen 40 Euro Taschengeld pro Monat. Wenn sie einen positiven Asylbescheid bekommen, müssen sie spätestens nach vier Monaten diese Grundversorgungseinrichtung verlassen, dann bekommen sie die Sozialhilfe. Da bekommen sie von einem Tag auf den anderen 1080 Euro Sozialhilfe. Das animiert sie nicht dazu, sich offensiv eine Arbeit zu suchen.

STANDARD: Mit 1080 Euro macht man aber keine großen Sprünge, davon müssen die Leute Miete zahlen und ihren Lebensunterhalt bestreiten.

Karner: Diese Menschen sind einen ganz anderen LebensStandard gewohnt. Sie werden nicht animiert, Geld zu verdienen. Darum sollte man das stufenweise anheben und erst nach fünf Jahren zur Gänze ausbezahlen.

STANDARD: Was wäre denn Ihrer Meinung nach eine angebrachte Summe?

Karner: Die Idee ist, diese Menschen schrittweise an die 1080 Euro heranzuführen. Wie das gestaffelt ist, müssen wir uns im Detail ansehen.

STANDARD: Das zielt eindeutig auf Asylwerber ab, wie Ihre Beispiele zeigen, Sie treffen damit aber alle Menschen, die darauf angewiesen sind.

Karner: Die Asylwerber sind eine große Gruppe. Die Sozialleistungen sind ein wichtiger Grund, warum sich Menschen Richtung Europa auf den Weg machen. Das muss man ohne Schaum vorm Mund einfach ansprechen.

Die ÖVP möchte in Österreich eine allseits akzeptierte "Leitkultur" umsetzen. Mit Anzeigen, aber auch mit der Verständigung auf einen Grundkonsens, wie Karner ausführt.
Heribert Corn

STANDARD: In der Rede von Nehammer war von einer Leitkultur die Rede, von Anpassung und Integration. Die Top-fünf-Herkunftsländer mit den meisten Asylanträgen sind allesamt muslimisch geprägt, der Antisemitismus ist dort quasi Staatsdoktrin. Wie wollen Sie diesen Menschen unsere "Leitkultur" nahebringen?

Karner: Es ist doch selbstverständlich, sich an Gesetze zu halten, sich an eine Leitkultur zu halten, wie das der Bundeskanzler gesagt hat. Zur Leitkultur gehört auch ein klares Bekenntnis, gegen Antisemitismus aufzustehen. Es ist ein wesentlicher Teil unserer Kultur und unseres Zusammenlebens, wir haben hier auch eine besondere historische Verantwortung.

"Unsere Aufgabe ist es, gegen diesen islamistischen Antisemitismus, aber auch gegen diesen rechtsradikalen Mist aufzustehen."

STANDARD: Sich an Gesetze zu halten ist das eine, aber wer soll einen zwingen, eine Leitkultur zu akzeptieren oder kein Antisemit zu sein?

Karner: Aber wenn ich Antisemit bin, verstößt das gegen die Gesetze.

STANDARD: Der bloße Antisemitismus wohl noch nicht.

Karner: In Zusammenhang mit den Kundgebungen in Wien gibt es mehr als 70 Anzeigen. Beispielsweise "Tod Israel" zu rufen ist offen antisemitisch. Das wird zur Anzeige gebracht.

STANDARD: Mit ein paar Anzeigen werden Sie keine Leitkultur durchsetzen.

Karner: Aber es ist unerlässlich, hier hart durchzugreifen. Die andere Frage ist, wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen. Darum geht es in der Leitkultur. Verständigen wir uns doch auf einen Grundkonsens. Es ist Aufgabe eines Regierungschefs, Ziele zu formulieren und eine Richtung vorzugeben. Unsere Aufgabe ist es, gegen diesen islamistischen Antisemitismus, aber auch gegen diesen rechtsradikalen Mist aufzustehen. (Michael Völker, 3.2.2024)