Power, Hyrox, Sport, Messe Wien
Wer beim Hyrox startet, hat einiges vor: 1.000 Meter Rudern, zum Beispiel, einen 200 Meter langen Spaziergang mit Kettlebells und dergleichen mehr.
Hyrox

Der Schlitten verbreitet am meisten Angst und Schrecken. Das Metallgefährt wird mit Gewichten beladen und hat ein Kampfgewicht von bis zu 153 Kilo. Wer es in Bewegung setzen und 50 Meter an einem dicken Seil ziehen will, muss sich ziemlich anstrengen. Und danach noch einen Kilometer laufen. Dann Burpee-Jumps machen, also in die Höhe springen, sich auf allen vieren auf den Boden werfen, wieder hochspringen. 80 Meter lang.

Für die einen klingt das nach purer Quälerei. Für die anderen nach einer tollen Herausforderung. Kommendes Wochenende findet in der Messe Wien der Hyrox statt, ein Functional-Fitness-Bewerb, der, wie gern betont wird, für so gut wie jeden fitten Menschen machbar ist. Achtmal müssen Teilnehmerinnen und Teilnehmer dafür einen Kilometer laufen, dazwischen stehen neben dem Schlitten und den Burpees Rudergeräte, ein Ski-Ergometer, Ausfallschritte mit Sandsäcken und ein "Farmer's Walk" auf dem Programm.

All das kommt gut an: 3.000 Menschen gehen am Samstag in Wien an den Start. In 52 Städten auf der ganzen Welt gibt es heuer einen Hyrox, 250.000 Menschen machen insgesamt mit. 2022 waren es noch 45.000. In Japan, China und Südkorea wird der Hyrox heuer erstmals stattfinden. Brasilien steht für das kommende Jahr auf dem Plan. "Wir haben fast kein Event mehr, das nicht ausverkauft ist", sagt Moritz Fürste. Der frühere deutsche Hockeyspieler und Olympiasieger hat den Hyrox 2017 in Hamburg gemeinsam mit anderen ins Leben gerufen.

In der Sportwelt habe es damals eine Lücke gegeben, erklärt Fürste: das Fitness-Racing. Der Lieblingssport vieler Menschen sei heute das Fitnessstudio – nur gab es für jene, die sich an anderen und vor allem an sich selbst messen wollen, bislang keinen Wettkampf, von Crossfit-Bewerben abgesehen. Was für Läuferinnen und Läufer der Marathon als Königsdisziplin ist, soll für jene, die im Gym schwitzen, nun also der Hyrox sein.

Im Unterschied zu den meisten Marathons ist die Finisherquote unschlagbar hoch: Fast alle, die in der Messe Wien an den Start gehen, werden laut Statistik auch ins Ziel kommen. Dabei hilft, dass man nicht nur allein, sondern auch als Team antreten kann.

Den Schlitten bezwingen

Aber wie bereitet man sich auf diese Challenge vor? Wer im Alltag Kraft und Ausdauer trainiert, ist schon ganz gut dabei. "Mit ein bisschen Grundlagenfitness und zwei Monaten gezielter Vorbereitung kann das jeder schaffen", sagt Michael Kuhar, Cheftrainer beim Functional-Fitness-Gym F45 in Wien-Mariahilf.

Viele der Übungen, aus denen der Hyrox besteht, kennt man nämlich bereits aus dem Alltag: Der "Farmer’s Walk" funktioniert zum Beispiel wie das Tragen zweier Einkaufstaschen – auch wenn die Einkäufe ziemlich schwer ausfallen und man statt Sackerln Kettle­bells schleppt.

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Was für die einen nach ärgster Quälerei klingt, ist für andere das große Ziel.
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Neben F45 bieten auch mehrere andere Wiener Gyms mittlerweile Vorbereitungskurse an. Das Interesse sei groß wie nie, berichtet man einhellig. In den Kursen wird nicht nur nebeneinander geflucht und geschwitzt. Man erfährt dort auch, wie der große Tag abläuft und mit welchen Tricks man die Übungen bewältigt. Denn Ruder- und Ski-Ergometer und Kettlebells haben die wenigsten Menschen zu Hause herumstehen.

Großes Thema ist natürlich, wie man den gefürchteten Schlitten bezwingt: Um das Gefährt in Bewegung zu setzen, gehe es um die richtige Position am Schlitten, um möglichst stabil zu sein und die Kraft gut übertragen zu können. "Davor haben die meisten Teilnehmer Respekt", sagt Christian Binder, Cheftrainer bei Vigor Fitness, der die Vorbereitungskurse seit einem Jahr anbietet. "Das kann man am wenigsten vorab ausprobieren", sagt er. "Aber am Ende funktioniert es meistens."

Mindestens genauso entscheidend ist eine vermeintlich leichtere Disziplin: "Im Training muss man laufen gehen", betont Fitnesstrainer Kuhar, was vielen Kraftsportlerinnen und Kraftsportlern wohl die meiste Überwindung kostet. Aber die Rechnung ist einfach: Auf der Ein-Kilometer-Runde kann man die eine oder andere nicht so optimal gelaufene Übung wettmachen – sofern man es mit immer schwerer werdenden Beinen noch kann.

54 Minuten – oder mehr

Aber warum das Ganze? "Es macht doch Spaß, sich selbst herauszufordern", sagen Patrik und Nici, die während einer gemeinsamen Corona-Infektion vor wenigen Wochen beschlossen haben, es trotzdem oder gerade deswegen gemeinsam auszuprobieren.

Und rund 44 Prozent der Teilnehmenden sind Frauen. Es ist ein ganz großer Trend in der Fitnessbranche: Frauen wagen sich zunehmend an schwere Gewichte und Wettbewerbe heran. Auch Katia und Anna sind gemeinsam mit dabei: "Ich probier gern neue Sachen aus", sagt Katia. Nach dem Laufen diverser Halbmarathons und Marathons ist der Hyrox die nächste große Herausforderung. Katias Stärke ist die Ausdauer, Annas die Kraft. Und die Burpee-Jumps machen ihnen beiden Spaß.

Noch etwas macht den Reiz am Hyrox für den Trainer Christian Binder aus: Der Wettbewerb sieht überall auf der Welt genau gleich aus. "Beim Fußball werde ich nie wissen, wie es ist, neben Messi zu spielen", sagt Binder. "Beim Hyrox mache ich dieselben Übungen wie der Weltmeister."

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Beim Hyrox kann man auch im Team an den Start gehen.
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Nur braucht der für den gesamten Bewerb halt nur 54 Minuten und sehr langsame Teilnehmerinnen und Teilnehmer über drei Stunden. Die meisten, die zum ersten Mal an den Start gehen, verraten daher lieber gleich gar keine Zielzeit. Das Motto: Hauptsache durchkommen.

Es gibt Unterschiede

Was die Mentalität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer angeht, gibt es allerdings schon Unterschiede. "Die Österreicher sind den Deutschen nahe, wir sind etwas unterkühlter", sagt Moritz Fürste. "In Großbritannien, Australien oder Kanada geht man zusammen mehr ab."

Wie die Stimmung heuer in Wien ist, wird sich am Wochenende zeigen. Die letzten paar Tage vor dem Bewerb stehen für die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer keine harten Trainings mehr auf dem Programm, sondern viel Schlaf, Essen – Stichwort: Carbo­loading, also kohlenhydratreiche Nahrung – und Entspannung. Profis raten dazu, sich rechtzeitig Gedanken zum richtigen Schuhwerk zu machen und nicht auf die richtige Ernährung für den großen Tag zu vergessen.

Ab neun Uhr morgens starten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Samstag in der Messe Wien, alle paar Minuten wird eine weitere Startwelle ins Rennen geschickt. Letztlich wird es, wie fast immer im Leben, darum gehen, sich nicht anfangs schon komplett abzuschießen, sondern sein Tempo bis zum Schluss zu halten – und diesen verdammten Schlitten irgendwie in Bewegung zu setzen. (Franziska Zoidl, 6.2.2024)