Grammys
Joni Mitchell (80) unterbricht am Wochenende kurz ihren Ruhestand als Musikerin.
AFP/ANGELA WEISS

Joni Mitchell ist nicht bloß eine weitere Veteranin der Woodstock-Epoche. Sie erhält nun am Sonntag mit 80 Jahren sehr wahrscheinlich ihren zehnten Grammy für ihr spätes, 2023 erschienenes Livealbum Joni Mitchell at Newport verliehen. Das erste Mal in ihrer 60 Jahre währenden Karriere wird sie auch live bei der Zeremonie in Los Angeles auftreten.

Ohne die Kanadierin und ihre einzigartige Musik – und wohl auch ihren Durchsetzungswillen – wäre die reichlich späte Anerkennung von Frauen in der populären Musik nicht nur als hübsche Sängerinnen, sondern als ernstzunehmende Komponistinnen anders verlaufen, sehr wahrscheinlich noch langsamer. Den Weg zu einer der bis heute wirkungsmächtigsten Songwriterinnen des 20. Jahrhunderts musste sich die am 7. November 1943 als Roberta Joan Anderson in der kanadischen Provinz Alberta in einen gutbürgerlichen Haushalt geborene Musikerin hart erarbeiten.

Glück im Unglück

Im Alter von neun Jahren steckt sie sich mit Kinderlähmung an. Glück im Unglück, die Krankheit verläuft glimpflich. Ihr bleibt eine Fingerschwäche der linken Hand. Aufgrund dieser Einschränkung wird sie einen ganz eigenen Gitarrenstil mit ungewöhnlichen Harmonien entwickeln. Er wird zu einem ihrer Alleinstellungsmerkmale werden. Die Texte sind poetisch, ihre markante, oktavensprengende Stimme fliegt ohne Bodenhaftung über die Harmonien.

Bevor sie sich aber ganz der Musik widmet, geht Mitchell 1964 erst einmal nach Toronto und studiert Kunst. Sie wird schwanger, gibt ihr Kind zur Adoption frei. Sie ist kurz und glücklos mit dem Folksänger Chuck Mitchell verheiratet, behält aber seinen Namen.

Hinwendung zum Jazz

Nach dem Umzug nach New York und diversen Romanzen mit Leonard Cohen, Daavid Crosby oder Graham Nash wird sie ab 1969 im Laurel Canyon in Los Angeles und dessen legendärer Musikszene zur fixen Größe. Songs und Alben wie Big Yellow Taxi, Woodstock, This Flight Tonight oder Blue und Court And Spark machen sie zum Star. Zunehmend wendet sie sich freieren Formen wie dem Jazz zu. Alben wie Hejira oder Don Juan’s Reckless Daughter und Mingus spielt sie ab Mitte der 1970er-Jahre auch als Produzentin mit Leuten wie Jaco Pastorius, Wayne Shorter oder Herbie Hancock ein.

Längst sieht sich Mitchell heute vor allem als Malerin. Nach einem Schlaganfall 2015 sitzt sie im Rollstuhl. Die Kraft ihrer Musik allerdings bleibt weiterhin ungebrochen. (Christian Schachinger, 4.2.2024)