Steigende Preise, ein über immer mehr Dienste verteiltes Angebot, zunehmend aggressiver werdendes Vorgehen gegen "Password-Sharing": Irgendwie machen es einem Streamingdienste dieser Tage nicht gerade einfach, ihnen treu zu bleiben. Doch es sind nicht nur solche Dinge, die auf großen Streaming-Plattformen nerven. Auch bei den zugehörigen Websites und Apps muss man sich manchmal schon fragen, ob das einfach nur schlechtes Design oder bereits aktive Kundenvertreibung ist.

Disney+
Streamingdienste gibt es viele, Schwächen in diesen aber noch mehr. Im Bild: Disney+.
IMAGO/Bernd Feil/M.i.S.

Im Folgenden sollen ein paar der größten Nervigkeiten herausgestrichen werden. Das natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Erweiterungen in Form von Forenpostings sind also gern gesehen. Das gilt auch für Dienste, die im Artikel selbst nicht erwähnt werden.

Netflix macht vieles gut, aber ...

Beginnen wir mit dem bekanntesten dieser Dienste: Netflix. Generell muss zunächst einmal betont werden, dass Netflix gerade bei der technischen Umsetzung wohl noch die beste dieser Plattformen ist. Gerade die Apps von Netflix sind durchaus gut gelungen und wirken vor allem modern und flott, was man bei manchem Konkurrenten nur schwer behaupten kann.

Das heißt aber nicht, dass bei Netflix alles passt, wahrlich nicht. Da wäre einmal die Neigung des Dienstes, die eigenen Empfehlungen bei jedem Aufruf neu durcheinander zu wirbeln. Jetzt ist schon klar, dass das dazu gedacht ist, immer wieder neue Inhalte darzubieten, zumindest gewisse Elemente sollten aber ihren festen Platz haben.

Ein gutes Interface ist ein berechenbares Interface

So sollte etwa bei jedem Streamingdienst die "Continue Watching"-Reihe immer ganz oben stehen, immerhin ist sie für die Nutzerinnen und Nutzer oftmals die wichtigste. Das macht aber leider praktisch keiner dieser Dienste so. Stattdessen muss man sich auch bei Netflix oft durch Reihen an mehr oder weniger sinnvollen, "empfohlenen" Inhalten scrollen, um einfach mal die nächste Folge einer gerade geschauten Serie starten zu können.

Netflix
Das Netflix-UI ist oft unberechenbar, die Reihung der Kategorien wird wild durcheinander gewürfelt, das nervt.
Proschofsky / STANDARD

Auch warum die Topcharts immer an einer anderen Stelle zu finden sind, oder Reihen wie "Serien, die man nicht zu Ende gesehen hat", manchmal vorhanden, manchmal komplett weg sind, erschließt sich nicht. Also außer unter dem Gesichtspunkt, dass die Interessen der User nur im Hintergrund stehen, und es eigentlich mehr darum geht, künstlich die Klick- und Viewraten zu erhöhen. Aber das ist natürlich nur ein böser Verdacht.

Die Autoplay-Hölle

Apropos "künstliche Verbesserung von Zahlen". Autoplay-Elemente gehören generell verboten. Dass Netflix (wie leider auch so manch anderer Dienste) solche Dinge weiter einsetzt, nervt. Zumindest lässt sich das bei Netflix relativ einfach deaktivieren, und das empfiehlt sich auch.

Kommen wir zu einem Punkt, bei dem sicher nicht alle zustimmen werden, geht es doch um eines der zentralen Erkennungszeichen von Netflix. Aber ganz ehrlich: Es gibt wenig, das so nervt, wie der Netflix-Startsound. Ob beim Start der App oder zum Beginn jeder einzelnen Serienfolge, bei all dem wird man von dem wenig dezenten "Ta-dum" zuverlässig aus jeder sich auch nur in Spurenelementen einstellenden, entspannten Stimmung gerissen.

Besonders "spannend" ist das für jene, die am Abend zum Abschluss vergessen haben, die Lautstärke ihres Fernsehers wieder zu reduzieren. Kann dadurch doch am kommenden Morgen der Aufruf der App zu einem mittleren Herzinfarkt führen. Oder zumindest zu einer Katze, die aus ihrem Schlaf geweckt fluchtartig den Raum verlässt (Sorry dafür, Ascii und Pixel!)

Der Download, ein einziges Glücksspiel

Eine Extra-Erwähnung hat sich auch die Downloadfunktion von Netflix verdient: Wie oft darf ich jetzt eine Folge genau herunterladen? Wie lange bleibt die dann gespeichert? Und warum geht das plötzlich nicht, wenn ich einmal für ein paar Tage im Ausland bin? Also da, wo ich eben diese Funktion gerade brauchen könnte? Die lokale Speicherung von Filmen ist bei Netflix zwar fraglos nützlich, in der Praxis wirkt das Ganze aber oft mehr wie ein Glücksspiel als eine ernsthafte Funktion.

Was ebenfalls nervt: Netflix hält sich für etwas Besseres. Anders lässt sich das nicht sagen. Kein anderer Streamingdienst ist dermaßen wählerisch bei jenen Geräten, die unterstützt werden. So gibt es zahlreiche Geräte mit Android TV oder Chromecast-Fähigkeiten, auf denen so ziemlich alles läuft – außer Netflix.

Zudem verweigert sich Netflix gerne der Integration in andere Dienste, weil man offenbar der Meinung ist: "Du sollst keinen Streaming-Dienst neben Netflix" haben. Gut beobachten kann man das etwa bei der als Metadienst gedachten Oberfläche von Google TV, wo viele Dienste mitspielen, Netflix aber nur halb. So können etwa Netflix-Titel nicht in die globale Watchlist hinzugefügt werden, weil das der Streaminganbieter einfach nicht will.

Disney merkt sich alles auf ewig

Aber kommen wir mal zu einem anderen Dienst: Disney+. Wenn man mal davon absieht, dass dort subjektiv schon mal wochenlang so gut wie gar nichts Neues an Titeln hinzukommt, so verblüfft auch technisch, wie wenig sich bei dem Dienst seit dem Marktstart getan hat. Die Oberfläche ist weitgehend unverändert geblieben und wirkt in vielen Teilen einfach lieblos.

Selbst bei ganz offensichtlichen Nervigkeiten hat sich Disney bisher nicht bequemen können, dies auszuräumen. Wer etwa schon mal unabsichtlich auf einen Film geklickt hat, den man gar nicht starten wollte und dann nicht sofort wieder abgebrochen hat, der wird das Folgende kennen: Der besagte Titel befindet sich nun in der "Continue Watching"-Liste – und zwar für immer.

Disney+
Disney+ merkt sich jeden Titel, der irgendwann mal angefangen wurde. Egal ob man das will oder nicht.
Proschofsky / STANDARD

Eine Option, Titel aus dieser Liste zu entfernen, gibt es schlicht nicht. Bleibt nur mehr die Variante, bei besagtem Titel manuell bis zum Schluss vorzuspringen, um Disney+ einzureden, dass man auch brav aufgegessen – sorry: fertig geschaut – hat. Bei einem Film ist das zwar reichlich absurd, aber noch irgendwie machbar, wehe jedoch, das Gleiche passiert einem mal bei einer Serie, da kann man sich dann durch alle Folgen klicken.

Naheliegende Features, die keiner anbieten will

Ganz generell ist es – und das trifft längst nicht nur auf Disney+ zu – verblüffend, dass kaum ein Streaming-Hersteller auf die Idee kommt, so simple Funktionen wie "als gesehen markieren" oder "als nicht gesehen markieren" zu implementieren. So etwas gibt es bei so gut wie jedem privaten Media-Center, nur bei den großen Diensten scheint das ein No-Go.

Dabei sollte man doch denken, dass es im Interesse der jeweiligen Plattform sein sollte, solche Inputs zu erhalten, um die eigenen Empfehlungen verbessern zu können. Also selbst dann, wenn man sich nicht um die Interessen der Kundinnen und Kunden kümmert.

Prime Video: eine einzige große Werbefläche

Next up: Prime Video, und sagen wir es gleich direkt heraus: Was nervt an diesem Service eigentlich nicht? Die Oberfläche wurde vor ein paar Monaten komplett umgestaltet, das mit dem verblüffenden Ergebnis, dass sie noch immer grauenvoll ist – nur halt anders grauenvoll. So hat man das zweifelhafte Element von riesigen Empfehlungsflächen eingeführt, über die man schnell genug scrollen muss, um nicht sofort von einem Autoplay-Trailer erschlagen zu werden.

Generell ist Prime Video mehr eine Amazon-Werbefläche als sonst was. Die Übersicht ist eine wilde Mischung aus inkludierten und extra zu zahlenden Titeln. Dazu kommen dann noch Kanäle, die ebenfalls oftmals kostenpflichtig sind. Nicht zu vergessen, dass es jetzt dann mehrere Minuten Werbung pro Stunde gibt, so man nicht bereit ist, nochmal extra aufzuzahlen. Eine verblüffende Strategie für eine Videoplattform, die die meisten wohl ohnehin nur haben, weil sie bislang kostenlos beim Prime-Abo für schneller Paketzustellung mit dabei war.

Prime Video
Viel Glück bei der Irrfahrt durch die unterschiedlichen Werbeflächen von Amazon – zum Teil sogar mit Autoplay.
Proschofsky / STANDARD

Natürlich werden bei Prime Video dann noch jedem Titel Werbespots für andere vorgeschaltet. Wagt man es nach einem Titel zu suchen, landet man auf einer Liste, die nicht nur aussieht wie Amazons Handelsplattform, sondern es auch ist, und einzelne Staffeln einer Serie als unterschiedliche Einträge führt. Viel unübersichtlicher geht es kaum. Die Einstellungen von Prime Video sind sowieso ein wirres irgendwas.

Gut ist anders

Die technische Umsetzung ist oftmals ebenfalls zweifelhaft, auch wenn man zumindest die größten Absurditäten mittlerweile ausgeräumt hat. Legendär etwa die Zeiten, wo man noch auf einen komplett anderen Track wechseln musste, wenn man die verrückte Idee hatte, die Sprache zu ändern.

Apropos Sprache: Bis heute sind die Spracheinstellungen von Prime Video und des restlichen Amazon verknüpft, wer bei einem etwas ändert, tut das also auch bei dem anderen. Das ergibt zwar null Sinn, nervt dafür aber umso mehr.

Generell wäre es wünschenswert, dass Prime Video irgendwann in einen echten Streamingdienst verwandelt wird, anstatt dieses wilden Mix aus zwanzig unterschiedlichen Dingen. Einen, für den man dann zwar zahlt, wo aber alles Angezeigte auch wirklich inkludiert ist. Ein paar interessante Titel hat Prime Video ja durchaus im Angebot. Um dorthin zukommen, müsste Amazon natürlich auch technisch noch gehörig nachbessern, die Apps sind ja auch nicht gerade ein Meisterstück der Programmierung.

Apple TV+

Ein Unternehmen, das weiß, wie man gute Apps baut, ist fraglos Apple. Und tatsächlich ist Apple TV+ auf den ersten Blick einer der besser gelungenen Streamingdienste. Die Autoplay-Trailer auf der Startseite braucht zwar auch hier niemand, aber der Rest ist übersichtlich und vor allem gut sortiert. Zum Teil liegt das natürlich daran, dass das Angebot viel kleiner ist als bei den meisten Konkurrenten.

Umso verblüffender, dass es auch hier sehr offensichtliche Defizite gibt. Da wäre einmal der Umstand, dass Apple TV+ gerne mal die Position verliert. Man also beim Wechsel von einem Gerät auf das andere plötzlich wieder ganz woanders innerhalb eines Films oder einer Episode landet. Ein Phänomen, das leider auch andere Services plagt, bei Apple TV+ aber ziemlich häufig auftritt.

Apple TV+
Apple TV+ ist inoffizieller Weltmeister im Ausloggen. Kein anderer Dienst wirft so offensiv Geräte raus, wenn man es wagt, bei zu vielen eingeloggt zu sein.
Proschofsky / STANDARD

Dass es bei Apple TV+ keinen Support für Profile gibt, ist ebenfalls nervig, das gehört eigentlich bei allen anderen Diensten zur Grundausstattung. Aber klar, Apple will, dass wirklich jede Person einzeln für das Streaming bezahlt. Dass das auf geteilten Geräten wie einem Fernseher unsinnig ist, scheint man nicht bedacht zu haben, und so kommt man sich bei "Continue Watching" dauernd gegenseitig in die Quere.

Keine Werbung – außer für Apple, das aber viel

Gerade für ein Unternehmen, das sich so gern damit rühmt, nichts mit Werbung am Hut haben zu wollen, verblüfft, wie aggressiv die Eigenwerbung von Apple ist. Da ist der Abspann eines emotional aufwühlenden Films gerade mal ein paar Sekunden am Bildschirm, knallt einem Apple schon irgendeinen Trailer um die Ohren, wenn man sich nicht schnell genug dagegen wehrt. Das noch dazu oft für Titel, die man ohnehin schon gesehen hat.

Das größte Problem mit Apple TV+ bleibt aber, dass sich Apple irgendwie nicht so recht entscheiden kann, ob man ein ernsthafter Serviceanbieter sein will, oder das Ganze doch eher als Vehikel zum Hardwareverkauf gedacht ist. Der Android-Support ist entsprechend mehr als bescheiden. So gibt es zwar eine Android-TV-App, aber keine für Smartphones oder Tablet, die Logik mag verstehen, wer will.

Der Rest?

An der Stelle würden wir jetzt auch gerne etwas über HBO Max schreiben, die Realität ist aber, dass es den Dienst im deutschsprachigen Raum schlicht noch immer nicht gibt. Wie so oft ist daran genau das schuld, was Menschen außerhalb der Chefetage von Film- und TV-Studios besonders zu schätzen wissen: eine verwirrte Lizenzsituation, im Konkreten, dass Sky auf viele HBO-Titel vorerst (noch) exklusive Rechte hat. Apropos Sky: Über dessen Streamingqualitäten sei lieber der Mantel des Schweigens ausgebreitet – oder noch besser: dem Forum überlassen.

Wie gesagt, handelt es sich bei all dem nur um eine kleine Auswahl, aber auch eine, wo man sich ehrlich gesagt fragt, wieso die erwähnten Punkte eigentlich bei den Verantwortlichen niemanden auffällt. Das gilt freilich nur für einen Teil, ein anderer ist schlicht das Ergebnis der Interessen der jeweiligen Anbieter – und nicht jener der Konsumentinnen und Konsumenten.

Ein Gedankenspiel für die Anbieter

Nun mag es müßig sein über all das zu klagen, aber vielleicht so als wilder Gedanke für die Anbieter solcher Services: Warum sollte in Zeiten der explodierenden Preise und der immer größeren Zersplitterung der Service eigentlich irgendwer ein Abo behalten, wenn der eigene Media-Server die bessere User-Experience bietet?

Denn wenn die Vergangenheit eines gezeigt hat, dann das: Egal in welchem Bereich, es war immer derselbe Faktor, der Online-Piraterie zurückgedrängt hat – ein besserer Service. Wenn es zunehmend (wieder) die wenige mühsame Option wird, sich Filme und Serien irgendwo aus dem Netz zu besorgen, dann braucht sich niemand wundern, wenn auch die Piraterie wieder massiv zunimmt. (Andreas Proschofsky, 4.2.2024)