Karmen Nahberger zertifiziert den Winterwanderweg auf dem Rossbrand.
Stefanie Ruep

Schneebedeckte Bäume, fetzblauer Himmel, klare Aussicht und Schneekristalle, die in der Sonne glitzern – so stellt man sich eine gelungene Winterwanderung vor. Doch das Wetter spielt nicht mit. Frischen Schnee gibt es zwar auf dem Rossbrand im salzburgischen Filzmoos genügend, aber der Himmel ist grau und der Blick auf Dachstein und Bischofsmütze wolkenverhangen. Karmen Nahberger ist trotzdem am Vormittag auf dem Gipfelplateau auf 1.600 Meter Höhe unterwegs. Sie zertifiziert im Auftrag der Wanderdörfer Österreich den Winterwanderweg auf dem Rossbrand. Er führt von der Bergstation der Seilbahn in knapp neun Kilometern zum Gipfelkreuz und zur Radstädter Hütte – und retour.

Winterwandern erfreut sich unter den österreichischen Winterurlaubern immer größerer Beliebtheit, weiß Peter Donabauer vom Tourismusverband Filzmoos: "Der Gast wandelt sich und hat vielfältige Interessen. Es ist ein breiteres Angebot notwendig."

Zwar ist das Skifahren mit 60 Prozent für die Mehrheit der Wintergäste immer noch am populärsten, wie eine Studie der Österreich Werbung zeigt. Aber im langfristigen Vergleich würden Aktivitäten abseits der Pisten wie Tourenskigehen, Schneeschuh- und Winterwandern an Bedeutung gewinnen. Gäste, die mit dem klassischen Skifahren nichts oder nichts mehr anfangen können, will man für die "Winterfrische" begeistern. Winterwandern ist die ruhigste, entschleunigendste und einfachste Art, den Winter zu erleben und trotzdem aktiv zu sein.

Ohne Vorkenntnisse und Ausrüstung

Gegenüber der Schörgi-Alm, die auch Skifahrerinnen und Skifahrer zum Einkehrschwung lockt, beginnt der Winterwanderweg. Eine Tafel markiert den Einstieg und weist die Wintergäste auf die geteilte Nutzung des Wegs hin. Denn der Winterwanderweg verläuft entlang der Höhenloipe, die nebenbei je eine Spur zum Skaten und eine zum klassischen Langlaufen hat. Der Vorteil beim Winterwandern: Es braucht keine gesonderte Ausrüstung.

Weder Grödel, also kleine Eiserln wie Schneeketten für die Schuhe, noch Steigeisen oder Schneeschuhe sind nötig. Wasserfeste Schuhe genügen, um den gespurten Weg zu begehen. Das ist auch das Konzept der zertifizierten Winterwanderwege: "Ruhige, gut präparierte Wege, auf denen ohne spezielle Hilfsmittel und ohne besondere alpine Kenntnisse gewandert werden kann", erläutert Karmen Nahberger.

An sonnigen Tagen genießt man auf dem Winterwanderweg auf dem Rossbrand eine sensationelle Aussicht.
Tourismusverband Filzmoos / Michael Kuschei

Die studierte Geografin zertifiziert auch im Sommer Wanderwege im Auftrag der Österreichischen Wanderdörfer. Im Jänner waren die ersten neun Winterwanderwege an der Reihe. Neben dem Rossbrand eine Wanderung von Hinterthal in Maria Alm am Hochkönig zum Triefen-Wasserfall, in Schladming die Talbachklamm, in Altenmarkt der Zauchenbachweg und weitere Touren in Lech am Arlberg, in Seefeld, in der Wildschönau und in Ischgl.

Die Routen sind eher kürzer als die Sommerwanderungen, führen durch landschaftlich at­traktive Gegenden oft mit sonniger Lage und schöner Aussicht. Und im besten Fall kommen sie auch an der einen oder anderen Verpflegungsstätte vorbei.

Lawinensicher und mit Öffis erreichbar

Um einen einheitlichen Standard für die Gäste in den Regionen zu etablieren, haben die Wanderdörfer Österreichs gemeinsam einen Kriterienkatalog entwickelt. Als Vorbild dienten Kriterien, die auch in der Schweiz zur Anwendung kommen. Im Leitfaden steht, dass der Weg eine naturnahe Routenführung ohne Störfaktoren aufweisen soll. Zudem soll er sicher vor alpinen Gefahren wie Lawinen, Windbruch oder Steinschlag sein, beschildert oder markiert und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein. Karmen geht bei ihrer Zertifizierungstour die einzelnen Punkte durch, macht sich Notizen und dokumentiert die Ergebnisse auch fotografisch.

Der frische Schnee türmt sich auf dem Hüttendach.
Der frische Schnee türmt sich auf dem Hüttendach.
Stefanie Ruep

"Ein Winterwanderweg ist wesentlich aufwendiger zu warten", sagt der Leiter des Tourismusverbands Peter Donabauer. Auf dem Rossbrand wird der Weg täglich vom Team der Bergbahn präpariert, und sogar die Bankerln, von denen man bei schönem Wetter die Aussicht genießen kann, werden freigeschaufelt.

Der frische Schnee knirscht unter den Wanderschuhen. Auf dem in der Früh präparierten Weg hat sich bereits eine Schicht Pulver dazugesellt, der bei jedem Schritt luftig leicht herumwirbelt. Nach etwa einer Stunde ist das Gipfelkreuz des Rossbrands auf 1.770 Meter Höhe erreicht. Wäre die Sicht besser, würde man hier auf die Bischofsmütze und weitere 149 Gipfel blicken können. Aber auch das dichte Weiß hüllt die Gegend in eine besondere Stimmung. (Stefanie Ruep, 4.2.2024)