Denkt gar nicht daran, aus der SPÖ auszutreten: Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer.
Ian Ehm / VGN Medien Holding

Eigentlich war das Thema für SPÖ-Chef Andreas Babler so gut wie abgeschlossen: Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer habe zwar in der Causa Signa aus seiner Sicht "moralisch" nicht korrekt gehandelt, SPÖ-Mitglied dürfe er aber weiterhin sein. Denn die Statuten der Partei würden einen Ausschluss einfach nicht hergeben, argumentierte Babler. Doch die Sektion 8 der SPÖ Alsergrund sieht das anders und will dem Parteichef einen Strich durch die Rechnung machen. Sie bringt das Thema mit einem Antrag nochmals aufs politische Parkett und fordert Gusenbauers Ausschluss. Ein Überblick.

Frage: Wer ist die Sektion 8?

Antwort: Sektionen der SPÖ Wien sind die kleinste Organisationseinheit innerhalb der Landespartei. Sie sind formal mit den Ortsparteien in den restlichen acht Bundesländern vergleichbar. Jede Bezirkspartei in Wien hat mehrere Sektionen. Die Sektion 8 der SPÖ Alsergrund ist vor allem bekannt wegen Nikolaus Kowall, der sich im Frühjahr 2023 um den Vorsitz der Bundespartei beworben hat, seine Kandidatur aber wieder zurückzog, als Andreas Babler ankündigte, kandidieren zu wollen. Die Alsergrunder Sektion 8 fiel in der Vergangenheit schon öfter mit bundesweiten Forderungen auf, darunter etwa die Forderung nach mehr Basisdemokratie innerhalb der SPÖ.

Frage: Was steht in deren Antrag?

Antwort: Für die Sektion 8 ist der Ex-Kanzler ein in der "Öffentlichkeit stehendes Mitglied, das auch die Werte der Sozialdemokratie widerspiegelt". Zweifelhaftes Wirken würde sich deshalb auch auf die ganze Partei auswirken, heißt es unter anderem in der Antragsbegründung. Eine weiterbestehende Parteimitgliedschaft sei daher "parteischädigend". "Wir fordern die Bundespartei daher auf, ein Parteiausschlussverfahren gegen Alfred Gusenbauer einzuleiten", argumentiert die Sektion 8.

Frage: Wie läuft das Prozedere nach dem Antrag der Sektion 8 nun genau ab? Wie geht es weiter?

Antwort: Im Grunde hat sich an der Situation nichts verändert. Die Sektion 8 präzisierte im Nachgang, dass sie eigentlich kein Antragsrecht hätten. Dieses obliege der nächsthöheren Ebene, also der SPÖ Alsergrund. Der Antrag sei dort noch gar nicht diskutiert worden. Das soll erst bei der Jahreskonferenz der Bezirkspartei passieren.

Frage: Fordern abseits der Sektion 8 noch andere SPÖ-Organisationen den Ausschluss des Ex-Kanzlers?

Antwort: Neben der Sektion 8 äußerte auch der Tiroler SPÖ-Landeschef Georg Dornauer Kritik an Gusenbauer. "Ich empfehle ihm freundschaftlich, gegenüber unserer Partei genauso konsequent zu handeln, wie er dies auch innerhalb der Strabag tat", sagte er damals. Auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil will, dass Gusenbauer aus der Partei austritt. Oberösterreichs SPÖ-Vorsitzender Michael Lindner forderte ebenfalls eine Ruhendstellung der Mitgliedschaft.

Frage: Gab es schon Parteiausschlüsse innerhalb der SPÖ?

Antwort: Ja. Im vergangenen Herbst sorgte die Sozialistischen Jugend (SJ) Alsergrund mit antisemitischen Äußerungen für Ärger innerhalb der SPÖ. Hintergrund war der terroristische Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober, von dem sich die SJ-Organisation nicht distanzierte. Der Landesparteivorstand der Wiener SPÖ hat daraufhin sieben Parteiausschlüsse vorgenommen.

Betroffen waren Aktivisten der trotzkistischen Organisation "Der Funke", die auch Mitglieder der SJ und der SPÖ waren. Die politische Ausrichtung des "marxistischen Vereins 'Der Funke'" mit seiner "radikalen Nahost-Positionierung" lasse sich nicht mit einer sozialdemokratischen Wertehaltung vereinbaren, wurde damals der Parteiausschluss begründet.

Frage: Wann ist ein Parteiausschluss laut Statut möglich?

Antwort: Dafür eröffnet das Parteistatut nur wenige Möglichkeiten. Ein Ausschluss aus der SPÖ kann nur durch ein Schiedsgericht der Roten ausgesprochen werden. In "besonders dringlichen Fällen", wie es heißt, könne der Vorstand der Bundespartei oder einer der neuen Landesparteivorstände jemanden aus der Partei werfen, "um politische Gefahren abzuwenden". Dafür muss ein Mitglied "schwerwiegend" gegen das Statut verstoßen haben oder zu einer unbedingten Freiheitsstraße von mehr als einem Jahr verurteilt worden sein. Vermutlich läge die Zuständigkeit im Fall Gusenbauer zunächst einmal beim Schiedsgericht.

Frage: Wie realistisch ist es, dass Gusenbauer tatsächlich aus der SPÖ ausgeschlossen wird?

Antwort: Vermutlich eher schlecht. Gusenbauer ist ein ehemaliger Kanzler und SPÖ-Vorsitzender. Das ist aber viele Jahre her. Mittlerweile ist der gebürtige Niederösterreicher nur noch einfaches Mitglied – wenn auch ein sehr prominentes. Das schmälert allen voran seine aktuelle Rolle in der SPÖ.

Inwieweit Gusenbauer als Aufsichtsratschef der insolventen Signa Prime Selection AG und Signa Development Selection AG und ehemaliger Beirat der ebenfalls insolventen Signa Holding als "politische Gefahr" anzusehen ist oder gegen welche Regeln er im Statut verstoßen haben könnte, stellt wohl auch das Team in der roten Parteizentrale vor eine schwierige Aufgabe. Dass Gusenbauer mit der Signa viel Geld verdient hat, mag man in der SPÖ als moralisch verwerflich empfinden, könnte aber als Ausschlussgrund nicht ausreichen. Ebenso wenig dürfte das Argument durchgehen, dass Gusenbauer den heurigen Wahlkampf der SPÖ gefährde. Wird Gusenbauer wegen theoretisch schlechter Umfragewerte in der Zukunft ausgeschlossen, könnte das künftig ja nicht nur ihm blühen. Eine strafrechtliche Komponente hat die Signa-Affäre für Gusenbauer bisher nicht angenommen.

Frage: Was sagt Gusenbauer zu alldem?

Antwort: Gusenbauer lehnt einen Parteiaustritt dezidiert ab. Er sei seit fast 50 Jahren in der SPÖ tätig, bekenne sich zu ihren Idealen, und das werde sich auch nicht ändern. Das sagte der Ex-Kanzler unlängst Ö1. Und führte aus: "Erstens hat die SPÖ die Wahl noch nicht verloren, und ich bin zuversichtlich, dass sie sich gut schlagen wird. Und zum Zweiten, zu versuchen, etwaige nicht erreichte Ziele auf mich abzuschieben, wäre eine ziemlich billige Angelegenheit."(Jan Michael Marchart, Max Stepan, 5.2.2024)