Die ÖVP will Geflüchteten das Bargeld entziehen.
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Es war ein kalkuliertes Aufregerthema, das die ÖVP Ende vergangener Woche platzierte: Er wolle auch in Österreich eine Bezahlkarte für Asylwerberinnen und Asylwerber nach deutschem Vorbild einführen, sagte Innenminister Gerhard Karner dem STANDARD. Auf eine solche Guthabenkarte sollten Asylwerbende in der Grundversorgung künftig die monatlichen Beträge für Verpflegung – je nach Bundesland um die 200 Euro – plus die üblichen 40 Euro Taschengeld überwiesen bekommen. Die Karte solle demnach den Einkauf in ausgewählten Geschäften ermöglichen. Abhebungen von Bargeld wären damit laut der türkisen Idee nicht möglich. Die Auszahlung des Verpflegungsgelds in bar, wie in manchen Bundesländern noch Praxis, solle damit ohnehin der Vergangenheit angehören.

Die ÖVP will damit verhindern, dass Geldbeträge etwa an Familienangehörige in den Herkunftsländern überwiesen werden – und sieht im forcierten Bargeldentzug auch einen negativen Anreiz für Menschen, überhaupt in Österreich um Asyl anzusuchen. Konkrete Zahlen oder Daten über befürchtete Überweisungen ins Ausland lieferte Karner allerdings nicht mit. Es gebe keine ihm bekannte Evidenz, dass vom monatlichen Verpflegungsgeld – der Betrag liegt weit unter dem Existenzminimum in Österreich – "große Mengen an Geld abgespart werden können, um sie irgendwohin zu überweisen", sagte Lukas Gahleitner-Gertz vom Verein Asylkoordination.

Reine "Bargeldkarte" in Tirol

Der grüne Koalitionspartner erteilte der Idee des Innenministers - zumindest in der vorliegenden Form - eine Absage. Gegen eine Bezahlkarte spreche grundsätzlich zwar ebenso wenig wie gegen die Ausbezahlung des Verpflegungsgeldes per Überweisung statt in bar, sagten etwa Klubobfrau Sigrid Maurer und Asylsprecher Georg Bürstmayr. Voraussetzung sei aber, dass mit der Karte auch Bargeld abgehoben werden könne. Das werde etwa gebraucht, wenn Asylwerbende ihren Kindern Geld für einen Schulausflug mitgeben müssten. Auch die SPÖ-regierten Bundesländer zeigten sich gegenüber dem türkisen Vorschlag ablehnend.

Karner hatte im STANDARD angekündigt, eine gemeinsame Lösung mit den Bundesländern finden zu wollen. Denn die Grundversorgung während des Asylverfahrens ist Ländersache – und dementsprechend unterschiedlich geregelt: Während Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg das Geld bisher in bar auszahlen, gibt es in einem einzigen Bundesland bereits eine digitale Bezahlkarte für Asylwerbende: in Tirol. Aber wie funktioniert die Karte dort genau?

Der entscheidende Unterschied zu den Vorstellungen Karners: Mit der Tiroler Bezahlkarte kann Bargeld abgehoben werden. Den Asylwerbenden werden jeweils in der ersten Woche des Monats 245 Euro für Verpflegung, zwölf Euro für Bekleidung und 40 Euro Taschengeld aufgebucht. Abgewickelt wird das seit sieben Jahren etablierte Kartensystem über die Hypo-Landesbank. Die Inhaber können mit der Karte nicht digital bezahlen, dafür aber bei jedem Bankomaten Geld abheben. Und noch eine weitere Einschränkung unterscheidet das System von einer üblichen Bankomatkarte: Überweisungen ins Ausland sind damit nicht möglich.

Dornauer: "Nicht mit Deutschland vergleichbar"

Dass mit der Tiroler Bezahlkarte kein Geld in Herkunftsländer transferiert werden kann, betont auch das Büro von Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer (SPÖ), der in Tirol für die Integrationsagenden zuständig ist, in der Beantwortung einer STANDARD-Anfrage. In Tirol werde das Geld auf spezielle Konten überwiesen. Sie hätten sich "besonders bewährt, da die unbare Auszahlung schneller und sicherer ist". Die Konten seien "geprüft und personifiziert".

Das in Deutschland aktuell diskutierte System "mit Lebensmittelgutscheinen" sei jedenfalls keinesfalls vergleichbar mit Tirol, wie betont wird. Ob sich Dornauer eine Anpassung im Sinne des ÖVP-Vorschlags – Sperre von Bargeldabhebungen, ausschließlich digitales Bezahlen in ausgewählten Geschäften – vorstellen könnte, lässt sein Büro dagegen auch auf Nachfrage unbeantwortet.

Fraglicher Datenschutz

Wie auch immer die ÖVP eine solche Karte umsetzen will – konkrete Vorschläge hat Karner bis zum Sommer angekündigt: Entscheidend wird auch die Frage des Datenschutzes sein. Der Rechtsinformatiker Nikolaus Forgó sagt, dass sich diese erst bewerten lasse, wenn ein konkreter Gesetzesvorschlag vorliege. Rechtlich heikel wäre aber etwa ziemlich sicher, "wenn sich Rückschlüsse auf sensible Daten ziehen ließen, etwa Apothekeneinkäufe", sagt er zum STANDARD. Genauer zu prüfen wäre zum Beispiel auch, wenn Daten länger gespeichert würden oder wenn sich ein Persönlichkeits- oder Bewegungsprofil aus den Daten ableiten ließe. (Martin Tschiderer, Muzayeen Al-Youssef, 5.2.2024)