Laura Sachslehner plädiert im Gespräch mit dem STANDARD für eine "Asylobergrenze null".
IMAGO/SEPA.Media

Wenige ÖVP-Politikerinnen polarisieren so wie Laura Sachslehner. Dabei hat sie in der Bundespartei inzwischen gar keine Funktion mehr. Dass sie provoziert, liegt an Sachslehners Naturell. Sie liebt die Konfrontation, hat kein Problem damit, aufzufallen – besser negativ, als gar nicht. Vor allem aber geigt Sachslehner mit großer Leidenschaft anderen ihre Meinung – bevorzugt in sozialen Medien oder im Fernsehen. Das Motto lautet in etwa: "Besser überall anecken, als die eigenen Ideen erst gar nicht zu verbreiten". Laura Sachslehner ist die womöglich dickhäutigste Politikerin des Landes. Auch in ihrer eigenen Partei regt sie auf. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben. Ein guter Anlass, einmal wieder mit ihr zu sprechen.

Sachslehner sitzt in einem kleinen Besprechungsraum des STANDARD und macht, was sie am liebsten tut: schimpfen. In ihrem neuen Buch will sie die "Lügen linker Politik" entlarven. Es gehe dabei aber nicht über lügende Politiker im politischen Alltag, sondern "stupide und erfundene Narrative", die jeder glaube – zu Unrecht, meint Sachslehner. Ein Beispiel sei die Begriffspaarung "menschliche Flüchlingspolitik". "Da glaubt jeder zu wissen, was damit gemeint sein soll, ohne zu hinterfragen, was daran menschlich ist, dass sich hier Scharen an jungen problematischen Männern niederlassen – unter dem Deckmantel von Asyl."

Und jetzt? "Die schonungslose Wahrheit"

Es ist noch nicht lange her, da war Sachslehner Generalsekretärin der ÖVP. Sie bekam den Job unter Kanzler und Parteichef Karl Nehammer. Im September 2022 schmiss sie nach nur neun Monaten hin. Nehammer und sie haben nie zueinandergefunden, irgendwann ging es nicht mehr. Heute gilt Sachslehner als Parteirebellin und Gesicht des rechten Flügels der Volkspartei. Sie ist eine der letzten Türkisen, ein Überbleibsel aus der Ära Sebastian Kurz. Die meisten Vertrauten rund um den Ex-Kanzler haben die Politik nach und nach verlassen. Sachslehner ist zwar weiterhin Verfechterin der Kurz'schen Herangehensweise, aber sie blieb. Aktuell ist sie Abgeordnete im Wiener Landtag.

"Das gesamtpolitische Problem ist, dass sich die Menschen nicht mehr angesprochen fühlen, weil Politiker nur noch über Dinge reden, die einen nicht interessieren oder die mit den eigenen Sorgen nichts zu tun haben", sagt Sachslehner. Ihre Erklärung lautet: "Weil kaum noch jemand Klartext spricht in der Politik." Dem will sie etwas entgegensetzen – und zwar, wie sie es formuliert: "die schonungslose Wahrheit".

Tatsächlich hat Sachslehner kein Problem damit, Sätze auszusprechen, die auch in ihrer Partei immer wieder fallen, aber eben selten öffentlich. Einer lautet: "Natürlich müssen wir die Menschenrechtskonvention überdenken. Es kann nicht sein, dass wir bestimmte Regelwerke als sakrosankt betrachten." Gewisse "Herausforderungen unserer heutigen Zeit" seien schlichtweg nicht bedacht worden, als die Flüchtlingskonvention geschrieben wurde, ist sie überzeugt. "Auch das Strafrecht wird novelliert, wenn es nicht mehr zeitgemäß ist", sagt Sachslehner. Dass Österreich allein die Menschenrechtskonvention ohnehin nicht ändern könnte, lässt sie als Argument nicht gelten: "Natürlich ist das mit langwierigen Prozessen verbunden, aber wenn man nicht irgendwann damit anfängt, das zu diskutieren, wird sich nie etwas tun."

Die parteiinterne Wutbürgerin

Migration und Asyl sind die beiden Lieblingsthemen Sachslehners. Auch ihr neues Buch "Schamlos" dreht sich an mehreren Stellen um Migrationsfragen. Erscheinen wird es am 19. Februar im Seifert-Verlag. "Es lassen sich nicht alle Menschen integrieren, da können wir uns noch so anstrengen", sagt Sachslehner. "Und wenn man das ausspricht, erscheint man automatisch unmenschlich. Das kann doch nicht sein."

Man könnte sagen: Sachslehner wurde über die Jahre zur Wutbürgerin der ÖVP – und sie wird nicht müde, das ihre Partei auch wissen zu lassen. "Die ÖVP hat es in den vergangenen Jahren zu einem gewissen Grad verabsäumt, klar zu kommunizieren, welche Probleme es gibt", sagt Sachslehner. "Wir müssen Herbert Kickl und der FPÖ den Nährboden entziehen, indem wir die Sorgen und Ängste der Menschen klar adressieren und Lösungsvorschläge präsentieren." Aber was empfiehlt sie ihrer Partei konkret?

In ihrem ersten Buch forderte Sachslehner Asylverfahren auf europäischen Überseeinseln und die Möglichkeit einer "Oma-Karenz". Das Karenzmodell für Großeltern hat Nehammer nun in seinen "Österreich-Plan" aufgenommen. Ungefragt, versteht sich. In ihrem neuen Buch beschreibt Sachslehner unter anderem ihre Idee eines "Österreich-Eids", den Menschen leisten sollten. Die Neos haben gerade mit einem ähnlichen Vorstoß aufhorchen lassen: einem groß inszenierten Schwur bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft. Sachlehner aber geht wie immer einen Schritt weiter: "Von allen Menschen, die zu uns kommen, sollten wir von Tag eins einen Österreich-Eid einfordern. So können wir gleich zeigen, was wir uns von ihnen erwarten."

Ein "Österreich-Eid" müsse nach ihrer Vorstellung ein Bekenntnis zu den demokratischen Grundsätzen, den Grundrechten und der Gleichstellung von Mann und Frau beinhalten. "Und natürlich auch ein Bekenntnis zu unserem Wertefundament", sagt Sachslehner. Sie selbst ist 29 Jahre alt und gebürtige Wienerin, ihre Mutter hat polnischen Migrationshintergrund.

Sachslehner will "Asylobergrenze null"

Sachslehner fordert nun Härte allen gegenüber, "die nicht kompatibel mit unserer Gesellschaft sind". Wobei sie sich von den "Remigrationsplänen" der Rechtsextremen distanzieren wolle. "Alles, was den Rechtsstaat unterwandert und auch nur den Anschein hat, extremistisch zu sein, ist klar zu verurteilen", sagt sie. Gleichzeitig gebe es "ein Problem mit Zuwanderung, das Fakt ist". Und da ist Sachslehner weitgehend auf Linie mit Nehammer: Das europäische Asylsystem gehöre neu aufgestellt, Asylverfahren nach außen verlagert. "Das Passieren unserer Außengrenzen kann kein Freifahrtsschein durch den europäischen Kontinent sein", sagt sie. Und dann steigt sie doch wieder einen Schritt weiter nach rechts als ihre Parteiführung: "Ich plädiere für eine Asylobergrenze null." Diesbezüglich gehe Ungarn "den richtigen Weg".

Sachslehner wird wohl auch im Wahlkampf keine Ruhe geben, ihre Meinung äußern, ihre Partei herausfordern und provozieren. Ihre bevorzugte Koalition war jene mit der FPÖ. Dass Nehammer nun Herbert Kickl eine Absage erteilt, könne sie dennoch nachvollziehen. "Mit dem geht es einfach persönlich nicht." Wie es mit ihr persönlich weitergeht? Wird sie für den Nationalrat kandidieren? "Jetzt habe ich einmal mein zweites Buch geschrieben", sagt sie und grinst. (Katharina Mittelstaedt, 11.2.2024)