In Deutschland hat sich die Ampelkoalition nach monatelangem Ringen auf eine Kraftwerksstrategie geeinigt. Wie Kanzleramt, Wirtschafts- und Finanzministerium am Dienstag bekanntgaben, sollen so die Versorgung mit klimafreundlichem Strom auch in Zeiten mit wenig Wind und Sonne sichergestellt und die Abkehr von fossilen Brennstoffen vorangetrieben werden.

Das Ziel der Regierung ist, dass bis 2030 mehr als 80 Prozent der elektrischen Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. Derzeit ist es, abhängig von der Jahreszeit, etwa die Hälfte. Da Wind und Sonne aber nicht durchgängig Energie liefern, müssen Energiespeicher oder Kraftwerke, die grundlastfähig sind, mögliche Versorgungslücken ausgleichen.

Eine Wasserstoffanlage im nordfranzösischen Port-Jérôme.
AFP/LOU BENOIST

Grüner und blauer Wasserstoff

Die deutsche Regierung plant deshalb, zunächst den Bau von Gaskraftwerken mit einer Leistung von bis zu zehn Gigawatt zu fördern. Die Kraftwerke sollen in den 2030er-Jahren komplett auf Wasserstoff umgestellt werden. Gefördert werden sollen laut Informationen des "Spiegel" sowohl die Errichtung als auch der Betrieb der Kraftwerke – etwa, indem die Preisdifferenz zwischen Erdgas und Wasserstoff teilweise vom Staat erstattet wird.

Rund 16 Milliarden Euro will die Regierung dafür über einen Zeitraum von 20 Jahren in die Hand nehmen. Später soll sowohl grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, als auch blauer Wasserstoff gefördert werden. Letzterer wird aus fossilen Energieträgern hergestellt, die dabei entstehenden CO2-Emissionen sollen aber abgeschieden und gespeichert werden.

Geld für Reservekapazitäten

Im Sommer hatte Wirtschaftsminister Robert Habek (Grüne) bereits ein Konzept vorgelegt, das sowohl umrüstbare Gas- als auch reine Wasserstoffkraftwerke mit einer Leistung von rund 25 Gigawatt umfasste. Das Paket hätte den angespannten deutschen Staatshaushalt mit 40 Milliarden Euro aber wesentlich mehr belastet. Da nun zunächst auch mit Gas betriebene Kraftwerke gefördert werden, erhofft sich die Regierung einen schnelleren Zubau von Kapazitäten.

Zusätzlich soll bis Sommer ein marktbasierter Kapazitätsmechanismus erarbeitet werden, der 2028 starten soll. Statt Geldes für gelieferte Energie zu bekommen sollen Kraftwerksbetreiber dafür entlohnt werden, wenn sie Kapazitäten vorhalten, die bei Strommangel ans Netz gehen können.

Rund ein Viertel des in Deutschland verbrauchten Stroms wird derzeit aus Kohle erzeugt.
IMAGO/Christoph Hardt

FDP pocht auf Technologieoffenheit

Die Ausgestaltung ist aber noch offen. Die FDP soll etwa auf die Technologieoffenheit eines solchen Mechanismus drängen. So wäre es etwa möglich, dass auch fossile Kraftwerke mit CO2-Abscheidung, Batteriespeicher oder sogar Fusionskraftwerke zur geförderten Kapazitätsreserve zählen.

Die Energiebranche wartet jedenfalls bereits seit Jahren auf einen Plan – die neue Einigung begrüßte sie überwiegend. Kritik kommt aus der Opposition und von Umwelt-NGOs. Die Unionsparteien warfen der Regierung vor, es bleibe bei Ankündigungen, und die Finanzierungsfrage sei ungeklärt, Planungssicherheit für Investoren sei nicht gegeben. Für die Deutsche Umwelthilfe führt der Plan in eine "fossile Sackgasse", fördere er doch den Bau neuer klimaschädlicher Gaskraftwerke.

Im dritten Quartal des Vorjahres stammten laut Statistischem Bundesamt rund 60 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energieträgern, der Rest aus fossilen Quellen. Allein 24 Prozent seines Strombedarfs deckt Deutschland durch Kohle, den schmutzigsten aller Energieträger. Der Anteil erneuerbarer Energien in Deutschland nimmt aber rasch zu.

In Österreich liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix bereits bei über 80 Prozent. Seit vergangenem Sommer wird im Gaskraftwerk Donaustadt mit der Beimischung von Wasserstoff experimentiert. (pp, 6.2.2024)