¡Espectacular! Filmarchiv Austria mexiko
Maura Monti spielte Batwoman, später wurde sie Revolutionärin.
Filmarchiv Austria

Das umgekehrte Rufzeichen im Spanischen gibt den Ton an, hier wird es ¡Espectacular!: Das Filmarchiv holt das mexikanische Populärkino von 1940 bis 1970 nach Wien. Und das hält nicht nur Luchadoras, Desperados und Rumberas (Wrestlerinnen, Gesetzlose und Rumba-Tänzerinnen) bereit, sondern auch moderne Melodramen und sozialkritischen Film noir.

Dreizehn digital restaurierte Beiträge der letztjährigen Retrospektive vom Filmfestival in Locarno, ergänzt durch drei Filme in analogen Exportkopien aus dem Filmarchiv Austria, werden bis Ende Februar im Metro-Kino gezeigt. Die Filme haben keine Scheu vor dem Spektakel, gehen aber weit über Eskapismus hinaus. "Was dieses Kino so erstaunlich frisch, aufregend und inspirierend macht, ist seine innere Unruhe – eine Kunst der konstanten Suche nach neuen Formen und Geschichten, immer hart am Zeitgeist", schreibt Kurator Olaf Möller.

Wer also gern den Kopf einschaltet, kann sich wunderbar Gedanken machen über kulturelle Aneignung in alle Richtungen, postkoloniale Identitäten, Klassenkonflikte und Geschlechterverhältnisse – und überhaupt die gesellschaftlichen Strukturen, die im Unterhaltungskino schön deutlich zutage treten.

Kosmopolitische Kinoszene

Diese Kinohandwerkskunst ist nebenbei auch die Ursuppe, aus der die "Tres Amigos" Guillermo del Toro, Alfonso Cuarón oder Alejandro González Iñárritu ihre fantastischen Hollywood-Erfolge speisen.

Das fantasievolle Kino der goldenen Ära Mexikos ist eine Ursuppe, aus der aktuelle Regisseure gerne schöpfen.
Das fantasievolle Kino der goldenen Ära Mexikos ist eine Ursuppe, aus der aktuelle Regisseure gerne schöpfen.
Filmarchiv Austria

Das Mexiko von damals und seine Filmindustrie waren ihrerseits ein kosmopolitisches Auffangbecken für Auswanderer, wenn auch weltkriegsbedingt nicht für alle freiwillig. So inszeniert der gebürtige Frankfurter Alfredo B. Crevenna mit Muchachas de Uniforme ein mexikanisches Remake der lesbischen Internatstragödie Mädchen in Uniform aus der Weimarer Republik.

Miroslava, die Hauptdarstellerin des im vorrevolutionären Kuba gedrehten klassenkämpferischen Melodramas Más Fuerte que el Amor, floh als Adoptivtochter eines jüdischen Psychoanalytikers 1939 aus der Tschechoslowakei nach Mexiko. Dort wurde sie zu einem Star ohne Nachnamen, drehte ihren letzten Film mit Luis Buñuel und starb mit nur 29 Jahren. Und der italienischstämmige Popkinostar Maura Monti kehrte der Filmwelt den Rücken, um mit den Zapatisten als Dorfschullehrerin zu arbeiten.

Mexikos goldene Ära

Montis größter Auftritt ist in der Wiener Auswahl dabei: A Mujer Murciélago, die mexikanische Batwoman, die irgendwo auf halbem Weg zwischen US-Fernsehvorlage und türkischem Low-Budget-Film angesiedelt ist. Im Acapulco des Jahres 1968 macht sie sich mit lila Bikini, Umhang und Maske auf Verbrecherjagd und trainiert nebenbei noch Lucha-Libre-Kämpferinnen.

Es ist ein Kino der charismatischen Frauenfiguren, ein Kino der Körper und Blicke, mit großen Gesten inszeniert von Filmhandwerkern, die es genießen, mit ihrem Publikum zu spielen. Geschichten, deren Verführung man ebenso ausgeliefert ist wie ihre Figuren. Ein "spektakulärer" Ausflug in Mexikos goldene Kinoära. (Marian Wilhelm,6.2.2024)