Adele
Adele bei einem Auftritt im Februar 2022 in London. Im August wird sie ihre souligen Hits über das Verlassenwerden in Bayern zelebrieren.
AFP/TOLGA AKMEN

Die Idee ist nicht neu, die Welt aber mittlerweile dafür bereit. Pop-Superstar Adele wird im August 2024 von Las Vegas nach München wechseln. Als musikalische Attraktion im Colosseum-Theater des Hotels Caesars Palace wird sie freigestellt, um auf die "Sonderfreifläche an der Messe München" zu wechseln. Adele geht nicht gerne auf Tour und ist mehr für feste Hände und regelmäßige Dienstzeiten als für fahrendes Volk und Hotelsuiten und Flughäfen veranlagt. Sie kann sich das leisten. Das Anstrengende an Konzerten sind ja nicht die körperlich erschöpfenden Konzerte, es sind die 22 restlichen Stunden des Tages. Die will sie nicht in Privatjets und Limousinen verbringen.

Zehn Konzerte vor jeweils 80.000 Besuchern wird die Britin in einem eigens dafür aufgebauten Pop-up-Stadion geben. Ihre erste Europatournee seit 2016 wird ausschließlich in der bayerischen Metropole stattfinden, die sich einige Wochen vor dem Oktoberfest über den unerwarteten Konzerttourismus freut. Der seit Jahr und Tag gewohnte Dienstplan wird ab dem 2. August von Adele strikt eingehalten werden. Wenn die anderen in die Freizeit gehen, dann ist bei Adele jeweils am Freitag und am Samstag bis einschließlich 31. August Dienstbeginn.

Ob man nun am Wochenende täglich vor 4.100 Gästen in der Wüste von Nevada auftritt oder vor zwanzigmal mehr Leuten in der Wüstenei im Norden von München, spielt dabei keine Rolle. Vom Publikum gebucht wird im Falle Adeles nicht eine opulente Show für die Augen mit Wunderlichtfontänen, Feuerwerk, 3D-Animationen oder einem über die Leute wie sonst nur Helene Fischer fliegenden Idol. Auf den großflächigen LED-Displays neben der Bühne wird für Menschen, die für dreistellige Eurosummen etwas weiter hinten auf den Tribünen sitzen, die große Emotion geboten.

Musik für Scheidungen

Die 35-Jährige ist, und das unterscheidet sie von ihrer mit 34 Jahren beinahe gleichaltrigen Kollegin Taylor Swift, auf ein Publikum gebucht, das vom Leben schon mehr Schicksalsschläge denn Egoprobleme verbuchen musste. Gerade in jungen Jahren ist man nicht gewillt, dass einzustecken. Adeles Schlager weisen neben ihrer mächtigen weißen Soulstimme auch auf eine Qualitätskontrolle hin, die jeder Song, den sie singt, beim Komponieren und im Studio über sich ergehen lassen muss. Wenn Adele, wie sie in einem Interview bekannte, nicht aus Rührung oder Ergriffenheit weint, dann gilt es nicht.

Adele operiert am offenen Herzen. Ihre Spezialität ist nicht das inklusiv zu lesende Fach "Boy meets girl". Adele weint also nicht vor Freude über den Beginn im Sinne von "Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne". Sie heult beruflich lieber mit kräftiger Stimme erst nach oftmaligem "Waunst amoi nu so hamkummst" und dem Verlassenwerden den guten alten Zeiten der Pärchenlüge hinterher. Modell sterbender Schwan. Kurz, zu den Konzerten in München werden eher Menschen gehen, die schon diverse Scheidungen hinter sich oder davon gehört haben.

Zusatzkonzerte als neuer Trend

Das Konzept, aus Kostengründen lieber mehrmals an einem Ort zu spielen anstatt dauernd in der Weltgegend herumzudüsen und die Bühne auf- und abzubauen, Plakate zu drucken und Schönwetter in den mehr oder weniger sozialen Medien zu machen, wird gegenwärtig als Trend gelesen. Auch Taylor Swift oder Coldplay werden diesen Sommer im August in Wien im Ernst-Happel-Stadion drei- beziehungsweise viermal am selben Ort Station machen. Helene Fischer und P!nk schafften das bisher jeweils nur zweimal und bei einer etwas geringeren und ungerechtfertigten Medienhysterie.

Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Nachdem die Leute von heute für Musik daheim nicht mehr bezahlen, sind sie dazu bereit, für als Selfie-Events gefeierte Konzerte teils horrende Ticketpreise zwischen aktuell bei Adele 74,90 und 689 Euro zu bezahlen. Ohne nötige Umzugskosten von Stadion zu Stadion freuen sich auch Künstler und Künstlerinnen sowie das Management über die Gewinnoptimierung. Die Streamingzahlen von Adele, Taylor Swift und Coldplay erreichten im Vorjahr hohe dreistellige Millionen- beziehungsweise einstellige Milliardenbereiche. Von den Erträgen daraus könnte man sich ein halbwegs angenehmes Leben fern der Bühnen finanzieren.

Bei dem Weg, von Adele, Taylor Swift und Coldplay gibt es jeweils aktuelle Konzertfilme mit besserer Bühnensicht und Akustik. Von Österreich aus mit dem Zug anreisende Menschen wagen sich für einen Auftritt von Adele in München ohnehin auf ein Wasser ohne Balken. Stichwort Deutsche Bahn: "Tears are gonna fall / Rolling in the deep." (Christian Schachinger, 8.2.2024)

Der Ticketkauf ist für vorgemerkte Fans seit 7. Februar möglich, der allgemeine Vorverkauf startet am 9. Februar.