Speicherteich, Stromerzeugung, Skigebiete
Der Speicherteich am Langwiedboden in Salzburg versorgt nicht nur die Schneekanonen mit Wasser, sondern mit ihm wird auch Strom erzeugt.
Gletscherbahnen Kaprun AG | Edit

"Hundert Prozent Schneesicherheit" verspricht das Kitzsteinhorn in Kaprun in Salzburg. Zwar liegen die Pisten auf bis zu 3.000 Meter Höhe und noch dazu auf einem Gletscher. Ohne künstliche Beschneiung geht aber auch hier nichts. Das Wasser für die 161 Schneekanonen kommt von Speicherteichen wie jenem am Langwiedboden auf rund 1900 Meter Höhe: eingebettet zwischen den umliegenden Bergen und einer 15 Meter hohen Staumauer, die bis zu 26 Millionen Liter Wasser im See hält. "Mit diesem Wasser beschneien wir ungefähr 40 bis 45 Tage im Jahr", sagt Günther Brennsteiner, technischer Leiter der Gletscherbahnen Kaprun.

Kaum ein Skigebiet kommt heutzutage ohne die wertvollen Wasserspeicher aus. Rund 450 Speicherseen gibt es in Österreich – Tendenz steigend. Sie versorgen im Herbst und Winter die rund 33.000 Schneekanonen im Land mit Wasser für die Beschneiung der Pisten. Die meiste Zeit des Jahres, vor allem im Frühling und Sommer, sind die Speicherbecken jedoch kaum in Verwendung. Dann sind sie allenfalls Kulisse von Wanderwegen oder Aussichtspunkten.

Energiekreislauf

Geht es nach einigen Vertretern der Seilbahnwirtschaft und der Kleinwasserkraft, könnte sich das in Zukunft ändern. Sie sehen in Speicherseen ein großes Potenzial für die Energiewende, denn diese könnten ganzjährig genutzt werden. Die Idee: Im Winter können die Speicherseen wie jetzt Wasser für die Schneekanonen liefern, im Frühling und Sommer dann – gefüllt mit Schmelzwasser – je nach Bedarf Strom produzieren oder Strom speichern.

Im Skigebiet in Kaprun passiert das bereits zum Teil. Dort wandelt ein Kraftwerk im Sommer das Schmelzwasser vom Speicherteich am Langwiedboden in Strom um. "Damit können wir circa 50 Prozent des Stroms der Beschneiungsanlagen abdecken", sagt Brennsteiner. Im Herbst und im Winter, wenn die Schneekanonen Wasser brauchen, wird das Wasser von den Wasserbecken des Kraftwerks Kaprun wieder in den Speicherteich auf dem Langwiedboden gepumpt. "Dadurch entsteht ein Energiekreislauf", sagt Brennsteiner.

Zur Netzstabilisierung beitragen

Theoretisch könnten Speicherseen aber auch als Energiespeicher fungieren. Steht beispielsweise im Sommer viel Strom aus Photovoltaik oder Windkraft zur Verfügung, könnte Wasser mithilfe eines Pumpspeicherkraftwerks nach oben gepumpt werden. Wird dann beispielsweise in der Nacht oder an bewölkten Tagen Strom benötigt, kann das Wasser vom Speichersee wieder nach unten fließen, Turbinen antreiben und damit Strom produzieren.

"Skigebiete könnten damit nicht nur schneller energieautark werden, sondern auch maßgeblich zur Netzstabilisierung beitragen", sagt Erik Wolf, Geschäftsführer des Seilbahnenfachverbands der Wirtschaftskammer. Betriebe könnten Strom genau in jener Zeit produzieren, wenn er am meisten gebraucht wird und wenn er am teuersten ist – sogenannten Spitzenstrom –, und diesen regional in die Netze einspeisen.

Hälfte aller Seen

Schon vor einiger Zeit habe eine Studie für Salzburg ergeben, dass 47 der 102 Speicherteiche im Bundesland auch als Energiespeicher geeignet wären. "Sofern man das auf den Rest des Landes umlegen kann, hieße das, dass wir knapp die Hälfte aller Speicherseen auch für die Stromspeicherung und Stromerzeugung nutzen könnten", sagt Wolf.

Laut einer Studie der TU Graz könnten in den Speicherseen in Tirol und Salzburg durch geringe Umbauten zwischen 49 und 85 Gigawattstunden Strom gespeichert werden. Das entspricht ungefähr dem jährlichen Strombedarf von 15.000 bis 25.000 Haushalten. Die Speicherbecken würden damit zwar nur einen vergleichsweise kleinen Beitrag zur Energiewende leisten. "Gerade wenn es um die Bereitstellung von Spitzenstrom geht, wäre dieser Beitrag aber besonders wertvoll", sagt Wolf.

Schneekanonen, Beschneiung, Skigebiet
Schneekanonen brauchen nicht nur einiges an Strom, sondern auch viel Wasser. In vielen Fällen kommt dieses von künstlich angelegten Speicherseen hoch oben am Berg.
APA/BARBARA GINDL

Leitungen ausbauen

Auch Paul Ablinger, Geschäftsführer des Vereins Kleinwasserkraft, sieht in kleinen Pumpspeicherkraftwerken bei Speicherseen viel Potenzial für die Zukunft. "Die Umspannwerke und Trafos in Österreich sind jetzt schon ziemlich ausgelastet. Mit solchen Pumpspeicherkraftwerken müsste man den Strom nicht immer wegtransportieren, sondern könnte ihn dezentral abfangen und damit Schwankungen ausgleichen." Die Eingriffe, die dafür in den Skigebieten notwendig sind, seien oftmals in einem überschaubaren Rahmen. Noch stecken solche Projekte allerdings in den Kinderschuhen.

Nicht ganz ohne Grund. Denn für die Umfunktionierung der Speicherteiche auf Stromspeicher und Stromerzeuger gibt es einige Hürden. Im Idealfall gibt es bereits zwei annähernd gleich große Speicherteiche, die in unterschiedlichen Höhenlagen liegen und die mit einer Leitung verbunden sind. Gerade bei älteren Speicherteichen reichen die Durchmesser der Rohre, die für die Wasserversorgung der Schneekanonen konzipiert wurden, allerdings nicht aus, um auch genügend Wasser für die Stromerzeugung durchfließen zu lassen, sagt Wolf. Es müssten also neue, größere Rohre am Berg verlegt werden.

Eingriffe in Berglandschaft

Zudem braucht es für die Nutzung der Speicherseen als Energiespeicher neue Genehmigungen. Aus Landschaftsschutzgründen müssen Speicherteiche auch im Sommer gefüllt sein. Einen Teil des Wassers im Sommer für die Stromproduktion abzulassen ist nicht ohne weiteres möglich.

Während Ablinger eine Erleichterung bei den Genehmigungsverfahren fordert, um solche Projekte künftig schneller umzusetzen, sieht die Salzburger Landesumweltanwältin Gishild Schaufler einige andere Schwierigkeiten bei Beschneiungsanlagen. "Speicherteiche beanspruchen große Flächen", sagt Schaufler. Diese befinden sich oftmals in ökologisch besonders sensiblen Lebensräumen. Schon in den vergangenen Jahren habe es durch Speicherteiche große Eingriffe in die Berglandschaft gegeben.

Mehr Speicherteiche nötig

Skigebiete brauchen aufgrund des Klimawandels und des steigenden Beschneiungs- und Wasserbedarfs immer mehr und größere Speicherteiche, sagt Schaufler. Hinzu kommen die Eingriffe durch die Leitungen, für deren Verlegung Trassenbreiten von acht bis zehn Metern benötigt werden. Der Ausbau erneuerbarer Energien müsse naturverträglich gestaltet, Eingriff und Nutzen in Beziehung gesetzt und die CO2-Bilanz berücksichtigt werden. "Denn wenn wir Moore oder natürliche Wälder zerstören, dann haben wir kein Problem gelöst, sondern ein neues geschaffen."

Allerdings braucht es für neuen Strom und Schnee nicht immer neue Speicherseen. Auf der Riesneralm in der Steiermark produziert ein "Beschneiungs-E-Werk" seit einigen Jahren nicht nur Strom aus einem Bach, sondern befördert dieses Wasser anschließend wieder nach oben, wo es direkt in die Beschneiungsanlagen geht. "Gemeinsam mit dem bestehenden Wasserkraftwerk erzeugen wir damit rund 6,2 Gigawattstunden Strom im Jahr", sagt Geschäftsführer Erwin Penz. Da das gesamte Skigebiet mit seinen sieben Liften inklusive Hotellerie und Restaurants lediglich rund 2,2 Gigawattstunden benötige, könne der Rest ins öffentliche Netz gespeist werden.

Das Kraftwerk sei für das Skigebiet dadurch zu einem zweiten finanziellen Standbein geworden, gerade in Zeiten hoher Energiepreise, sagt Penz. Zudem habe man es sich durch die Anlage erspart, einen neuen Speicherteich am Berg zu errichten.

Nicht die große Lösung

Die große Lösung für die Energiewende werden kleine Wasser- und Pumpspeicherkraftwerke in Skigebieten aber nicht sein. "Auf gesamtösterreichischer Ebene ist deren Beitrag eher vernachlässigbar", sagt Gerald Zenz, Wissenschafter am Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU Graz. Kleine Pumpspeicherkraftwerke bei Speicherseen können bei der Stromerzeugung und Stromspeicherung keinesfalls mit größeren Kraftwerken mithalten. Dafür seien die Durchflussmenge an Wasser und die Fallhöhe bei weitem nicht so groß.

Allerdings könnte es für einzelne Betriebe durchaus reizvoll sein, solche Pumpspeicherkraftwerke zu installieren. Gibt es zusätzlich PV-Anlagen oder Windkraftwerke rund um das Skigebiet, könne der überschüssige Strom daraus dezentral gespeichert und bei größerem Bedarf wieder genutzt werden – und somit auch die Energiebilanz des Skigebietes ein wenig aufbessern.

"Viele Skibetriebe schrecken vor den Kosten solcher Projekte zurück", sagt Penz. Bestehende Infrastruktur derart umzubauen sei oftmals schwierig. Falls es gelingt, könnten solche Kraftwerke aber vielleicht dazu beitragen, die Energiekosten der Skigebiete zu senken – und Skifahren auch in Zukunft leistbar zu machen. "Wenn wir stehenbleiben, haben wir sowieso schon verloren." (Jakob Pallinger, 8.2.2024)