Im Bild: Eine Versammlung im Pariser Senat.
Ein Sextape wühlt den Pariser Senat und Frankreich auf.
AFP/MIGUEL MEDINA

Die Franzosen wissen nicht so recht, ob sie lachen oder klagen sollen. Anders gesagt: Vielen vergeht das Lachen, wenn sie verfolgen, welche unwürdigen Zustände offenbar in der zweiten Parlamentskammer herrschen.

Im Mittelpunkt der Affäre, die das satirische Enthüllungsblatt "Le Canard Enchaîné" am Mittwoch in seiner neuesten Ausgabe aufgedeckt hat, befindet sich ein Video. Darauf ist ein Senator zu sehen, wie er in seinem parlamentarischen Büro im Senatspalast, dem Palais du Luxembourg, mit heruntergelassenen Hosen dasteht. "Bis auf die Socken" seien die hehren Beine des Politikers entblößt, behaupten manche, die das Video gesehen haben, "bis auf die Knöchel", bestätigen andere. Alle sprechen von einem "Sextape", schließen also eine bloß ärztliche Behandlung aus.

Um wen es sich bei dem Vertreter des französischen Oberhauses handelt, traut sich nicht einmal der freche "Canard Enchaîné" (übersetzt: die angekettete Ente) zu sagen. Zu prominent, der Senator? Oder: zu heiß, die Affäre?

Schlechtes Licht

Auf jeden Fall hat sie Implikationen bis an die Staatsspitze: Das schlechte Licht, das auf den Senat fällt, fällt unweigerlich auch auf den an sich nicht betroffenen, aber mächtigen Vorsitzenden Gérard Larcher, einen internen Widersacher von Staatspräsident Emmanuel Macron.

Bekannt ist, von wem das Video stammt: Eine medizinische Assistentin brüstete sich offenbar gerne damit, dass sie besagten Senator dank des Filmausschnitts am Wickel habe, also "unberührbar" sei. Und das gefiel nicht allen, denn laut Eingeweihten benimmt sich diese Assistentin ziemlich unmöglich.

Wie auch ihr Vorgesetzter, ein im Senat beschäftigter Arzt. Der hatte einen anderen Senator geschützt, der einer befreundeten Abgeordneten der Nationalversammlung – der ersten Kammer des französischen Parlaments – Ecstasy in den Champagner geschüttet hatte, um sich an ihr vergehen zu können. Die Parlamentarierin konnte sich knapp in eine Notfallstation retten. Die Partydrogen-Affäre schlug aber in Paris im November umso höhere Wellen, als der Senator Joël Guerriau in Paris eine bekannte Größe ist.

Senatspräsident Larcher unternimmt seither alles, um diesen – inzwischen juristisch verfolgten – Missetäter aus seinem Amt oder zumindest einzelnen Funktionen zu drängen. Doch der Senatsarzt stellte dem Ecstasy-Konsumenten ein medizinisches Zeugnis aus, womit dieser seinerseits "unberührbar" ist.

Zornige Reaktionen

Die Sextape-Affäre bedrängt den Vorsitzenden Larcher auch aus einem anderen Grund. Mitten in den sozial motivierten Bauernprotesten gewährten sich die Senatoren eine Teuerungsaufbesserung von 700 Euro, die noch weit über diejenige der Nationalversammlung hinausgeht: Ihr monatlicher Spesenzuschuss steigt von 5900 auf 6600 Euro.

Das sorgte nicht nur in der Bauernschaft für zornige Reaktionen: Das Parlament gewähre den Inflationsausgleich nur sich selbst, nicht aber der verarmenden Landbevölkerung, heißt es überall. Jetzt offenbaren die Sexaffären weitere sehr "pariserische", auf dem Land entsprechend verpönte Sitten.

Als Befreiungsschlag hat der Vorsitzende Larcher den Senatsarzt Knall auf Fall entlassen. Seine Assistentin bleibt nach der neuesten Enthüllung von "Canard Enchaîné" wohl auch nicht mehr allzu lange unberührbar. (Stefan Brändle aus Paris, 8.2.2024)