Polizeikräfte verlassen nach der Razzia das Haus des früheren Sicherheitsministers Augusto Heleno.
Polizeikräfte verlassen nach der Razzia das Haus des früheren Sicherheitsministers Augusto Heleno.
EPA/André Borges

Der Druck auf Brasiliens Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro wegen des Sturms auf die Regierungsgebäude im Jänner 2023 wird immer größer. Am Donnerstag zog die Polizei seinen Pass ein und durchsuchte Wohnungen und Büros von Mitarbeitern und Vertrauten des ultrarechten Ex-Präsidenten. Der Gruppe wird vorgeworfen, einen Staatsstreich geplant zu haben.

Vor etwa 13 Monaten hatten mehrere Tausend radikale Anhänger Bolsonaros das Regierungsviertel in Brasília gestürmt und Regierungsgebäude verwüstet. Sie protestierten damit gegen die Niederlage ihres Idols gegen den amtierenden Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva von der linken Arbeiterpartei (PT).

Es war das knappste Präsidentschaftsrennen in der modernen Geschichte Brasiliens. Bolsonaro hatte – ähnlich wie Donald Trump in den USA – seine Niederlage nie eingeräumt und Zweifel am Wahlsystem gestreut. Die Operation mit dem Namen "Tempus Veritatis" ermittelt seither die Hintergründe und Drahtzieher. Der Leiter der Ermittlungen gegen das rechte Netzwerk ist der oberste Richter Alexandre de Moraes – ihn hatten die mutmaßlichen Putschisten beschattet und verhaften wollen.

Heikle Dokumente sichergestellt

Nach dem mehrstündigen Gewaltexzess wurden mehr als tausend Menschen festgenommen, 30 wurden bislang zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt. Die Ermittler stellten bei engen Vertrauten Bolsonaros auch zahlreiche Dokumente sicher, darunter den Entwurf für ein Dekret, das die Wahl für gefälscht erklärt, um eine mögliche Militärintervention zu rechtfertigen.

Es sollten der Senatspräsident sowie zwei Richter des Obersten Gerichts verhaftet und Neuwahlen einberufen werden. Der Entwurf war im Haus von Bolsonaros damaligem Justizminister Anderson Torres gleich nach den Unruhen sichergestellt worden. Torres sitzt seit einem Jahr in Haft.

Das Dekret wurde letztlich nie erlassen, aber offenbar hatte sich die Regierung ernsthaft damit befasst. Bolsonaro selbst bat den Ermittlungen zufolge um mehrere Änderungen und bestellte den Generalstab der Streitkräfte ein, um das Militär zu seiner Unterstützung zu bewegen. Bei Geheimtreffen des engsten Zirkels von Bolsonaro wurde den Ermittlern zufolge auch erörtert, wie Regierung und Streitkräfte Pro-Bolsonaro-Proteste unterstützen und finanzieren könnten und wie Falschinformationen verbreitet werden könnten, um die Anhänger aufzuhetzen.

8. Jänner 2023: Anhänger von Jair Bolsonaro stürmen das Parlamentsgebäude in Brasília.
8. Jänner 2023: Anhänger von Jair Bolsonaro stürmen das Parlamentsgebäude in Brasília.
AP

Unter den Eingeweihten, deren Büros jetzt durchsucht wurden, sind auch ranghohe Generäle, darunter Bolsonaros Verteidigungsminister Walter Braga Netto und Sicherheitsminister Augusto Heleno sowie der Vorsitzende von Bolsonaros Liberaler Partei, Valdemar Costa Neto.

Frist für Bolsonaro

Bolsonaro befand sich zum Zeitpunkt der Unruhen in den USA und hatte stets behauptet, nichts gewusst zu haben. Gegen die Polizeirazzia in seiner Ferienvilla protestierte er nach Angaben der Zeitung "Folha de S. Paulo" mit den Worten: "Ich bin seit über einem Jahr nicht mehr an der Regierung und werde gnadenlos verfolgt." Die Polizei gab ihm 24 Stunden, um seinen Pass der Justiz auszuhändigen.

Präsident Lula kommentierte die Ereignisse nicht. Er hat aber schon mehrfach erklärt, dass Bolsonaro seiner Meinung nach die Verantwortung für die Ereignisse des 8. Jänner 2023 trägt. Bolsonaro ist weiterhin sehr beliebt in der Bevölkerung.

Neben Bolsonaro selbst sind auch seine Söhne in rechtlichen Schwierigkeiten. Spross Carlos, der die Kommunikationsstrategie seines Vaters betreute – in den Medien als "Hassnetzwerk" bekannt –, soll zusammen mit dem brasilianischen Geheimdienstchef politische Gegner und missliebige Journalisten bespitzelt haben. Die Gruppe wurde auch verdächtigt, laufende polizeiliche Ermittlungen zu behindern, von denen einige gegen zwei andere Söhne Bolsonaros, Jair Renan und Flávio Bolsonaro, gerichtet waren.

Wahlrecht entzogen

Bolsonaro selbst wurde wegen seiner Versuche, das Wahlsystem zu untergraben, bereits bis 2030 das passive Wahlrecht entzogen. Er darf also nicht für ein öffentliches Amt kandidieren. Das harte Vorgehen der brasilianischen Justiz kontrastiert mit den schleppenden Ermittlungen gegen US-Präsident Donald Trump, dem großen Vorbild und politischen Verbündeten Bolsonaros. Der Sturm auf Brasília war nicht nur dem Sturm aufs Kapitol nachempfunden, sondern Bolsonaro hatte sich auch von Trump-Vertrauten wie Steve Bannon beraten lassen. (Sandra Weiss, 9.2.2024)