Für die meisten ein Traumpaar, für manche Football-Puristen ein Albtraumpaar: Travis Kelce und Taylor Swift.
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Wien/Las Vegas – In der Nacht auf Montag versammeln sich in Österreich klandestin Menschengruppen, um Genussmittel zu konsumieren, aus der Ferne einem musikalischen Ritual beizuwohnen – und ein bisserl Football zu schauen. Ja, der Super Bowl in der Nacht auf Montag (0.30 Uhr, RTL, DAZN) ist mehr als Völlerei und Halftime-Show. Heuer spielen die Kansas City Chiefs und die San Francisco 49ers in Las Vegas die 58. Ausgabe aus. Sie wissen noch nicht, zu wem Sie halten? DER STANDARD dient sich anhand von fünf Brennpunkten als Wahlhelfer an.

Die Quarterbacks verbindet nur ihr beachtliches Können

Eine Footballmannschaft steht und fällt mit ihrem Quarterback, und die Spielmacher des heurigen Finales könnten kaum unterschiedlicher sein: Aus der Chiefs-Wäsch’ grinst Patrick Mahomes, zweifacher Super-Bowl-Sieger, zweimaliger MVP (wertvollster Spieler) der ganzen Saison, zweifacher Super-Bowl-MVP, sechsmaliger Pro Bowler und, und, und. Der Mann ist erst 28, hat im Football aber schon alle Auszeichnungen diesseits des Ehrenbürgers von Unterpremstätten eingesackt. Mahomes ist längst über jeden Zweifel erhaben. Von seinem Gegenüber Brock Purdy kann man das noch nicht behaupten.

Patrick Mahomes ist im Playoff kaum zu schlagen.
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Der 24-Jährige wurde unter allen Liga-Neulingen im Draft 2022 als 262. und letzter Spieler ausgewählt, was ihm den mittelcharmanten Titel "Mr. Irrelevant" bescherte. Umso bemerkenswerter war Purdys Debütsaison, als er am 13. Spieltag das Ruder übernahm, in jeder Partie mindestens zwei Touchdowns warf und seine 49ers bis in das Conference-Finale der NFC führte. In diesem waren die Niners chancenlos, nachdem sich Purdy schon zu Beginn schwer am Ellbogen verletzt hatte. In der aktuellen Saison kam der Quarterback gar ins MVP-Gerede, zog sich aus diesem Ende Dezember aber mit vier Interceptions gegen die Baltimore Ravens dauerhaft zurück. Der Youngster kann viel, ein Resterl Ungewissheit pickt ihm aber an den Schuhen. Also, wer darf’s sein? Der gefestigte Star oder die klassische Underdog-Story?

Die Stärken der 49ers sind ihre schweren und schnellen Jungs

Es ist taktisch nicht ungünstig für die 49ers, dass zwei ihrer besten Spieler besonders wichtige Positionen besetzen. Trent Williams ist gefühlt seit dem Mesozoikum der beste Left Tackle der NFL, er hält Generationen von Niners-Quarterbacks fehlerlos den Rücken frei und kaschiert die Schwächen seiner Nebenleute. In der Defense spielt Quarterbackjäger Nick Bosa die beste Saison seiner hervorragenden Karriere - und hat nun gegen den wackligen Chiefs-Tackle Jawan Taylor ein äußerst knuspriges Matchup. Wer die hohe Kunst der schweren Jungs in Offensive und Defensive Line schätzt, ist im Anhang der 49ers also bestens aufgehoben.

Mit Nick Bosa will man eher keine Kirschen essen.
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Restplätze gibt es dort auch noch für Fans von Pfitschipfeilen auf Beinen, namentlich Christian McCaffrey und Deebo Samuel. McCaffrey ist das Schweizer Taschenmesser, er läuft und fängt Bälle wie kein Zweiter. Sogar in einer Zeit, in der Running Backs weitgehend als austauschbare Ware behandelt werden, kann kein klar denkender Beobachter den Wert von "Run CMC" bezweifeln. 1459 Rushing Yards sind einsame Ligaspitze, 564 Receiving Yards kein schlechter Bonus. Samuel wiederum ist laut Purdy "der beste Playmaker der Liga. Wenn du den Ball in seine Hände bekommst, tut er, was er will." Im Oktober verpasste der Wide Receiver drei Spiele verletzt - und plötzlich waren die Cleveland Browns sowie die brustschwachen Cincinnati Bengals und Minnesota Vikings eine Nummer zu groß.

Die Stärken der Chiefs liegen förmlich in der Luft

Angesichts des außerirdischen Mahomes ist es kaum möglich, dass die Pass-Offensive der Chiefs keine ausgewiesene Stärke ist - doch die Wide Receiver des Titelverteidigers vollbrachten dieses Kunststück 2023. Als hätten sie ihre Hände in Frittierfett gebadet, ließen sie Ball um Ball fallen. 44 dieser sogenannten Drops waren Ligaspitze, den Bestwert verzeichneten die 49ers mit nur neun verschenkten Catches. Da Mahomes ebenso wie Tight End Travis Kelce für die entscheidenden Spiele einen Extra-Gang hat, würde schon ein guter Tag vom Rest der Bande reichen, um das Chiefs-Passspiel zu einem Siegesfaktor zu machen.

Cornerback L'Jarius Sneed (38) ist ein bewährter Abfangjäger.
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Verlässlich stark ist Andy Reids Team dagegen in der Passverteidigung. Gegen den Lauf mag die Defense ihre Schwächen haben, doch in der Luft wird es gruselig. L’Jarius Sneed, Trent McDuffie und Joshua Williams sind vielleicht das beste Cornerback-Trio der Liga. Gegen Samuel und dessen ebenso genialen Kompagnon Brandon Aiyuk ist die Secondary von Defensive Coordinator Steve Spagnuolo gefordert, man darf sich auf Verfolgungsjagden auf höchstem Niveau einstellen. Da eine gute Passverteidigung bekanntlich schon an der Line of Scrimmage beginnt, ist auch die Defensive Line der Chiefs nicht zu unterschätzen. Ihr Herzstück ist Chris Jones - der Vertragsverhandlungsstreik des 141-Kilo-Bröckerls ist längst vergessen, nun verspeist Jones wieder unaufmerksame Quarterbacks zum Frühstück.

Die Trainer sind zwei Generationen von Offensivgenies

Dass die Chiefs als erstes Team seit den New England Patriots 2003/04 zweimal in Serie einen Super Bowl gewinnen könnten, liegt selbstredend auch an Head Coach Andy Reid und seinem Trainerstab. Der Underdog wischte in Halbzeit eins des AFC Championship Game mit den Baltimore Ravens den Boden auf und gab die Führung gegen das stärkste Team des Grunddurchgangs nie mehr her. Nachdem er bei den Philadelphia Eagles in 13 erfolgreichen Jahren nie einen Super Bowl hatte gewinnen können, erfand Reid die damals unterirdischen Chiefs 2013 praktisch neu.

Kyle Shanahan (Mitte) ist das offensive Mastermind der 49ers.
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"Big Red" wird von seinen Spielern geliebt - Chris Jones bezeichnete den 65-Jährigen als seinen "weißen Vater" - und tritt als freundlicher und selbstironischer Mensch auf. Einzig sein Zitat "Nicht alle von Mozarts Bildern waren perfekt!" tut aus kultureller Sicht weh. Head Coach der 49ers ist der 44-jährige Kyle Shanahan. Der Sohn von Trainerlegende Mike Shanahan fing 25-jährig als Assistant Coach in der NFL an, schnell zeigte sich sein Offensivgenie. Der Super Bowl ist für Shanahan ein eher traumatisches Thema: Als Offensive Coordinator der Atlanta Falcons gab sein Team 2017 gegen Tom Bradys New England Patriots eine 28:3-Führung aus der Hand, 2020 verlor er das erste Final-Duell mit den Chiefs trotz einer Zehn-Punkte-Führung im vierten Viertel. Also: der liebe Onkel oder das programmierte Genie, das auf die Vollendung wartet?

An Taylor Swift scheiden sich die Geister der Footballfans

Die Verquickung von Sport und Pop- oder Subkultur kann ja etwas Wunderbares sein, man denke nur an die Hip-Hop-NBA der späten 90er; sie kann auch etwas unsäglich Nerviges sein, man denke an den kurzlebigen Trend der mit Fortnite-Tänzen jubelnden Kicker. Wo genau Sie die Liebschaft von Taylor Swift und Chiefs-Tight-End Travis Kelce einsortieren, kann auch über Ihre Teamzugehörigkeit entscheiden. Österreichs NFL-Pionier Bernhard Raimann sieht die Liaison positiv. "Sie hat eine Auswirkung auf wahrscheinlich Millionen Menschen, die sich nicht so für Football interessieren, aber trotzdem mehr auf die NFL aufmerksam werden", sagt der Left Tackle der Indianapolis Colts.

Travis Kelce und Taylor Swift führen zu Schnappatmung.
AP/Julio Cortez

Zum Super Bowl wird Swift einen dezenten Jetlag mitbringen, tags davor tritt sie in Tokio auf. Vor seinem Dasein als Swift-plus-eins war Kelce immerhin einer der besten Tight Ends der NFL. Nach einem durchwachsenen Grunddurchgang hat er in den Playoffs wieder zu alter Stärke gefunden. Zwei Touchdowns gegen die Bills ließen nicht nur Bruderherz und Ex-Eagles-Center Jason in der VIP-Loge eskalieren. Buchmacher schätzen die Wahrscheinlichkeit/Gefahr eines Hochzeitsantrags auf dem Feld auf etwa acht Prozent. Sollten die Chiefs verlieren, ginge sie wohl gegen null, eine Taylor Swift ist bitte schön kein Trostpreis. Wollen Sie die Verlobung live sehen, müssen Sie also wohl den Chiefs die Daumen drücken. (Martin Schauhuber, 11.2.2024)