Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) nannte in der am Sonntag ausgetrahlten ORF-Sendung Hohes Haus den 29. September als Termin für die Nationalratswahl. Das war zwar keine völlige Überraschung, das Datum ist bereits im Raum gestanden und gilt auch als das von der Regierung präferierte. Dass der Minister den Tag aber derart beiläufig und gleich zwei Mal nannte, fiel dann doch auf. Einerseits weil der Wahltermin noch nicht feststeht. Andererseits da sich einige in der Politik für einen vorgezogenen Termin im Sommer aussprechen, darunter auch einige ÖVP-Landeshauptleute.

In welcher Koalitionskonstellation nach geschlagener Wahl regiert wird, auch darüber wird dieser Tage viel spekuliert. SPÖ-Parteichef Andreas Babler beispielsweise hat sich in den vergangenen Monaten vielfach klar festgelegt: Für die Sozialdemokratie sei nach der Nationalratswahl eine Regierungskoalition mit der FPÖ ausgeschlossen. Doch gegen diese Ansage regt sich nun Widerspruch aus mehreren roten Landesorganisationen.

Doskozil
Burgenlands SPÖ-Vorsitzender Hans Peter Doskozil übt heftige Kritik an der von Andreas Babler geführten Bundespartei.
APA/HANS KLAUS TECHT

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, der Babler bei der Abstimmung über die SPÖ-Spitze im Sommer unterlegen war, plädierte am Samstag via "Presse" für mehr Offenheit gegenüber einer rot-blauen Zusammenarbeit. Mit FPÖ-Chef Herbert Kickl wäre eine Koalition zwar für alle "schwer", aber es sei auch schwierig "einer Partei, die vielleicht 30 Prozent der Stimmen bekommt, die Demokratiefähigkeit abzusprechen."

Die SPÖ solle daher die FPÖ "nicht per se ausschließen", sondern deren Koalitionseignung gegebenenfalls nach der Wahl anhand des 2017 beschlossenen roten Wertekatalogs beurteilen. Derzeit sei "mit der Kickl-FPÖ" der Wertekalalog nicht erfüllt, fügte Doskozil einschränkend hinzu – und bediente sich damit der Diktion von ÖVP-Chef Karl Nehammer, der ebenfalls einen Unterschied zwischen FPÖ und "Kickl-FPÖ" zu erkennen glaubt.

"Mit FPÖ keine schlechten Erfahrungen"

In einen Wahlsieg der SPÖ hegt Doskozil keine allzu großen Erwartungen mehr: "Ich gehe davon aus, dass wir eine Wahl erleben werden, in der die Freiheitlichen Erster werden." Ein Fehler seiner Bundespartei besteht laut Doskozil darin, dass sie mitunter als "Almosenpartei" agiere anstatt auf höhere Löhne für Vollzeitarbeit zu setzen. Gerade ein kräftiger Mindestlohn sei jedoch mit der ÖVP nicht umsetzbar, weswegen Doskozil der Bundes-SPÖ davon abrät, sich "mit dieser ÖVP wieder ins Bett zu legen".

Bei der burgenländischen Landtagswahl 2025 will der Landeshauptmann die absolute Mehrheit halten, kann sich aber andernfalls auch dort eine Koalition mit der FPÖ vorstellen: "Sie wäre eine Option, wie alle anderen gewählten Parteien. Im Burgenland haben wir mit der FPÖ keine schlechten Erfahrungen gemacht und schließen sie daher auch nicht aus."

Nach Wahl an "Wertekatalog" messen

Auch aus der SPÖ Niederösterreich gab es zuletzt keine kategorische Ablehnung einer rot-blauen Koalition auf Bundesebene. Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander sagte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag laut Medienberichten, dass die SPÖ die Hände "in alle Richtungen" ausstrecke, zumal sie eine "Volkspartei der breiten Mitte" sei. Auch Zwander berief sich dabei auf den Wertekatalog der SPÖ, der keine Koalitonsvariante pauschal ausschließe, sondern eine Bewertung im Einzelfall vorsehe.

Die Generalsekretärin der Grünen Olga Voglauer empört sich prompt über Zwanders Signale. "Auf die SPÖ ist kein Verlass wenn es darum geht, Rechtsextreme zu stoppen", meinte Voglauer. Die rote Fahne falle "beim ersten blauen Lüftchen um". SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Sandra Breiteneder erwiderte, dass für die Bundespartei der Ausschluss der FPÖ "unverrückbar" sei. Die SPÖ werde weiterhin "entschlossen und konsequent gegen Rechtsextremismus vorgehen."

ÖVP warnt vor Blau-Rot mit Kickl

Babler reagierte am Wochenende nicht öffentlich auf das Interview seines SPÖ-Kollegen aus dem Burgenland. Die Interpretation Doskozils, dass der SPÖ-Wertekatalog eine Zusammenarbeit grundsätzlich hergeben würde, wollte man in seinem Büro auf APA-Anfrage ebenso wenig kommentieren wie die Debatte um Koalitionspräferenzen.

Die ÖVP griff die Differenzen innerhalb der SPÖ am Sonntag auf. Generalsekretär Christian Stocker schrieb in einer Aussendung: Wer SPÖ wähle, "muss damit rechnen, mit Kickl an der Spitze einer Bundesregierung aufzuwachen". Auch Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner unterstrich in der ORF-Pressestunde, dass ihre Partei eine Zusammenarbeit mit Kickl ausschließe: "Bei uns gibt es hier Klarheit, bei der SPÖ keine Klarheit". Über eine mögliche Neuauflage einer ÖVP-SPÖ-Koalition wollte sie "nicht spekulieren". (ta, giu, 10.2.2024)