Der Parkplatz gegenüber der Messehalle im zentralspanischen Valladolid, in der am Samstag die Filmakademie ihre Preise, die Goyas, verlieh, war voller Traktoren. Mehrere Hundert Landwirte machten, durch Absperrgitter von den Stars auf dem roten Teppich getrennt, ihrem Unmut Luft. Es ging gegen Bürokratie, sinkende Einnahmen und die europäische Landwirtschafts- und Umweltpolitik.

Gerufen hatte eine Plattform 6F – so benannt nach dem 6. Februar, dem Tag, als erstmals über soziale Netzwerke und Messengerdienste mobilisierte Landwirte und Viehzüchter rund um mehrere Provinzhauptstädte mit ihren Traktoren Autobahnen blockierten. Die Polizei nahm in den vergangenen Tagen über 30 Protestierende fest und stellte die Personalien von mehreren Tausend Demonstranten fest. In der nordspanischen Provinz Burgos wurde ein Pkw von einem Traktor gerammt. Der Autofahrer wurde schwer verletzt.

Der Versuch, am Samstag die spanische Hauptstadt zu blockieren und anschließend vor den Sitz der sozialistischen PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez zu fahren, scheiterte. Nur rund 250 Landwirte versammelten sich auf einem Parkplatz eines der Fussballstadien am Rande Madrids. In dem kommenden Tagen sollen die Proteste dennoch weitergehen.

Landwirte versammelten sich beim Atletico-Madrid-Stadion.
Protestierende Landwirte auch in Spanien.
REUTERS/CATARINA DEMONY

Die Landwirte verlangen von der spanische Regierung Maßnahmen gegen steigende Produktionskosten und niedrige Abnehmerpreise. Diese sinken, obwohl die Verkaufspreise für Gemüse und Fleisch in den Supermärkten so hoch sind wie noch nie. Viele Landwirte, vor allem die Besitzer kleiner Betriebe, beklagen sich darüber, dass sie oft unter den Herstellungskosten verkaufen müssen. Ein Gesetz aus dem Jahr 2020, das Zwischenhändler dazu zwingen soll, angemessene Preise zu bezahlen, hat kaum Folgen. Außerdem beschweren sich die Bauern über die ständig zunehmenden Verwaltungsarbeiten, etwa die digitale Buchführung über Einsatz von Pestiziden und Antibiotika, die die EU verlangt. Immer wieder sind auch Rufe gegen die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung zu hören. Die Landwirte befürchten, dass sie den Preis für die nachhaltige Entwicklung zahlen müssen.

Geld aus Brüssel

"Diese 350 faulen Menschen im Parlament haben nicht mit uns gerechnet. Mit jedem Tag, an dem wir aufstehen, wird das Seil um uns herum fester angezogen", wettert die Sprecherin der Bewegung 6F, Lola Guzmán, die durch ihre Videoauftritte in den sozialen Netzwerken weit über den Kreis der Landwirte hinaus bekannt ist. Sie ruft immer wieder zum "nationalen Streik" auf. Guzmán hat selbst nie einen Traktor gefahren oder Kühe gemolken. Sie ist eine Kommunalbeamtin im Vorruhestand, die bis vor kurzem noch dem inneren Kreis der rechtsextremen Partei Vox angehörte. Der zweite Sprecher der Bewegung, Luis Cortés, kommt tatsächlich aus der Landwirtschaft. Er wurde 2012 verurteilt, weil er sich EU-Hilfen in Millionenhöhe erschlichen und 247 Landwirte betrogen hatte.

Für Landwirtschaftsminister Luis Planas ist es "ein Fehler, den Feind in der EU zu sehen", ein Drittel des EU-Haushalts komme schließlich der Landwirtschaftspolitik zugute. "Wir arbeiten an Maßnahmen zur Vereinfachung der gemeinsamen Agrarpolitik, um diese dann in Brüssel vorzuschlagen", erklärt Planas. Er verweist außerdem auf die Lockerung des Pestizidverbots durch Brüssel nach den Bauernprotesten in Frankreich und Deutschland.

Mittlerweile haben auch die drei großen Bauernverbände Spaniens, die der Bewegung 6F als "gekauft" gelten, weil sie immer wieder mit der Regierung verhandeln, zu eigenen Protestaktionen gerufen. Sie wollen am 21. Februar vor das Landwirtschaftsministerium ziehen. Die Verbände wollen damit nicht zuletzt verhindern, dass ihnen die Plattform 6F die Vorreiterrolle auf dem Land streitig macht. (Reiner Wandler, 12.2.2024)