Fleisch zu kopieren hat für Thomas und Hermann Neuburger keine Zukunft. Zwei Jahre ist es her, dass die beiden Mühlviertler ihre mit Investitionen von rund 50 Millionen Euro aus dem Boden gestampfte Produktion für Würstel und Schnitzel aus Kräuterseitlingen einstellten. Zu hoch waren die Kosten für die vegetarische Linie "Hermann Fleischlos".

Österreichs Haushalte gaben im Vorjahr im Schnitt 265 Euro für frische Biolebensmittel im Einzelhandel aus.
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Die beiden für Leberkäse bekannten Feinkosthersteller besannen sich auf ihr Know-how über Pilze, das sie in Österreich zu deren größten Züchtern werden ließ. Neben dem klassischen Fleischgeschäft versuchen sie nun mit Seitlingen im Handyformat ohne Zusatzstoffe ihr Glück.

Konsumenten geben nicht mehr viel auf hochverarbeitete Lebensmittel, ist Thomas Neuburger überzeugt. Den Weg zurück in den vegetarischen Biomarkt wollen sein Vater und er in Österreich über eine Kooperation mit Spar schaffen.

Langer Atem nötig

In Deutschland gelang der Einstieg bei Edeka und Rewe. Neuburger hofft, mit seinen Fungi-Pads im zweiten Anlauf bis nach Skandinavien zu expandieren. Bis sich das Geschäft rechne, würden freilich noch einige Jahre vergehen. "Aber auch Neuburger wurde nicht über Nacht zur Marke."

Gerhard Höllinger steckt nicht weniger Kraft in den Export. In 45 Ländern ist der Apfelsafthersteller aus Pressbaum mit seinen Bioprodukten vertreten. Ein Großauftrag aus Saudi-Arabien für 300 Lebensmittelmärkte sorgte jüngst für zusätzlichen Schub.

Was Geschäfte mit Österreichs Supermärkten betrifft, gibt sich der Unternehmer keinen Illusionen hin. Seine Konkurrenz seien nicht andere Fruchtsafterzeuger, sagt er, sondern die Eigenmarken des Handels.

Zwischen den Stühlen

Große Handelsketten verdienten mit Industriemarken dank satter Spannen gutes Geld und hielten deren Preise damit hoch. Zugleich drängten sie diese mit eigenen, günstigeren Labels, bei denen völlig anders kalkuliert wird, stetig zurück, zieht Höllinger nüchtern Bilanz. "Wir bewegen uns in einem feindlichen Umfeld." Daran änderten auch großangelegte Kampagnen der Markenartikelindustrie nichts.

Bei Isabelle Schöne steht es noch in den Sternen, ob sie den Sprung in die weite Welt schafft. Wenige Woche vor der Corona-Krise begann sie in Prinzendorf nach eigenen Rezepten Cashew-Camembert herzustellen. 2021 beteiligte sich der kanadische Hafermilchhersteller Bettermoo(d) an der Bio-Manufaktur zu 80 Prozent.

Herzensprojekte

Produziert wird in Handarbeit. Entsprechend klein sind die Mengen. Dass sie es damit in die Regale der Supermärkte schafft, glaubt Schöne nicht. Zu sehr drückten große Handelsketten die Preise. Türöffner könnten vielmehr Fachhändler wie Maran und Hotels wie das Hilton sein, die ihren veganen Käse führen. "Der Camembert ist mein Herzensprojekt, verdient habe ich damit bisher aber noch nichts", räumt sie offen ein.

Vier Tage lang ist Nürnberg Bühne für die weltweite Biobranche. 2550 Aussteller aus 94 Ländern ringen um Aufmerksamkeit, Kunden und Partner. Es ist ein Marktplatz der neuen Chancen und geplatzten Träume.

Keine Revolutionen

Revolutionen gibt es auf der Messe keine. Kleinere Innovationen blitzen dieses Jahr vorwiegend aus der Welt der veganen Lebensmittel heraus. Die seit 1859 bestehende steirische Schalk Mühle etwa offeriert mit Blick auf Sportler Proteinpulver aus Bio-Kürbiskernen. Andere Betriebe versuchen, mit veganem Speckersatz den Geschmack der Konsumenten zu treffen.

Als lebendiger als im Vorjahr erlebt Horst Moser, Chef des Großhändlers Biogast, das geschäftige Treiben. Im Fachhandel, der in den vergangenen Jahren als zartes Pflänzchen etliche Betriebe verlor, gehe es wieder leicht aufwärts.

Sinkende Förderungen

Von einhelliger Aufbruchsstimmung ist dennoch wenig zu spüren. Österreichs Landwirtschaft büßte im Vorjahr 933 Biobetriebe ein. Das ist ein Rückgang von knapp vier Prozent. Der Anteil der Bioflächen sank zugleich um 1,5 Prozent auf 695.180 Hektar.

Die Basisförderungen für Biobauern sanken, die Bürokratie stieg. Aktuelle Programme, die ihre Umwelt- und Klimaleistungen abgelten, reichten nicht aus, um Landwirte in der Bioproduktion zu halten, ist man sich in der Branche einig. Auch ließen sich damit nicht die von der Regierung gesteckten Wachstumsziele im Biolandbau erreichen. Noch weniger, seit die Kosten steigen, die Erzeugerpreise vielfach deutlich sinken und Konsumenten sparen.

Direktvermarkter unter Druck

Stark unter Druck stehen vor allem Direktvermarkter. Wer exportieren will, um der Abhängigkeit von österreichischen Handelsriesen zu entkommen, stößt wiederum auf immer strengere Auflagen.

Erhebungen der RollAMA zufolge kauften die Österreicher 2023 im Einzelhandel zwar um 5,3 Prozent mehr Bio-Frischeprodukte ein und hielten dem Markt damit die Treue, sagt Christina Mutenthaler-Sipek, Chefin der AMA Marketing. Die Menge der verkauften Bioprodukte ging jedoch zum zweiten Mal in Folge leicht zurück.

Geringere Preisdifferenz

Wertmäßig reduzierte sich der Anteil frischer Biolebensmittel im Einzelhandel von 11,5 auf elf Prozent. Ein Grund dafür ist die geringere Preisdifferenz zwischen konventionellen und biologischen Lebensmitteln. In Spitzenzeiten während der Pandemie, als die Gastronomie geschlossen hielt und Konsumenten daheim kochten, erreichte dieser Anteil bis zu 13 Prozent.

Barbara Riegler, Obfrau der Bio Austria, Europas größten Bioverbands, vermisst politische Signale, um Bio zu stärken. Das österreichische Agrarumweltprogramm Öpul bremse die Bioentwicklung. "Es ist kein Wunder, dass sich Betriebe aus der Produktion zurückziehen."

Riegler appelliert an die Landwirtschaftspolitik, gegenzusteuern. Bei der EU-Kommission eingereichte Änderungen im Umweltprogramm werden 2025 wirksam.

Öffentliche Hand lässt aus

Zweite Baustelle der Branche ist die öffentliche Beschaffung. Zu 25 Prozent Bio hat sich der Bund beim Einkauf von Lebensmitteln für seine Einrichtungen für 2023 verpflichtet. Das Verteidigungsministerium weist wie berichtet einen Anteil von gerade einmal 1,5 Prozent aus. Die übrigen Ministerien kennen ihre Bioquoten nicht einmal, ärgert sich Riegler. "Die öffentliche Hand ist einer der größten Einkäufer." Doch es fehle hier jegliche Transparenz.

Ein Bekenntnis von öffentlichen Kantinen, Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern bis hin zum Bundesheer zu mehr Bio sei für die Branche essenziell, sagt Moser. Zumal der Anteil an Außer-Haus-Verpflegung seit Jahren stark wächst.

Die Regierung habe sich Bioquoten verordnet, halte sich jedoch nicht daran und stelle auch keinen finanziellen Mittel dafür bereit, resümiert Feinkosthersteller Thomas Neuburger. "Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen." (Verena Kainrath aus Nürnberg, 15.2.2024)