Zuletzt sprach sich Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) im "Kurier" für "konsequente" Aberkennungen der österreichischen Staatsbürgerschaft aus; jene Politikerin, die für ihre Partei im Auftrag von Bundeskanzler Karl Nehammer auch an einer Definition der österreichischen Leitkultur arbeitet, anhand derer der Integrationsstand von Einwanderern sichtbar werden soll.

Ursprünglich jedoch hatte FPÖ-Chef Herbert Kickl die Diskussion gestartet, die den Beginn des heurigen Superwahljahrs mitmarkierte: In der "ZiB 2" hatte er sich vor einem Monat für neue rechtliche Grundlagen ausgesprochen, um Personen, die die einheimischen Werte missachten würden, die Staatsbürgerschaft zu entziehen.

Radikale Pläne

Das dockt an die Vertreibungspläne der rechtsextremen Identitären an, die jedoch noch weiter gehen. Sie schlagen auch Abschiebungen "nicht assimilierter Staatsbürger" vor.

Pass der Republik Österreich
Der österreichische Pass hat international einen hohen Wert – auch weil er gleichzeitig eine EU-Bürgerschaft begründet. Die Gründe, um ihn zu entziehen, sind derzeit klar umrissen.
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Von derlei war im Interview Raabs nicht die Rede. Sie bezog sich vielmehr auf bereits bestehendes Recht und Gesetz. Der österreichische Pass müsse entzogen werden, "wenn es zu rechtlichen Verfehlungen kommt", sagte sie. Dazu gebe es schon jetzt Möglichkeiten, "und von diesen wird auch schon Gebrauch gemacht".

Wie schauen diese Möglichkeiten konkret aus? Unter welchen Bedingungen – und mit welchen Folgewirkungen für die betroffenen Personen – kann die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt werden?

Ziel: Staatenlosigkeit vermeiden

Das könne aus sechs verschiedenen Gründen geschehen, sagt der Politikwissenschafter und Staatsbürgerschaftsexperte Gerd Valchars. Jeder davon, so betont er, sei vor dem Hintergrund des Menschen- und EU-Rechts zu betrachten.

Dieses ist darauf ausgelegt, Staatenlosigkeit zu verhindern, und es räumt der sozialen Verankerung einer Person in dem Staat, in dem sie wohnt, einen wichtigen Stellenwert ein. Das hat seinen Grund: Wer ohne Staatsangehörigkeit leben muss, ist mangels Papieren in den meisten Bereichen seines Lebens schwer eingeschränkt.

Entzogen werden kann die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn neben ihr eine weitere Staatsangehörigkeit erworben wurde. Außerdem sind Doppelstaatsbürgerschaften zahlreich und unvermeidbar – etwa bei Kindern mit Eltern aus zwei verschiedenen Staaten.

Daher gestalten sich Ermittlungen wegen Doppelstaatsbürgerschaften vielfach schwierig. 2018 zum Beispiel wurden die Namen eingebürgerter Türken und Türkinnen auf einer Liste der türkischen Wahlkommission gefunden. Gegen 450 von ihnen wurde ein Verfahren eingeleitet, doch der Verfassungsgerichtshof kippte in der Folge Teile der Causa..

Gegen IS-Mitglieder

Aberkannt werden kann die Staatsbürgerschaft detto nach einem Eintritt ins Heer eines anderen Staates – und zwar auch dann, wenn der oder die Betreffende dadurch staatenlos wird. Das Gleiche gilt, wenn ein Österreicher oder eine Österreicherin im Dienst eines ausländischen Geheimdiensts steht. Für diese beiden Fälle hat die Republik bei der Unterzeichnung eines Abkommen gegen das Entstehen von Staatenlosigkeit Vorbehalte definiert.

Besagter Vorbehalt gilt nicht für den Entzug des österreichischen Passes aufgrund der freiwilligen Teilnahme an Kampfhandlungen organisierter bewaffneter Gruppen. Die Regelung wurde 2015 eingeführt und war auf IS-Mitglieder gemünzt. Auch der 2021 beschlossene Aberkennungsgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Terrorismus ist diesbezüglich eingeschränkt. Es darf für die Betreffenden also keine Staatenlosigkeit entstehen.

Zuletzt kann den österreichischen Pass auch verlieren, wer ihn sich erschlichen oder Urkunden gefälscht hat, um ihn zu erhalten.

Nur recht wenige Fälle

Wie oft in Österreich tatsächlich ausgebürgert wird, wird statistisch im Gegensatz zu den Einbürgerungen nicht erhoben. Es ist aber von jährlich höchstens zweistelligen Zahlen auszugehen. Eine Ausweitung der Aberkennungsgründe wiederum, etwa auf herkömmliche strafbare Handlungen, wäre laut dem Experten Valchars schwierig – es sei denn, man entscheide sich dazu, internationale Abkommen, Menschen- und EU-Recht teilweise zu ignorieren. (Irene Brickner, 12.2.2024)