Wenn am Mittwoch in Indonesien ein neuer Präsident gewählt wird, könnte die drittgrößte Demokratie der Welt an einem Scheidepunkt stehen. Mehr als 200 Millionen Menschen sind aufgerufen, über den Staatschef, seinen Vize und das Parlament zu entscheiden. Der Sieger im Kampf um die Nachfolge des scheidenden Präsidenten Joko Widodo, genannt Jokowi, dürfte dabei den Umfragen zufolge von vorneherein feststehen: Prabowo Subianto Djojohadikusumo, der Chef der rechtsnationalistischen Gerindra-Partei ("Partei der Bewegung Großes Indonesien"), könnte schon in der ersten Wahlrunde seine beiden Konkurrenten distanzieren und die nötigen 50 Prozent überspringen. Die beiden anderen Kandidaten, der unabhängige Anies Baswedan und Ganjar Pranowo, der Kandidat der "Demokratischen Partei des Kampfes Indonesiens", der auch Jokowi angehört, liegen in den Umfragen jeweils mehr als 30 Prozentpunkte zurück.

Der 72-jährige ehemalige Armeegeneral wäre damit am Ziel: Bei den vergangenen beiden Wahlen hat er jeweils gegen Jokowi verloren. Die Wahlkämpfe wurden erbittert und schmutzig geführt, und nach der Wahl 2019 behauptete Prabowo, dass das Ergebnis gefälscht worden war, was blutige Proteste seiner Anhänger auslöste. Trotzdem holte Jokowi seinen Widersacher im Oktober 2019 überraschend als Verteidigungsminister in seine Regierung.

Enttäuschte Hoffnungen

Obwohl Jokowi vor zehn Jahren als "Obama Indonesiens" bezeichnet wurde und große Hoffnungen in den vormaligen Gouverneur Jakartas und Bürgermeister Surakartas gesetzt wurden, steht es um die Zukunft der Demokratie in dem riesigen Vielvölkerstaat schlecht. Jokowi war der erste Präsident Indonesiens, der nicht aus der militärischen oder politischen Elite des Landes, sondern vielmehr aus einfachen Verhältnissen stammte. Trotz dieser fehlenden Basis zeigte er vor allem in seiner zweiten Amtszeit ein ausgeprägtes machtpolitisches Denken. Da jedoch eine dritte Amtszeit für den Präsidenten rechtlich nicht möglich war und sich auch die Wahlen nicht verschieben ließen, musste Jokowi einen anderen Ansatz suchen, um weiterhin seinen Einfluss zu wahren.

Er verbündete sich mit seinem einstigen Widersacher Prabowo und stellte ihm seinen ältesten Sohn als Kandidaten für das Vizepräsidentenamt an die Seite. Ein kleines Problem musste Jokowi diesbezüglich jedoch lösen: Gibran Rakabuming Raka ist 1987 geboren. Für die Kandidatur um das Amt des Vizepräsidenten gilt jedoch ein Alter von mindestens 40 Jahren als Voraussetzung. Das indonesische Verfassungsgericht unter dem Vorsitz von Jokowis Schwager Anwar Usman entschied im vergangenen Oktober, dass anstelle der Altersgrenze auch ausreicht, bereits für eine regionale Führungsposition gewählt worden zu sein – und Gibran wurde 2020, wie 15 Jahre zuvor sein Vater, zum Bürgermeister von Surakarta gewählt.

Prabowo Subianto will endlich ins Präsidentenamt. Unterstützung erhält er von Gibran, dem Sohn des scheidenden Präsidenten Jokowi.
AP/Achmad Ibrahim

Diese "Lex Gibran" kostete Usman zwar wenige Wochen später seinen Posten als oberster Verfassungsrichter, denn der Ehrenrat des Gerichts entschied, dass der präsidentielle Schwager mit der Entscheidung gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit und der Integrität verstoßen hat und damit den verfassungsrichterlichen Verhaltenskodex verletzt hat. Gibrans Antritt als parteifreier Kandidat an der Seite Prabowos blieb dennoch aufrecht.

Ramponierter Ruf aufpoliert

Prabowo wiederum nutzte die vergangenen Jahre im Ministeramt für eine Politur seines Rufes. Der Militär war während der langjährigen Diktatur seines späteren Schwiegervaters Suharto in der Spezialeinheit Kopassus aufgestiegen, die für zahlreiche Massaker im besetzten Osttimor verantwortlich gemacht wird. Als Kommandant einer Kopassus-Einheit und später als Chef der einflussreichen Armeeeinheit Kostrad werden Prabowo zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Osttimor, Westpapua und gegen die Demokratiebewegung am Ende der Suharto-Diktatur zugeschrieben. Unter anderem war seine Einheit für den Tod des ersten Premierministers Osttimors, Nicolau dos Reis Lobato, verantwortlich.

Bei einem Einsatz gegen westpapuanische Unabhängigkeitskämpfer tarnte eine Einheit einen Militärhubschrauber als Fluggerät des Roten Kreuzes für einen Angriff zur Befreiung von Geiseln. Wegen der Entführung von Demokratieaktivisten wurde Prabowo schließlich nach dem Ende der Suharto-Herrschaft vor Gericht gestellt und aus dem Militär entlassen, weil er dem Urteil zufolge "Befehle falsch interpretierte". Er ging ins Exil nach Jordanien. Den Vorwurf, dass er die Proteste gegen den Diktator nutzen wollte, um sich selbst an die Macht zu putschen, bestritt Prabowo seither konsequent.

Sein Ministeramt gab ihm auch international wieder eine gewisse Salonfähigkeit zurück. Während er nach 1998 in den USA de facto eine Persona non grata war, konnte er 2020 als Verteidigungsminister sogar seinen damaligen Amtskollegen Mark Esper im Pentagon besuchen. Innerhalb Indonesiens, wo große Teile der Bevölkerung ohnehin kaum ein Problem mit Prabowos menschenrechtlich bedenklicher Vergangenheit haben, ließ sich der Präsidentschaftsaspirant ein kumpelhaftes Image verpassen. Insbesondere die riesige Zielgruppe der jungen Wähler, die die Suharto-Diktatur nur mehr aus Erzählungen kennt, wird in seinem Wahlkampf gezielt mit einem KI-generierten comichaften knuddeligen Abbild des Kandidaten angesprochen. (Michael Vosatka, 13.2.2024)

Jungwähler werden mit einem comichaften knuddeligen Abbild Prabowos und seines Vizekandidaten Gibran angesprochen.
AFP/ADEK BERRY